Spannend wie Derrick: Bruno Aigner & Heinz Fischer

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Langweiliger Wahlkampf, farblose Kandidaten - nur ein bisschen Recherche und schon sind solche Urteile als dumme Vorurteile entlarvt. Österreichische Innenpolitik ist spannend wie ein Krimi: Am 20. Oktober 1974 begann die legendäre Zusammenarbeit zwischen Oberinspektor Stephan Derrick und Inspektor Harry Klein - etwa zur selben Zeit wird auch aus Heinz Fischer und Bruno Aigner jenes Duo, das sich am Sonntag in die Hofburg hat wählen lassen. Und während für Derrick & Klein nach 281 Folgen Schluss war, starten Fischer & Aigner nach dreißig Jahren für zumindest weitere sechs Jahre noch einmal richtig durch.

70 % rot, 30 % grün

Als sich am Wahlabend der neue Bundespräsident den Kameras stellt, steht Bruno Aigner hinter Heinz Fischer. Ansonsten findet man den Sekretär bei Auftritten von Fischer immer irgendwo an der Seite lehnend: So überblickt er das Publikum, mustert die jeweilige Runde, hält dem Chef die Flanke frei und wenn dieser vorzeitig weg muss, dann stellt oder sitzt sich Aigner auf den Platz und redet an seiner Statt weiter. Und umgekehrt passiert es auch: Anruf bei der Nummer von Aigner - abheben tut der Präsident.

"Wie meinen'S denn das?" entgegnet ein wenig skeptisch die grüne Nationalratsabgeordnete Terezija Stoisits auf die Frage, ob sie nicht ab und zu eifersüchtig auf Fischer sei. Stoisits ist die Lebensgefährtin von Bruno Aigner und funktionieren tut diese rot-grüne Koalition, weil sie "vom Fleisch der SPÖ" ist, und er eine Mixtur aus "70 Prozent rot und 30 Prozent grün" darstellt.

"Da hat es von der jeweiligen Partei gegenüber beiden immer einen Verdacht gegeben", erinnert sich der frühere Grün-Mandatar Andreas Wabl. Denn: "Was reden die beim Frühstück?" Über das, worüber der Bruno Aigner immer redet, antworten andere: über die soziale Kälte. Aigner wird deswegen auch das "wärmende Gewissen der SPÖ" genannt und seine Ermahnungen haben ihm neben dem Kopfschütteln der jeweiligen Parteivorsitzenden den Titel "SP-Querdenker" eingebracht. Als solcher meldet sich Aigner auch als Sprecher der "Initiative für eine sozialistische SPÖ" zu Wort, und hat in dieser Funktion sogar mit Hungerstreik gedroht, wären die Sozialdemokraten eine Koalition mit der Schüssel-ÖVP eingegangen.

Aigner ist Jahrgang 1942 und stammt aus Waidhofen an der Ybbs. Als eine seiner ersten politischen Aktionen gilt eine Demonstration gegen die Blasmusikkapellen beim Maiaufmarsch der SPÖ. "So hat halt in Wien der 68er-Protest ausgeschaut", erzählt eine, die dabei gewesen ist.

Allein am Grazer Hauptplatz

Ins Parlament ist Aigner mit Fischer eingezogen; als er es aus eigener Kraft schaffen wollte und für den Nationalrat auf einer steirischen Liste kandidierte, ist er "einsam am Grazer Hauptplatz" gestanden. So ist Aigner je nach Bewertung von Freund oder Feind: entweder das "soziale Gewissen", das "linke Alibi" oder der "Bauchredner" und "Testballon" von Fischer geblieben - und wird mit all diesen Zuschreibungen, dafür ohne Krawatte, in die Hofburg übersiedeln. Und irgendwann gibt es vielleicht auch von Fischer & Aigner einen Zeichentrickfilm so wie jetzt von Derrick & Klein. Der Untertitel kann gleich bleiben: "Die Pflicht ruft." WM

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