Schwules Paar - © Shutterstock

Stephan Goertz zu Homosexualität und Kirche: "Eine längst überfällige Debatte"

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Stephan Goertz ist Professor für Moraltheologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Mainz. Er skizziert im FURCHE-Gespräch, wie sich die katholische Lehre in Bezug auf Homosexualität weiterentwickeln kann.

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Stephan Goertz ist Professor für Moraltheologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Mainz. Er skizziert im FURCHE-Gespräch, wie sich die katholische Lehre in Bezug auf Homosexualität weiterentwickeln kann.

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DIE FURCHE: Das katholische Lehramt qualifiziert homosexuelle Handlungen als "objektiv ungeordnet" und "moralisch falsch". Warum ist die Kirche gerade in Bezug auf Homosexualität so apodiktisch?

Stephan Goertz: Das ist die Folge der Überzeugung, dass Sexualität primär etwas mit Fortpflanzung zu tun haben soll, also der Fixierung auf die Zeugung von Nachkommenschaft. Das war in der Vergangenheit in der Ehe-und Sexualmoral ganz zentral. Auch in der Ehe wurde Sexualität also nur unter bestimmten Bedingungen gut geheißen -wenn sie der Reproduktion dient. Diese Billigung fällt bei der Homosexualität komplett weg, weil diese nicht reproduktiv sein kann. Daher war Homosexualität früher gegen die Natur. Im Hintergrund steht ein eindimensionales Bild von Sexualität. Und sicher haben auch tiefsitzende Ängste vor einer Störung der sozialen Ordnung eine Rolle gespielt.

DIE FURCHE: Kann sich die kirchliche Lehre in Bezug auf Homosexualität verändern?

Goertz: Im Bereich der Sexualmoral ist es ja längst zu einer Entwicklung der Lehre gekommen. Man hat im 20. Jahrhundert erkannt: Sexualität hat mehrere Dimensionen. Sexualität kann die Liebesgemeinschaft von Mann und Frau ausdrücken. Überträgt man diese Grundidee auf die Homosexualität, dann gibt es Möglichkeiten, auch diese Form der Sexualität, im Hinblick gleichgeschlechtliche Lebens-und Liebesgemeinschaft, moralisch zu respektieren und anzuerkennen. Das ist der Weg, um aus der strikten Verurteilung herauszukommen. Nicht auf das vermeintlich Natürliche, sondern auf das Humane der Sexualität kommt es an.

DIE FURCHE: Man muss aber schon konstatieren, dass der Anfang, den das II. Vatikanum da gemacht hat, in den Aussagen des Lehramtes nicht viel weitergekommen ist.

Goertz: Das Konzil hatte die Fragestellung von Homosexualität gar nicht im Blick. Man hat im Bezug auf die Ehe deutlich gemacht, dass die Sexualität zwischen Mann und Frau als Ausdruck von Liebe sittliche Würde hat. So hat sich das Bild von Sexualität entscheidend geweitet. Dies auf Homosexualität zu übertragen, wäre der nächste -meines Erachtens konsequente -Schritt.

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