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SPOe und Kirche

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KIRCHE UND SOZIALISMUS. Klarstellungen zum neuen Programm der Sozialistischen Partei Oesterreichs. Von G. Gundlach, J. Schasching, O. Mauer, A. Tautscher. Tyrolia-Verlag, Innsbruck-Wien-München. 108 Seiten. Preis 24 S.

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KIRCHE UND SOZIALISMUS. Klarstellungen zum neuen Programm der Sozialistischen Partei Oesterreichs. Von G. Gundlach, J. Schasching, O. Mauer, A. Tautscher. Tyrolia-Verlag, Innsbruck-Wien-München. 108 Seiten. Preis 24 S.

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Bei Analysen des neuen Programms der SPOe wird die Analyse mehrheitlich auf zwei Fragen gerichtet, auf die Frage, ob sich der österreichische Sozialismus noch und wie weit als marxistische Partei verstanden wissen will, und darauf, wie nun der Sozialismus sein Verhältnis zur katholischen Kirche (und nur um diese geht es ja, wenn von „Christentum“ die Rede ist) präzisiert, zumindest aber andeutet.

Das vorliegende Buch gibt nun Beiträge namhafter katholischer Gelehrter wieder, die sich kritisch mit dem neuen SPOe-Programm auseinandersetzen.

Prof. P. G u n d 1 a c h SJ. von der Gregoriana anerkennt zum Beginn seiner Ausführung die befruchtenden Anregungen, die vom Sozialismus aus auf die anderen Lager, auch auf den Katholizismus, ausgegangen sind, und ist bemüht, ohne auf parteipolitische Kombinationen Bedacht zu nehmen, lediglich das Grundsätzliche klarzustellen. In einem historischen Ueberblick sieht der Referent das Atheistische wie das Liberale als ein Bestimmungselement in der Konstitution des sozialistischen Ideengebäudes, zu dem noch ein affektgeladener Antikapitalismus kommt, der sich jetzt in einen Antikonservatismus zu wandeln beginnt. Feind jedes Relativismus in der Frage der Klassifikation des Sozialismus, tritt der Verfasser für eine politische Aktivierung der Christen ein, die dem Sozialismus Zu nützen vermag, der auch Gesinnung auf Seite seiner Gegner benötigt.

Prof. P. Schasching SJ. (Universität Innsbruck) geht in seinen Untersuchungen zum Weltanschaulichen im Programm der SPOe von zeitlichen Programmvergleichen aus. Noch bei Otto Bauer waren die religiösen Ansichten der Massen Reflexe sozialökonomischer Bedingungen und daher nicht durch Propaganda zu überwinden. Die Religionen „Wundmale des Elends“, sind daher bei Bauer eine höchst private Sache, eine metaphysische Formulierung persönlichen Erlebens. Anders die Kirchen. Sie müßten bekämpft werden, da sie als Institutionen, versehen mit Macht, dem Befreiungskampf der Arbeiter entgegenwirken und damit das Entstehen jener Bedingungen verhindern, die allein das religiöse Erleben zum Absterben bringen können.

Im Verlauf einer Ernüchterung im Sozialismus und, einer Wieäetentdeckuhg'-der’‘siÖii Ä,'i6,ä e kJfmWt es intfn zu jener Wandlung, die 'm Oesterreich ein neues Verhältnis von Kirche und 'Sozialismus hat entstehen lassen, Das zeigt sich etwa in den Auseinandersetzungen um den Begriff „Weltanschauung“ ebenso wie im Bemühen, den Sozialismus als eine Summe von Weltanschauungen zu verstehen, die lediglich einige innerweltlich bezogene Programmpunkte als verbindlich gemeinsam haben. Angesichts des Schwundes an weltanschaulicher Substanz aber werden, wie der Verfasser meint, die großen Postulate im Sozialismus, wie „Gerechtigkeit" und „Freiheit“, zu substanzlosen Begriffen. So entsteht die Gefahr, daß der Sozialismus zu einer „Clearingstelle“ von Selbstinteressen der Individuen .wird. Die Gesellschaft, auf welche der Sozialismus bezogen ist, stellt aber mehr dar als eine äußere Nutzenveranstaltung. Auch die Kirche soll nicht allein in ihren sozialreformatorischen Bezügen vom Sozialismus her gesehen werden. Geschieht dies, so wegen der weltanschaulichen Verarmung des Sozialismus. der noch kein Verhältnis zum Jenseits fin- - den konnte. Der Referent forderte zum Schluß seiner Ausführungen eine saubere (das heißt, wohl nicht allein in parteipolitischen Rücksichten befangene) Weiterführung des Gespräches zwischen Kirche und Sozialismus, ein Gespräch, das schließlich von der Bruderliebe bestimmt sein müsse.

Monsignore Mauer, der über das Kultur- porgramm der SPOe referierte, kritisierte dessen Unkonkretheit. Der Hinweis auf die unleugbar vorhandene Kulturkrise ist im Sozialismus mit einem zweckhaften Optimismus verbunden, so daß sich der Pathos einer messianischen Bewegung zeigt, die ihren Niederschlag im Kulturellen in einem universalen Bildungsziel zeigt, in der Forderung nach Konstitution eines sozialistischen Humanismus.

Im zweiten Teil seiner Ausführungen analysiert der Vortragende Punkt für Punkt der für eine kulturelle Klassifikation bedeutsamen Forderungen des SPOe-Pftjgramms (u. a. Ehe, Familie, Schule, Volksbildung, Arbeiterbildung).

Im letzten Kapitel des Buches wird ein Vortrag des Ordinarius für Nationalökonomie an der Grazer Universität, Prof. Tautscher, publiziert,. der sich mit den wirtschaftspolitischen Postulaten des SPOe-Programms befaßt.

In einer präzisen methodischen Aufgliederung geht der Referent vom Werdegang des Programms aus. Zeigt der Entwurf am klarsten edas programmatische Wollen der Partei, so sind die Resolutionen (die ebenfalls publiziert wurden) gleichsam die Stimme des Parteivolkes. Das Programm ist aber keine Synthese, sondern ein Absud aus beiden, eine Meinung, die auch in der SPOe weithin geteilt wird. Der Verfasser sieht nun in der Art der Programmformulierung (Motto: „Für jeden etwas“) ein Instrument besonderer Gefährlichkeit.

Die sozialistische Gesellschaft soll eine solche von Gleichen sein. Die Nivellierung wurde zur Grundlage der Freiheit gemacht, während es doch tatsächlich um die Gleichheit der Startbedingungen gehen sollte.

Die Forderung nach Weiterführung des Klassenkampfes ist anachronistisch, um so mehr, als ihr Ziel die Gewinnung der Macht im Staate ist, während das Programm selbst festhält, daß die von Marx vorausgesagte Entwicklung der Gesellschaft nicht eingetroffen sei, also auch nicht eine Situation entstanden sei, die zur Verschärfung des Klassenkampfes geführt habe. Wozu dann dessen Wiederaufleben?

Dagegen enthält das Programm nichts von der geboten erscheinenden Zusammenarbeit der Sozialpartner. Im Gegenteil. Was gefordert wird„ ist tcrtale Planwirtschaft bis zur Konsumreglementierung, an deren bis hin zur Enteignung führenden Maßnahmen auch die Wirtschaftsdemokratie nichts zu ändern vermöge.

Die Autoren des vorliegenden'Buches können sich weder mit der Formulierung noch mit dem wesentlichen Inhalt tįes neuen Programms der SPOe zufrieden erklären. Keiner der Autoren ist aber andererseits der Meinung, daß der Sozialismus etwas Abgeschlossenes sei. Ein Sozialismus, wie er sich nun programmatisch darbietet, als ökonomische, aber auch als weltanschaulich bedeutsame Lehre kann nach Ansicht der Verfasser des Buches noch nicht in ein befriedigendes Verhältnis zur katholischen Kirche kommen.

Die Aussage der Verfasser muß von den Kritikern als Befund genommen werden, nicht aber als Provokation, als Befund und als Ansatz zu einem Gespräch, das vor allem mit reinen Begriffen arbeitet und von Tatbeständen der Gegenwart ausgeht.

Es wäre sehr zu bedauern, wenn das Gespräch Kirche—Sozialismus zu einer Verniedlichung von Problemen führen würde, die nun 'einmal da sind und auch nicht durch Verschweigen oder durch Ueberdecken mit höflichen Gesten aus der Welt geschafft werden können. Im wissenschaftlichen Organ der SPOe haben — als Beweis innerparteilicher Demokratie — namhafte Sozialisten kritische Bemerkungen zum neuen Programm gemacht. Sollte dergleichen Nichtsozialisten verwehrt sein? Eine i offene Kritik deutet jedenfalls die Position der Kritiker an und dient mehr der Klärung von Gegensätzen und bietet eher Chancen zu ihrer Ueberwin- dtmg. als die unverbindliche Feststellung, daß nun alles — nach einer hundertjährigen Auseinandersetzung — in Ordnung sei und vorn Christlichen her das, was im neuen Programm der SPOe Aufnahme gefunden hat, durchweg gebilligt werden müsse. Schließlich kann auch Schweigen als Zustimmung aufgefaßt werden. Für die Kritik gilt jedenfalls auch das erst vor kurzem von einem Marxisten zitierte Thomaswort, daß Eisen nur durch Eisen geschärft werden können.

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