Spannend zwischen West und Ost

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In Simbabwe kommen in wenigen Wochen die protestantischen und die orthodoxen Kirchen zur Vollversammlung des Weltkirchenrates zusammen: Spannungen unter den Kirchen haben beträchtlich zugenommen.

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In Simbabwe kommen in wenigen Wochen die protestantischen und die orthodoxen Kirchen zur Vollversammlung des Weltkirchenrates zusammen: Spannungen unter den Kirchen haben beträchtlich zugenommen.

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Von 3. bis 14. Dezember findet in Harare (Simbabwe) die VIII. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen ("Weltkirchenrat") statt. Überschattet wird diese durch eine tiefe Kluft zwischen protestantischen und orthodoxen Kirchen. Dazu kommt die Diskussion über dessen grundsätzliche Ausrichtung. Neue Lösungsvorschläge könnten aber Chancen bieten, die weit über das intendierte Ziel hinausgehen.

Kurz vor dem 50-Jahrjubiläum des Rates, das in Harare gefeiert werden soll, werden die Spannungen zwischen den beiden Kirchengruppen "westlichen" (vorwiegend protestantischen) und "östlichen" (vorwiegend orthodoxen) Christen innerhalb der großen ökumenischen Institution noch offenkundiger. Im Hintergrund steht eine tiefgreifende Entfremdung: Proselytismus, Frauenpriestertum, Homosexualität, gemeinsames Abendmahl sind einige Schlagworte. Dazu kommt die Frage, was denn Aufgabe des Weltkirchenrats sei.

"Der Einsatz für Menschenrechte" würde wahrscheinlich eine Gruppe antworten und damit implizieren: Frauenrechte - dabei auch die Weihe von Priesterinnen, den Einsatz für Randgruppen wie etwa Homosexuelle etc. Themen, die für die orthodoxen Kirchen kaum zur Diskussion stehen. Zugleich müssen sie rechnen, bei Abstimmungen überstimmt zu werden. So werden sich die orthodoxen Delegierten im Dezember bei diesen Abstimmungen nicht beteiligen.

Noch schwerer verständlich scheint für viele Orthodoxe die folgende Zwiespältigkeit innerhalb vieler westlicher Kirchen: Zum einen werde von Ökumene und gemeinsamer Arbeit gesprochen, zum anderen Missionare nach Osteuropa gesandt um, so die orthodoxe Sicht, aus Orthodoxen Heterodoxe zu machen. "Die Schweizer Protestanten haben für die Mission in Albanien einen Hubschrauber, die einheimischen orthodoxen Priester nicht einmal einen Esel", so die Klage. Unvorstellbar, daß eine Hand nicht weiß, was die andere tut. Aber genau das ist die westliche Realität: Selten sind die Gruppen, die sich in der "Ostmission" engagieren, dieselben wie die, die in der Ökumene arbeiten. Und viele Missionare fragen nicht bei ihrer Kirchenleitung oder ihren Berufsökumenikern um Erlaubnis an. Ein Bild von Kirche, das für Orthodoxe schon an sich undenkbar ist, das durch die Kirchenstruktur, die in vielen Ländern noch immer von der früheren oft staatlichen Einflußnahme von oben geprägt ist, vollkommen jenseits des vorstellbaren liegt: Mission ohne Auftrag von oben.

Zwei Geschwindigkeiten Wichtig sind aber auch, die verschiedenen Vorstellungen von Ökumene. So hatte bei der letzten Versammlung 1991 in Canberra der Generalsekretär optimistisch gemeint: Er hoffe, daß dies die letzte Vollversammlung ohne gemeinsames Abendmahl sei. Daraufhin hatten die orthodoxen Vertreter zaghaft geäußert: Es stelle sich die Frage, ob es nicht an der Zeit sei, die Mitgliedschaft im Ökumenischen Rat der Kirchen zu überdenken.

In Harare wird es keine gemeinsame Abendmahlsfeier geben, sondern die Vertreter der verschiedenen Konfessionen werden an jeweils einem Tag zu konfessionellen Abendmahlsfeiern einladen - ein Zugeständnis vor allem an die orthodoxen Mitglieder.

Zwei Vorstellungen von Ökumene Auch hier zeigt sich ein unterschiedliches Bild von Ökumene, das sich so (etwas überzeichnet) darstellen läßt: "Betonen wir einfach das gemeinsame und vergessen wir die Details, die uns trennen" versus "Versuchen wir über jede einzelne Frage einen Konsens herzustellen, bis wir zur vollen Übereinstimmung kommen".

Die Auffassungsunterschiede, aber auch der Vorwurf, die protestantischen Kirchen seien verweltlicht, haben inzwischen die georgische Orthodoxie zum Austritt veranlaßt, bulgarische und polnische, eventuell auch russische und serbische könnten demnächst folgen.

Richtungsweisend scheint nun ein Vorschlag vom Moskauer Patriarchat: Nach dem Vorbild des Nahostkirchenrates (MECC) sollen die 332 Mitgliedskirchen des Weltkirchenrates in "Kirchenfamilien" zusammengefaßt werden, etwa in eine orthodoxe, eine katholische und eine protestantische. Tatsächlich hätte diese neue Struktur wesentliche Vorteile: Sie würde es den aufgeschlosseneren Mitgliedskirchen ermöglichen, wesentlich schneller voranzuschreiten ohne auf ostkirchliche Probleme Rücksicht nehmen zu müssen, den traditionsbewußteren dagegen in der ökumenischen Bewegung zu bleiben, ohne ständig in ihrer Identität in Frage gestellt zu sein.

Drei "Kirchenfamilien"?

Aber daneben könnte die Strukturänderung noch einen zweiten, größeren Vorteil bringen: Es würde auch für die katholische Kirche wesentlich leichter, Mitglied zu werden. Bisher ist sie dies nicht. Unter anderem weil gegenwärtig ihre Präsenz die Struktur des Kirchenrates erdrücken würde: Etwa zwei von drei Christen sind Katholiken. In den derzeitigen Gremien sind (grob dargestellt) die Kirchen je nach deren Größe repräsentiert, was bei einem Beitritt der römisch-katholischen Kirche bedeuten würde, daß in jedem Gremium zwei Drittel Katholiken sitzen würden - einfachheitshalber könnte man den Sitz des Ökumenischen Rates der Kirchen auch gleich von Genf nach Rom verlegen. Eine neue Struktur in Kirchenfamilien könnte der katholischen Kirche die Mitgliedschaft ermöglichen, ohne die Struktur des Rates zu überladen - vorausgesetzt das Repräsentanz ähnlich wie im MECC nach Kirchenfamilien erfolgt.

So war auch die Reaktion des Vorsitzenden des Zentralausschusses des Ökumenischen Rates der Kirchen, Aram I. Keshishian, überaus positiv und er regte an, sofort ein Treffen zu arrangieren um den Vorschlag zu diskutieren. Dies wurde vom Ökumenischen Patriarchen abgelehnt mit der Begründung: Die Orthodoxen benötigen mehr Zeit, um sich über ihre Haltung klarer zu werden. Im Hintergrund mag die uralte Spannung zwischen zweitem und drittem Rom eine Rolle spielen. In Harare wird diese Frage daher noch nicht diskutiert werden.

Pfingstkirchen und Evangelikale Noch wenig diskutiert sind bisher zwei andere Fragen: Vor allem im Süden der Welt wächst die Zahl der Gläubigen bei vielen kleinen evangelikalen und pentekostalen Kirchen. Nur sehr wenige davon sind Mitglieder des Welkirchenrates, viele überhaupt radikal antiökumenisch.

Zum anderen, ist der gegenwärtige vom Rat gepflegte Stil von Ökumene durch zahlreiche Erklärungen, die oft von den Mitgliedskirchen kaum rezipiert werden, noch sinnvoll?

Die Strukturdebatte wird bis zur Vollversammlung nicht geklärt sein. Auch die Neuorientierung des Weltkirchenrates im Rahmen eines mehrjährigen Prozesses nicht zur Gänze. So sind von der Vollversammlung keine gar zu großen Neuerungen zu erwarten. Aber zweifellos wird sie wieder ins Bewußtsein rufen, wie bunt die Weltkirche ist - mehr als 2000 Teilnehmer und Teilnehmerinnen werden erwartet. Sie wird hoffentlich auch das gemeinsame Bewußtsein stärken, von dem, was der Ökumenische Rat der Kirchen ist: Eine "Gemeinschaft von Kirchen, die Unseren Herrn Jesus Christus als Gott und Heiland anerkennen".

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