Statt Autos kommen dann eben Menschen

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Der US-Autobauer Ford hat angekündigt, auf Investitionen in Mexiko zu verzichten. Zuvor hatte der künftige US-Präsident Trump gedroht, in Mexiko gefertigte Autos mit Einfuhrzöllen zu belegen. Die Ankündigung könnte die mexikanische Wirtschaft weiter unter Druck setzen.

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Der US-Autobauer Ford hat angekündigt, auf Investitionen in Mexiko zu verzichten. Zuvor hatte der künftige US-Präsident Trump gedroht, in Mexiko gefertigte Autos mit Einfuhrzöllen zu belegen. Die Ankündigung könnte die mexikanische Wirtschaft weiter unter Druck setzen.

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Noch hat der neugewählte US-Präsident Donald Trump sein Amt nicht offiziell angetreten, aber Mexikos Wirtschaft leidet bereits massiv unter Trumps Drohgebärden. Unter der Woche drohte der exzentrische Milliardär dem japanischen Autobauer Toyota mit "hohen Strafzöllen", sollte das Unternehmen wie geplant ein Werk in Mexiko errichten. "Baut eine Fabrik in den USA oder zahlt hohe Steuern an der Grenze", polterte Trump wie gewohnt per Twitter.

Kurz darauf entgegnete Toyota, dass die Investition in Mexiko keine Reduzierung der Produktion oder von Arbeitsplätzen in den USA bedeute. "Toyota hofft, mit der Trump-Administration zusammenzuarbeiten, um den Verbrauchern und der Automobilindustrie im besten Interesse zu dienen", sagte ein Konzernsprecher. Er verwies auf den Beitrag des Unternehmens zur Beschäftigung in den USA. Toyota betreibt dort zehn Werke mit 136.000 Mitarbeitern. Im Vergleich zu anderen japanischen Autobauern ist Toyotas derzeitiges Engagement in Mexiko relativ gering.

Doch Trump geht es um die Autobranche ingesamt. Zuvor hatte er bereits dem US-Autokonzern General Motors gedroht, in Mexiko gefertigte Autos mit hohen Einfuhrzöllen zu belegen. Das Unternehmen bekräftigte jedoch, am Standort Mexiko festzuhalten und dort weiter den Kompaktwagen Chevrolet Cruz zu fertigen. Investitionsentscheidungen würden in der Regel zwei bis vier Jahre im voraus getroffen, so der Konzern. Der überwiegende Teil der Produktion des Chevrolet Cruz befindet sich ohnehin in Lordstown, Ohio.

"Vertrauensvorschuss" für Trump

Ford wiederum kündigte vor wenigen Tagen an, auf geplante Investitionen in Mexiko in Höhe von 1,6 Milliarden US-Dollar zu verzichten und stattdessen 700 Millionen US-Dollar in die Produktion von Elektroautos in Flat Rock, Michigan, zu stecken. Erst im April - mitten im US-Wahlkampf - hatte Ford die nun zurückgezogene Investition für ein Werk im nordmexikanischen San Luís Potosí verkündet. Die Ansage wirkte damals wie eine Herausforderung gegenüber den protektionistischen Plänen von Trump.

Ford-Chef Mark Fields erklärte, die Entscheidung sei hauptsächlich wegen des "dramatischen Rückgangs der Nachfrage an Kleinwagen in Nordamerika" gefallen. Es habe keinen Deal mit Trump gegeben. Jedoch erwarte er unter Trump günstigere Geschäftsbedingungen in den USA selbst, sagte Fields und versuchte die Entscheidung des Konzerns gegenüber dem US-Fernsehsender CNN als "Vertrauensvorschuss" für den neuen US-Präsidenten zu verkaufen. Dieser zeigte sich zufrieden: "Statt Arbeitsplätze und Reichtum auszulagern, werden sich die USA in den größten Magneten für Innovation und die Schaffung von Arbeitsplätzen weltweit verwandeln."

Die Ankündigung von Ford kommt zu einem ungünstigen Moment für die Regierung in Mexiko-Stadt, die sich aufgrund der Benzin-und Gaspreiserhöhungen zum Jahreswechsel massiven landesweiten Protesten gegenübersieht. Die mexikanische Regierung bedauerte den Rückzug von Ford. Bereits geflossene Investitionsanreize müsse der US-Konzern zurückzahlen, hieß es in einer Stellungnahme des mexikanischen Wirtschaftsministeriums. Man weise jeden Versuch, Investmententscheidungen von Unternehmen auf der "Basis von Angstmache oder Drohungen" zu beeinflussen, "kategorisch" zurück. "Die in Mexiko geschaffenen Arbeitsplätze haben dazu beigetragen, Arbeitsplätze in der Fertigung in den USA zu erhalten, die ansonsten angesichts der Wettbewerber aus Asien verschwunden wären."

Mexikos Krisendiplomatie

Derweil hat Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto seinen früheren Finanzminister Luis Videgaray ins Kabinett zurückgeholt. Der soll als neuer Außenminister für möglichst gute Beziehungen zur neuen US-Regierung unter Donald Trump sorgen. Videgaray war vor vier Monaten zurückgetreten, nachdem die von ihm betriebene Einladung Trumps nach Mexiko Peña Nieto viel Gegenwind und Gespött einbrachte. Mit dem unerwarteten Wahlsieg Trumps stellte sich aber heraus, dass Videgaray Recht hatte und man den Kandidaten Trump nicht einfach ignorieren konnte. Trump hatte im Wahlkampf angekündigt, eine Mauer an der Grenze zu Mexiko errichten, mexikanische Einwanderer ohne gültige Aufenthaltspapiere millionenfach abzuschieben und das nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA zu kündigen. Videgarays wichtigste Mission dürfte zunächst darin bestehen, die Trump-Administration davon zu überzeugen, dass NAFTA auch in ihrem Interesse liegt.

Fords Rückzug ist jedoch ein erster schwerer Schlag gegen einen strategischen Bereich der mexikanischen Wirtschaft. Der Automobilsektor ist einer der wichtigsten Wirtschaftsbereiche Mexikos. Er beschäftigt 900.000 Menschen direkt und macht 3,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus.

Ein bedeutender Teil der US-Autoproduktion ist heute nach Mexiko ausgelagert; auch für internationale Autobauer wie VW, Nissan oder Daimler ist Mexiko zu einem wichtigen Produktionsstandort geworden. Laut der Beraterfirma Roland Berger haben internationale Autokonzerne bis 2020 Investitionsprojekte in Mexiko im Volumen von rund 17 Milliarden US-Dollar angekündigt. Mittlerweile ist Mexiko zum siebentgrößten Autobauer und viertgrößten Autoexporteur der Welt aufgestiegen. Nicht zuletzt wegen des Freihandelsabkommens NAFTA haben sich viele Hersteller südlich des Rio Bravo angesiedelt, wo sie für den US-Markt produzieren. Mit seiner protektionistischen Politik greift Trump aber NAFTA im Kern an. Eine Kündigung oder Neuverhandlung von NAFTA dürfte Auswirkungen auf die internationalen Autokonzerne haben.

Wachsende Unsicherheit

Der Rückzug von Ford wiederum könnte den Auftakt zu einem massiven Abzug ausländischen Kapitals aus Mexiko darstellen und die ohnehin schwächelnde mexikanische Wirtschaft weiter unter Druck setzen. Tatsächlich hatte vor Ford bereits der Klimaanlagenhersteller Carrier erklärt, auf die geplante Verlegung eines Teils der Produktion aus Indiana nach Mexiko zu verzichten. Trump und sein Vize Mike Pence, früher Gouverneur von Indiana, hatten dem Unternehmen zuvor allerdings Steuererleichterungen in Millionenhöhe versprochen. Mexikos Wirtschaftsminister Ildefonso Guajardo schloss jedoch einen Domino-Effekt aus. Allerdings gestand er -bezogen auf Trump - ein, dass US-Unternehmen derzeit Dinge evaluierten, die über die einfache Handels-und Steuerpolitik hinausgingen

Die Entscheidung von Ford hat "einen unmittelbaren medialen Effekt, man muss das Thema aber in seinem Kontext betrachten", so Armando Amador Ortega, Direktor des Entwicklungszentrums der Automobilindustrie in Monterrey. "Die Auswirkungen auf die Bandbreite der Fahrzeuge, die produziert werden, werden nicht radikal sein." Die Unsicherheit aber wächst zweifellos.

Der mexikanische Peso gab gegenüber dem US-Dollar nach der Ankündigung von Ford weiter nach. Bereits nach der Wahl Trumps war die mexikanische Währung wegen der damit verbundenen Unsicherheit auf ein historisches Tief gefallen. Im abgelaufenen Jahr verlor die mexikanische Währung gegenüber dem US-Dollar mehr als 20 Prozent.

Sollte Trump seine Drohungen wahr machen, könnten viele Mexikaner ihre Arbeit verlieren. Eine Wirtschaftskrise aber könnte zur Migrationskrise werden. Und auch in den USA selbst wären Millionen Jobs bedroht, sollte der Handel mit Mexiko bedeutend zurückgefahren werden. Oder wie Jorge Guajardo, früherer mexikanischer Botschafter in China, Trump per Tweet entgegnete: "Wer wirklich denkt, die Wirtschaft des Nachbarn zu schrotten, bringt den USA Frieden und Stabilität, sollte sich auf eine große Überraschung gefasst machen."

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