Spurensuche nach Johannes Calvin

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Unmittelbar zum 500. Geburtstag Johannes Calvins erscheint das umfangreiche Lesebuch „Johannes Calvin – Vom Katholikenschreck zum Mann der Ökumene“. Dieses Buch unterscheidet sich von der sonstigen Calvin-Literatur, indem es einen deutlichen Bezug zu Österreich und seiner reformierten Kirche aufweist. Einerseits durch die mehrheitlich österreichischen Autorinnen und Autoren, andererseits durch die Inhalte. Calvin hat zwar persönlich mit Österreich nichts zu tun gehabt, aber die hier versammelten Texte geben Zeugnis von seinen geistigen Spuren auch in unserem Land.

Der erste Teil des Buches besteht aus der erstmals 1977 aufgelegten Calvin-Biografie von Henry Babel, der an der Wirkungsstätte Calvins, der Kathedrale St. Pierre in Genf, Pfarrer war. Erika Tuppy machte sich die Mühe, diesen Text völlig neu zu übersetzen. Es lohnt sich, dieses differenzierte Bild der Persönlichkeit Calvins, seiner Theologie und des Lebens in Genf zu lesen. Es dürften ganz persönliche Gründe gewesen sein, die Babel dazu bewogen haben, den Werdegang und das Wirken Calvins in den konkreten Rahmen der Genfer Umgebung zu stellen und zu fragen, wie sehr die äußeren Gegebenheiten die Schritte Calvins bestimmt haben. Das Ergebnis der Überlegungen von Pfarrer Babel ist aber nicht nur im Hinblick auf Calvin und die Entwicklung der Genfer Kirche interessant. Mindestens ebenso wichtig ist, dass er sehr anschaulich darstellt, was eigentlich unter reformierter Tradition zu verstehen ist.

Es wird deutlich, dass es sich dabei nicht sosehr um die Kontinuität von Lehrmeinungen handelt, sondern vielmehr um ein Kirchenverständnis, in dessen Zentrum die Gemeinde steht, die aus der Erfahrung ihrer jeweiligen Lebensumstände heraus ihr Bekenntnis und ihre Lehre neu formuliert. Und seine Vorschläge am Ende des Buches, was Calvin täte, wenn er wiederkäme, sind auch mehr als 30 Jahre nach der Ersterscheinung aktuell.

Veränderung des Calvin-Bildes

Im zweiten Teil findet sich eine breite Palette von Texten aus unterschiedlichen Zeiten. Die meisten entstanden anlässlich diverser Calvinfeierlichkeiten im 20. Jahrhundert. Der Artikel von Heinz Langhoff „Der verkannte Calvin“ wurde zu einem klassischen Text im Hinblick auf die Korrektur des oft so entstellten und verzerrten Calvinbildes. Der Titel „Vom Katholikenschreck zum Mann der Ökumene“ bezieht sich nicht auf die Entwicklung Calvins, sondern auf die Veränderung des Calvinbildes. Das Lesebuch ergibt ein buntes Mosaik, das erahnen lässt, was ein einzelner Mensch in einem kurzen Leben geschaffen und als wertvolles Erbe hinterlassen hat.

* Der Autor ist Landessuperintendent der Evangelischen Kirche H.B. in Österreich

Johannes Calvin – Vom Katholikenschreck zum Mann der Ökumene. Ein Lesebuch zum 500. Geburtstag des Reformators

Hg. Thomas Hennefeld und Peter Karner. Verlag Der Apfel. Wien 2009. 200 Seiten, geb. e 26,80

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