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"24. … Was dürfen wir hoffen? Und was dürfen wir nicht hoffen? Zunächst müssen wir feststellen, dass addierbarer Fortschritt nur im materiellen Bereich möglich ist … Aber im Bereich des moralischen Bewusstseins und … Entscheidens gibt es keine gleichartige Addierbarkeit, aus dem einfachen Grund, weil die Freiheit des Menschen immer neu ist und ihre Entscheide immer neu fällen muss … Sicher können die neuen Generationen auf die Erkenntnisse und Erfahrungen derer bauen, die ihnen vorausgegangen sind, und aus dem moralischen Schatz der ganzen Menschheit schöpfen … Der moralische Schatz der Menschheit ist nicht da, wie Geräte da sind, die man benutzt, sondern ist als Anruf an die Freiheit und als Möglichkeit für sie da. Das aber bedeutet: - a) Der rechte Zustand der menschlichen Dinge, das Gutsein der Welt, kann nie einfach durch Strukturen allein gewährleistet werden, wie gut sie auch sein mögen … Auch die besten Strukturen funktionieren nur, wenn in einer Gemeinschaft Überzeugungen lebendig sind, die die Menschen zu einer freien Zustimmung zur gemeinschaftlichen Ordnung motivieren können. Freiheit braucht Überzeugung; Überzeugung ist nicht von selbst da, sondern muss immer wieder neu gemeinschaftlich errungen werden. - b) Weil der Mensch immer frei bleibt und weil seine Freiheit immer auch brüchig ist, wird es nie das endgültig eingerichtete Reich des Guten in dieser Welt geben. Wer die definitiv für immer bleibende bessere Welt verheißt, macht eine falsche Verheißung; er sieht an der menschlichen Freiheit vorbei. Die Freiheit muss immer neu für das Gute gewonnen werden. Die freie Zustimmung zum Guten ist nie einfach von selber da. Gäbe es Strukturen, die unwiderruflich eine bestimmte - gute - Weltverfassung herstellen, so wäre die Freiheit des Menschen negiert, und darum wären dies letztlich auch keine guten Strukturen …"

"30. … Der Mensch hat viele kleinere oder größere Hoffnungen … Manchmal kann es scheinen, dass eine dieser Hoffnungen ihn ganz ausfüllt und dass er keine weiteren Hoffnungen braucht … In diesem Sinn hat die Neuzeit die Hoffnung auf die zu errichtende vollkommene Welt entwickelt, die durch die Erkenntnisse der Wissenschaft und … Politik machbar geworden schien. So wurde die biblische Hoffnung auf das Reich Gottes abgelöst durch die Hoffnung auf das Reich des Menschen, die bessere Welt … Dies schien endlich die große … Hoffnung zu sein, derer der Mensch bedarf. Sie konnte - für einen Augenblick - alle Kräfte des Menschen mobilisieren … Aber im Lauf der Zeit zeigte sich, dass diese Hoffnung immer weiter davonläuft. Es wurde den Menschen zunächst bewusst, dass es vielleicht eine Hoffnung für die Menschen von übermorgen ist, aber keine Hoffnung für mich. Und so sehr zur großen Hoffnung das, Für alle' gehört, weil ich nicht gegen die anderen und nicht ohne sie glücklich werden kann, so ist umgekehrt eine Hoffnung, die mich selber nicht betrifft, auch keine wirkliche Hoffnung. Und es zeigte sich, dass dies eine Hoffnung gegen die Freiheit ist …"

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