Steiermark als Beispiel gelebter Ökumene

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Konflikt- und Konsensgeschichte der christlichen Kirchen im 20. Jahrhundert.

Jahrhundertelang haben die christlichen Kirchen einander des Unglaubens bezichtigt und bekämpft. Die eigene Konfession wurde zur Waffe gegen andere Christen verwendet. Im Lauf des 20. Jahrhunderts haben aber dann die verheerenden Stürme von zwei Weltkriegen, die Erosion christlicher Lebenswelten sowie die Bedrohung des Christentums durch totalitäre politische Ideologien die christlichen Kirchen allmählich zusammenrücken lassen. Eine fast unüberschaubare Fülle von einschlägigen Büchern dokumentiert diese Entwicklung auf internationaler und kontinentaler Ebene, die jedoch im regionalen Kontext bisher noch nicht mit ähnlicher Gründlichkeit aufgearbeitet worden ist. Umso bedeutsamer ist die jüngste Neuerscheinung des Wiener Czernin-Verlages, der dieser Lücke mit einem überzeugenden publizistischen Beitrag an den Leib rückt: "Konfession und Ökumene" lautet der Titel dieses Buches, das die vielfältige Konflikt- und Konsensgeschichte der christlichen Kirchen in einem österreichischen Bundesland, und zwar am Beispiel der Steiermark, schildert und in einen größeren ökumenischen Zusammenhang hineinstellt.

Das Buch, das vom evangelischen Superintendenten i. R. in der Steiermark, Ernst-Christian Gerhold, vom katholischen Religionspädagogen Ralf Alexander Höfer und vom Historiker Matthias Opis herausgegeben wurde, bietet reichhaltiges Material zum Thema: Kirchengeschichtliche Längsschnitte durch das 20. Jahrhundert, interessante konfessionsübergreifende Beiträge, Berichte zur Ökumene in der Steiermark von Rudolf Rappel, Hermann Miklas, Philipp Harnoncourt, Herbert Beiglböck und Gertrud Lambauer, sowie eindrucksvolle persönliche Zeugnisse ökumenischen Denkens von Johann Weber, Dieter Knall, Grigorios Larentzakis, Kurt Spuller, Wilfried Nausner und Johannes B. Bauer. Mit dieser Fülle von Beiträgen zeichnet das Buch die je eigene Entwicklung der steirischen Kirchen und gleichzeitig die Schritte ihrer allmählichen Annäherung in gelebter Ökumene.

Die Buchpräsentation in der Grazer Burg wurde durch den profunden Vortrag des evangelischen Theologieprofessors Ulrich Kühn aus Leipzig noch zusätzlich bereichert. Der ostdeutsche Theologe sagte, schon in den 80er Jahren habe er Graz als ein Zentrum ökumenischer Bemühungen in Österreich kennengelernt, die von Anfang an die Orthodoxie und auch die altorientalischen Kirchen einbezogen hätten. Zur Zeit seien allerdings dunkle Wolken am ökumenischen Horizont aufgezogen, die Euphorie nach dem II. Vatikanum habe der Ernüchterung Platz gemacht. Lehrschreiben wie "Dominus Jesus" seien Anzeichen einer atmosphärischen Störung. Hiezu komme noch die zunehmende Skepsis von einfachen Christen, die einen drohenden Identitätsverlust ihrer Kirche befürchteten, und die misstrauisch gegen ihre eigenen kirchlichen Gremien geworden seien. In dieser Lage sei es höchst notwendig, neues gegenseitiges Vertrauen zu schaffen und die Erkenntnis zu vertiefen, dass "uns Christen verschiedenster Konfession auf jeden Fall mehr verbindet als uns trennt".

KONFESSION UND ÖKUMENE

Christliche Kirchen in der Steiermark im 20. Jahrhundert. Herausgegeben von Ernst-Christian Gerhold, Ralf Alexander Höfer, Matthias Opis. Czernin Verlag, Wien 2002, 448 Seiten, e 35

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