Spitäler auf dem Heilsweg

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Durch Kooperationen könnten Spitäler zwei Milliarden Euro sparen. Ein Pilotprojekt zeigt, wie das funktionieren kann: Ein Arzt verlegt seinen Arbeitsplatz einmal pro Woche in ein anderes Spital - und nimmt seine Patienten mit.

Jeden Mittwoch hängt Martin Frömmel, Primar im Wiener Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern, seinen weißen Arztkittel an den Nagel. Nach der Morgenvisite auf seiner Station setzt er sich ins Auto und fährt von Mariahilf in die Josefstadt. Der Mittwoch ist für den Kardiologen "Confra-Tag“.

Am Mittwochnachmittag schlüpft Frömmel in einen blauen Kittel samt Bleischürze und führt Katheter durch die Leiste zum Herz. Er spritzt Kontrastmittel, dehnt Gefäße oder setzt Stent-Röhrchen. Für Patienten mit Herzgefäßerkrankungen kann diese Untersuchungen lebenswichtig sein. Doch die Röntgengeräte, mit denen sie durchgeführt werden, sind teuer. Und wo sie stehen dürfen, ist genau geregelt. Nur sechzehn solcher Herzkatheteranlagen gibt es Wien. Für Patienten heißt das oft: Überweisung von einem Spital ins andere, lange Wartezeiten, ein neuer Arzt, ein fremdes Team.

Kosten senken, Qualität heben

Auch bei den Barmherzigen Schwestern gibt es keinen Herzkatheter. Doch Martin Frömmel muss seine Patienten nicht wegschicken: Er nimmt sie einfach mit in die Confraternität-Privatklinik. Dort nützt er jeden Mittwoch das Herzzentrum - und behandelt seine Patienten aus dem Ordensspital ohne Kosten für sie im Privatspital.

Seit zwei Jahren gibt es die Herz-Kooperation der beiden Häuser. Von rund 1.000 Untersuchungen, die im letzten Jahr im Herzzentrum der Confraternität durchgeführt werden, waren 280 an Patienten von Martin Frömmel. Heuer werden es noch mehr sein. Von der Zusammenarbeit profitieren alle: Frömmel kann seinen Patienten optimale Versorgung bieten - und nicht zuletzt anwenden, was er als interventioneller Kardiologe gelernt hat. Die Confraternität kann durch die Zusammenarbeit ihre Kosten reduzieren - und durch die hohe Fallzahl die Qualität verbessern: "Je mehr Leute wir behandeln, desto höher wird das medizinische Niveau. Durch die Kooperation wird unser Personal optimal eingesetzt“, erklärt Dietmar Glogar, Internist am AKH und Mitglied des interventionellen Teams der Confraternität. Und die Patienten bleiben von der Erst-Diagnose bis zur Entlassung in einer Hand.

Die Kooperation zwischen dem Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern und der Confraternität ist österreichweit einzigartig - und beispielgebend dafür, wie ein effizientes und patientenfreundliches Gesundheitssystem in Zukunft ausschauen könnte.

Fakt ist: Die Ausgaben für Gesundheit betrugen im Vorjahr rund 33 Milliarden Euro. Jedes Jahr wachsen sie um 5,5 Prozent und damit deutlich schneller als die Wirtschaftskraft in Österreich. Kostenreduktion ist das Credo der Stunde. Der Schlüssel dafür könnte in der verstärkten Kooperation von Spitälern liegen.

Zwei Milliarden Euro sparen

Das Institut für Höhere Studien (IHS) hat gerade berechnet, dass zwei Milliarden Euro eingespart werden könnten, wenn Krankenhäuser besser miteinander und mit niedergelassenen Ärzten zusammenarbeiten. Durch Kooperationen können auch kleine Spitäler wirtschaftlich effizient arbeiten: Wenn bei nichtmedizinischen Leistungen wie der Verwaltung, der Wäscherei oder der Küche besser zusammengearbeitet wird, ließen sich laut IHS-Studie 430 Millionen Euro sparen. Durch Arbeitsteilung oder Spezialisierung im Spitalsbereich (wie bei der Herz-Kooperation zwischen den Barmherzigen Schwestern und der Confraternität) wären es zusätzlich fast 800 Millionen Euro.

Einige Landeskrankenhäuser und Ordensspitäler haben bereits Kooperationen etabliert: So haben etwa alle Kärntner Spitäler ein gemeinsames Zentrallabor im Landeskrankenhaus Klagenfurt. Die Sterilisation der Geräte aller Vorarlberger Krankenanstalten findet an einem Ort statt. In Kärnten stimmen die Ordensspitäler der Barmherzigen Brüder und der Elisabethinen ihre Schwerpunkte aufeinander ab: Während sich erstere auf Onkologie, Gynäkologie und Geburtshilfe spezialisieren, legen die anderen den Fokus auf Rheumatologie, Allgemeinchirurgie und Orthopädie. Und in Wien bilden fünf kleine Krankenhäuser der Vinzenzgruppe ein "virtuelles Großspital“ mit Zentralapotheke, -labor, -sterilisation und einer gemeinsamen Verwaltung.

"Insbesondere für kleine Spitäler sind Kooperationen das Zukunftsmodell“, ist sich Thomas Czypionka, Gesundheitsökonom am IHS und Studienautor, sicher: "So kann man die Qualität und die Effizienz steigern.“ Das bestätigen auch die Kooperationspartner Frömmel und Glogar: Die Herzkatheteranlage der Confraternität wäre ohne die Kooperation nicht optimal genutzt. Und Martin Frömmel müsste seine Patienten sonst quer durch den Spitalsdschungel überweisen.

Die OP-Symbiose von Frömmel und den Kardiologen der Confraternität kam übrigens durch Eigeninitiative zu Stande - und wird durch persönlichen Einsatz aufrechterhalten.

Bürokratische Hürden

Denn obwohl das spitalsübergreifende Teamwork so vielversprechend ist, gibt es keine politischen Anreize dafür. "In der Praxis stoßen die Akteure häufig sogar auf rechtliche und bürokratische Hürden“, weiß Czypionka. In den unterschiedlichen Bundesländern werden die gleichen Leistungen anders vergütet. Über Ländergrenzen hinweg zu kooperieren ist deshalb fast unmöglich. Auch zwischen öffentlichen Krankenanstalten, Privat- und Ordensspitälern gibt es Unterschiede bei der Finanzierung.

Michael Heinisch, der Geschäftsführer der Vinzenz Gruppe, illustriert die komplexe Gesetzeslage an einem weiteren Beispiel: Direkt neben dem Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern, wo Martin Frömmel Primar ist, befindet sich das Pflegeheim der Barmherzigen Schwestern. "Nach der Rechtslage dürfen die Spitalsärzte die Pflegeheimsbewohner aber nicht behandeln“, sagt Heinisch. Deshalb muss das Pflegepersonal im Ernstfall die Rettung rufen, die den Patienten zu einem niedergelassenen Arzt in der Umgebung bringt. Der überweist ihn bei Bedarf ins nächste Krankenhaus - das in diesem Fall nur ein paar Schritte entfernt liegt.

Durch die Kooperation mit der Confraternität bleiben zumindest Martin Frömmels Patienten unnötige Wege erspart. Sie werden am Mittwochnachmittag, nach der Untersuchung in der Confraternität, wieder zu den Barmherzigen Schwestern gebracht. Dort bleiben sie über Nacht. Am nächsten Morgen kommt wie gewohnt das Ärzteteam zur Visite. Mit dabei: "Ihr“ Primar Martin Frömmel, diesmal wieder im weißen Kittel.

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