"Stillstand ist Rückschritt!"

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Landeshauptmann-Vize Hermann Schützenhöfer zur touristischen Positionierung der Steiermark.

Herr Landeshauptmann-Stellvertreter, Klimawandel und Klimaschutz sind in aller Munde, treibt die Politik bis hinauf zu den G8 um - die Steiermark geht in dieser Frage auf Ihre Initiative hin einen eigenen "weiß-grünen Weg", wie sieht dieser Weg aus, wohin soll er führen?

Hermann Schützenhöfer: Wir haben auf meine Initiative hin in der Steiermark eine gemeinsame Klimastrategie mit Industrie, Wirtschaft, Landwirtschaft und Land Steiermark erarbeitet, die im Wesentlichen ein gemeinsames Vorgehen und Maßnahmenbündel in der wichtigen Frage des Klimawandels beinhaltet. Wir müssen wegkommen von einer Politik der Überschriften, hin zu konkreten Projekten wie z. B. klimarelevante Forschung und Technologie und deren Umsetzung im produzierenden Sektor, Energieeffizienzoffensive bei privaten Haushalten und Betrieben, Forcierung erneuerbarer Energien.

Dieses Modell der Zusammenarbeit erinnert an die Klimapolitik des berühmtesten Steirers Arnold Schwarzenegger - haben Sie bewusst bei seiner Klimastrategie Anleihen genommen?

Schützenhöfer: Ich habe bei meinem Besuch in Kalifornien im März mit Arnold sehr intensiv über dieses Thema gesprochen und er hat mir geraten, den Schulterschluss vor allem mit Industrie und Wirtschaft zu suchen, denn nur so ist ein Erfolg möglich. Wir sind derzeit in Österreich die Einzigen, die diesen Schulterschluss geschafft haben - darauf bin auch ein bisschen stolz.

Sie sind in der steirischen Landesregierung für den Tourismus verantwortlich - inwieweit spielt in diesem sensiblen Bereich der Klimawandel eine Rolle?

Schützenhöfer: Wir werden das Thema Klimawandel in unserer gesamten Tourismusstrategie sehr ernst behandeln, denn die Frage z. B. des Wintersports bei warmen Wintertemperaturen ist eine neue Herausforderung, ebenso glaube ich, müssen wir bei den Transporten in Tourismusorten umdenken - Stichwort Einsatz von Elektromobilen. Aber auch im Kleinen können wir viel tun - verstärkte Nutzung heimischer regionaler Lebensmittel und vieles mehr.

Sie sehen also mehr die Chancen des Öko-Tourismus?

Schützenhöfer: Der Ökotourismus wird ein Faktor werden, noch besser ist es aber den gesamten Tourismus intelligent ökologisch weiterzuentwickeln. Da liegt noch viel Arbeit vor uns.

Andererseits, der Wintertourismus steht und fällt mit der Schneelage - haben Sie auch dafür ein Alternativ-bzw. Lösungskonzept?

Schützenhöfer: Es wird keinen Skitourismus ohne Schnee geben, daher wird die Frage der Beschneiung auch künftig ein großes Thema bleiben, wir müssen diese auch ökologisch verträglicher gestalten. Wir haben auch in diesem letzten Winter mit der Initiative "Winter plus" verstärkt auf die schon vorhandenen vielzähligen Angebote abseits der Piste marketingmäßig hingewiesen, das scheint mir als wichtige Ergänzung eine Notwendigkeit zu sein.

Öko oder "das Grüne" werden immer wichtiger für die Urlaubsgäste - mit Ihrer Idee die Steiermark als das "Grüne Herz Österreichs" zu positionieren, haben Sie als Tourismusverantwortlicher einen "guten Riecher" gehabt, wie entwickelt sich diese Dachmarke?

Schützenhöfer: Das "Grüne Herz Österreichs", das 1972 als Tourismuslogo für die Steiermark eingesetzt wurde und dann in den Neunzigern eher sanft dahindämmerte, habe ich vor wenigen Jahren wiederbelebt und uns ist es innerhalb kürzester Zeit gelungen, diese Dachmarke kraftvoll am Markt zu positionieren. Das Grüne Herz steht für eine wunderbare Naturlandschaft, für die Herzlichkeit der Menschen und für erholsamen Urlaub, der auch der Entspannung dient. Alles Faktoren, die heute für einen Urlaub entscheidend sind.

Die Steiermark ist vor allem für die Österreicher selbst das Urlaubsland Nummer 1, warum ist die grüne Mark ausgerechnet bei den Einheimischen so beliebt?

Schützenhöfer: Wir sind das beliebteste Urlaubsland der Österreicherinnen und Österreicher. Mehr als 64% unserer Gäste kommen aus der eigenen Republik, dafür sind vor allem drei Gründe ausschlaggebend. 1. Die einzigartige Naturlandschaft vom Gletscher am Dachstein bis zum Weinland in der Südsteiermark, 2. die Herzlichkeit und Freundlichkeit der Menschen und 3. die unverwechselbare Gemütlichkeit und das hervorragende Kulinarium. Gerade beim Kulinarium haben wir mit der Dachmarke "Kulinarium Steiermark" und dem international anerkannten steirischen Genussbotschafter Johann Lafer eine österreichweite Alleinstellung entwickelt.

Darüber hinaus wollen Sie aber die Steiermark als "mitteleuropäisches Wohlfühlland" etablieren - wie soll das gehen?

Schützenhöfer: Wir wollen mit dem gesamten Angebot, das wir im Wellness- und Gesundheitsbereich haben - wir sind mit 1,7 Mio. Thermengästen die Nr. 1 in Österreich - mit den unzähligen kulinarischen Top-Destinationen und auch mit der Lebensmitteltechnologie, die auf Top-Qualität setzt, unseren Gästen das Wohlfühlen so leicht machen, dass wir künftig als das mitteleuropäische Wohlfühlland gelten werden. Dieses Konzept "Interwell" ist deswegen so bemerkenswert, weil wir über verschiedene Themenbereiche, von den landwirtschaftlichen Produkten über Forschung und Entwicklung bis hin zu konkreten touristischen Angeboten eine übergreifende Strategie fahren werden.

Wobei die Leitinitiative "Interwell" ja gerade im Bereich Gesundheit auf die bewährte Thermenpolitik des Landes aufbauen kann - an welche weiteren Schritte wird hierbei gedacht?

Schützenhöfer: Die Wellnessangebote entwickeln sich immer mehr in Richtung Gesundheit. Urlauber wollen sich erholen, aber immer mehr widmen auch dem Thema Gesundheit, dem Kraftschöpfen und der persönlichen Lebensumstellung ihre wenigen freien Tage im Jahr. Hier werden vom Markt künftig neue Angebote nachgefragt werden, und wir versuchen diese bestmöglich zu unterstützen.

Ein Anliegen ist Ihnen auch der "barrierefreie Tourismus" - diesen Begriff wollen Sie aber nicht zu eng gefasst verstehen.

Schützenhöfer: Mehr als 850.000 Österreicherinnen und Österreicher wollen einen barrierefreien Urlaub genießen, und hier handelt es sich nicht nur um körperbehinderte Menschen oder um Blinde, sondern auch um Ältere, Sehschwächere oder auch um Allergiker. Für diese Zielgruppen muss ein moderner Tourismus bestehende Angebote weiterentwickeln oder neue Angebote schaffen.

Der Tierpark Herberstein ist aus den negativen Schlagzeilen wieder verschwunden - ist es gelungen, dieses steirische Leitprojekt als Tourismusmagneten zu retten?

Schützenhöfer: Nach der politischen Kampagne gegen den Tierpark ist es nun gelungen, den Tierpark unter meiner Verantwortung als Landestierpark auf eine Erfolgsschiene zu führen. Seit der Eröffnung im März hatten wir mehr als 72.000 Besucherinnen und Besucher, das sind um 27.000 mehr als im Vergleichszeitraum 2006. Herberstein war ein touristisches Leitprojekt in der Oststeiermark und wird es weiterhin bleiben!

Auch Spiritualität ist eine Säule der Leitinitiative "Interwell" - jetzt hat die Steiermark im Herbst dieses Jahres die Ehre, Papst Benedikt in Mariazell empfangen zu dürfen. Weltweites Interesse ist diesem Ereignis sicher - spielt Pilgern und Wallfahren aber auch in Ihren Überlegungen als touristisch relevantes Thema eine Rolle?

Schützenhöfer: Wir alle sind sehr glücklich, dass der Heilige Vater am 8. September Mariazell einen Besuch abstatten wird und damit Mariazell und die Steiermark im Gesamten in den internationalen Blickpunkt richten wird. Wir haben in der Steiermark mit dem Projekt "Auf den Spuren der Pilger und Wallfahrer" in mehr als 70 Gemeinden und 110 Betrieben das Thema Pilgern auch als eine Art Wellness für die Seele touristisch wiederentdeckt und haben mit mehr als 1000 km Pilger- und Wanderwege in der Steiermark ein umfassendes Angebot für die Sparte Pilgertourismus anzubieten.

Für die Vermarktung und Bewerbung der Steiermark denken Sie auch an Film- und Fernsehprojekte - wie weit sind diese Überlegungen schon gediehen?

Schützenhöfer: Spätestens seit dem Erfolg der Rosamunde Pilcher-Filme versuchen alle Touristiker das Medium Film stärker zu nutzen. Wir haben mit der Cinestyria-Tourismus Projekte wie die Lilly Schönauer-Reihe oder auch "Die Liebe ein Traum", ein Schwarzenberger-Film, der nächstes Jahr ausgestrahlt wird, vorangetrieben, wo die Steiermark als Naturkulisse dient. Wir werden eine Million Euro in die Hand nehmen, um das Medium Film stärker für die Steiermark zu nutzen.

Die schönste Landschaft, die beste Bewerbung nützt nichts, wenn die Gäste nicht schnell und günstig in die Steiermark kommen können - wie weit ist der Anschluss von Graz an den internationalen Flugverkehr schon fortgeschritten?

Schützenhöfer: Die Steiermark hat mit dem Flughafen Graz eine - auch für den Tourismus - wichtige Verkehrsdrehscheibe. Unsere Kooperation mit Ryanair - Destination London - wird im Herbst durch die Verbindung Graz-Barcelona ergänzt. Es ist uns gelungen, am wichtigen deutschen Tourismusmarkt mit Graz-Berlin und Graz-Köln/Bonn neben Graz-Friedrichshafen neue Verbindungen zu schaffen. Sie dürfen nicht vergessen, dass Köln/Bonn das größte deutsche Bundesland Nordrhein-Westfalen mit mehr als 18 Mio. Einwohnern bedient.

"Wer will, dass alles beim Alten bleibt, propagiert den Stillstand", haben Sie einmal gesagt - wie schaut Ihre persönliche Mischung zwischen Bewahren und Aufbrechen aus?

Schützenhöfer: Ich glaube, dass in einer so dynamischen Zeit wie heute, wo die Globalisierung neben Risiken auch eine Vielzahl großartiger Chancen bietet, der Stillstand schon Rückschritt wäre. Daher sehe ich uns in der Landesregierung als Motor des Fortschritts.

Da passt auch Ihre beim Pfingstdialog "Geist & Gegenwart" gestellte Frage: "Kann der geistige mit dem materiellen Wohlstand mithalten?" Was würden Sie sich darauf abschließend selber antworten?

Schützenhöfer: Trotz weitgehendem materiellen Wohlstandes glaube ich, dass noch nie so viele Menschen auf Sinnsuche waren. Neben Soll und Haben zählt auch Sein und Sinn, eine moderne Politik muss das Lebensgefühl der Menschen genau erfassen und abseits ideologischer Scheuklappen ihre Politik danach ausrichten.

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