Staatstragend vergesslich

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Eduard Wallnöfer war kein Anhänger Hitlers. Warum konnte er seine NSDAP-Mitgliedschaft nicht zugeben? Und warum macht die ÖVP nicht reinen Tisch mit ihrer Vergangenheit?

Für die Grünen war er der Beton-Walli, weil er so viele neue Straßen bauen ließ, für die Tiroler övp der Garant der Zwei-Drittel-Mehrheit und für viele der Überlandesvater zum Angreifen. Jetzt wissen wir: Auch Eduard Wallnöfer war nsdap-Mitglied. Ausgerechnet am 195. Todestag von Andreas Hofer - eben hat ein Film den Mythos des Sandwirts beschädigt - erschütterte diese Nachricht Tirol, das kürzlich zwar seine Landeshymne qua Verfassung schützen ließ, aber jetzt seine Nationalhelden nicht mehr unter den Glassturz stellen kann.

Also wieder einer der bodenständigen "Schwarzen Mander", der mühelos zwischen GoBo (Gott und Boden) und BluBo (Blut und Boden) hin- und zurückwechseln konnte; in den drei existierenden Wallnöfer-Biografien wird das mit keinem Wort erwähnt. Jetzt ist das Entsetzen groß, die Wortmeldungen reichen von systematischer Borniertheit (für Landtagspräsident Helmut Mader ist Wallnöfer "ein Vorbild, an dem ich nicht kratzen lasse") bis Verwunderung und Bestürzung - auch gegenüber seiner Tochter Luise, der Frau des jetzigen Landeshauptmanns Herwig van Staa und dem früheren övp-Staatssekretär und Widerstandskämpfer Ludwig Steiner hat Wallnöfer nie über seine nsdap-Mitgliedschaft gesprochen.

Wirklich verwunderlich ist freilich eines: Wallnöfers 16 Jahre nach seinem Tod zufällig in einem Berliner Archiv entdeckte nsdap-Mitgliedschaft ist ein Skandal; aber als profil schon vor Wochen schrieb, Wallnöfer habe den früheren Mayrhofener Bürgermeister Franz Hausberger, der zurücktreten musste, nachdem er mit seiner ss-Vergangenheit geprahlt hatte (er hatte in Holland ein Kind erschossen), mit den Worten getröstet: "Nimm diese Dinge nicht zu ernst" - da ging kein Aufschrei durchs Land. Denn die "Integration" nicht nur einfacher Nationalsozialisten, sondern auch hoher Funktionäre und ss-Mitglieder hatte nicht nur in Tirol, sondern in ganz Österreich Methode. Parteiübergreifend. Auch Wallnöfers spö-Stellvertreter Karl Kunst war nsdap-Mitglied gewesen; er hat es allerdings nicht nur verschwiegen, sondern schlichtweg geleugnet. Und der frühere ss-Mann Ferdinand Obenfeldner war 23 Jahre sp-Vizebürgermeister von Innsbruck.

Mit der Nazi-Vergangenheit sind alle strategisch umgegangen. Im Wahlkampf 1970 hat die övp Josef Klaus mit dem Slogan "Ein echter Österreicher" plakatiert, um gegen Bruno Kreiskys jüdische Herkunft Stimmung zu machen. Gewonnen hat Kreisky, der diesen Sieg bekanntlich auch dazu nutzte, um sich mit Hilfe der vom ehemaligen ss-ler Friedrich Peter geleiteten fpö die Macht zu sichern und dann nicht einmal davor zurückschreckte, Simon Wiesenthal und dessen Recherche der Nazi-Verbrechen zu diffamieren. Führende Parteigranden haben dabei mitgemacht - bis hinauf zum heutigen Bundespräsidenten, der das inzwischen öffentlich bedauert hat. "Antifaschismus" war nur eine Parole am linken Rand der spö - strategisch nach außen gerichtet.

Zum Parteienvergleich: Zweifellos hatten die Christlichsozialen des Ständestaates mit den Nazis einiges gemeinsam: unter anderem das antiliberale und antiurbane Element ("Intellektuelle" als Schimpfwort) sowie - in verschiedenem Ausmaß - die Ablehnung der Demokratie und den Antisemitismus (nur in Österreich konnte man gegen Hitler und gleichzeitig Antisemit sein). Doch nach 1945 hatte die spö mehr Elitenbedarf und daher besonders eifrig im braunen Teich gefischt. Jetzt ist der bsa darangegangen, seine eigene Geschichte - unter Querschüssen aus der eigenen Partei - aufzuarbeiten, während die övp weiter mauern will. "Die övp hat ihr kritisches Verhältnis zum Nationalsozialismus immer unter Beweis gestellt", brachte Andreas Khol sein systematisch-simples Geschichtsbild im Interview mit den Salzburger Nachrichten auf den Punkt. Jetzt wissen wir: Kurt Waldheims staatstragende Vergesslichkeit war der adäquate Ausdruck der Zweiten Republik. Vielleicht wird sich ja der Bundeskanzler im "Gedankenjahr", das er ausgerufen hat, auch ein paar Gedanken über die Geschichte seiner Partei machen und einmal etwas dazu sagen müssen.

cornelius.hell@furche.at

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