Straches Eskalationen

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Mit dem Kreuz in der Hand lässt es sich ganz gut (wahl-)kämpfen. Politische und religiöse Stimmen zu den rechten Umtrieben.

Heinz Christian Strache mit Kreuz in der Hand: Nach dem FP-Slogan "Abendland in Christenhand" zur Europawahl war dies eine weitere Eskalationsstufe des freiheitlichen Kampfes gegen alles, was rechte Politik gerne als "fremd" definiert. Dagegen formiert sich jetzt breiter Widerstand. "Das christliche Kreuz ist kein Wahlkampfinstrument", so die Wortmeldung der Plattform "Christen und Muslime" zu den Vorfällen. Paul Schulmeister, Initiator der Plattform, wird gegenüber der FURCHE deutlicher: "Es ist unerträglich, wenn man FPÖ-Politiker mit einem Kreuz herumfuchteln sieht. Für Christen ist das Kreuz ein unerhört heiliges Zeichen!"

Straches Kreuz-Auftritt fand bei einer Demonstration gegen den Ausbau eines türkischen Zentrums in Wien-Brigittenau statt. Die Kundgebung blieb nicht der einzige Vorfall rechter Umtriebe: Da waren die Störung einer Gedenkfeier im KZ-Nebenlager Ebensee durch jugendliche Rechtsradikale, dann die Vorfälle, die von einer Klassenfahrt ins NS-Vernichtungslager Auschwitz bekannt wurden. Schließlich der FP-Parteitag, bei dem Strache einmal mehr mit einschlägigen Sprüchen von sich reden machte - umrahmt vom FPÖ-Inserat in der sonntäglichen Krone, wo er mit Andreas Mölzer gegen einen Türkei- als auch einen Israel-Beitritt zur EU polemisiert.

Israel und Türkei - nur Chiffren

"Es geht nicht um die Frage, ob die Türkei oder Israel tatsächlich Teil der EU werden können oder werden wollen", analysiert der Schriftsteller und Historiker Doron Rabinovici im Gespräch mit der FURCHE: "Das Inserat zeigt einen neuen Antisemitismus und einen neuen antimuslimischen Rassismus." Israel und die Türkei seien nur Chiffren - die Türkei für Anti-Islam-Hetze, Israel für Antisemitismus. Die Politik reagierte inzwischen auf die altbekannten Töne aus der FPÖ. Bundeskanzler Werner Faymann qualifizierte Strache als "Hassprediger". Außenminister Michael Spindelegger verurteilte die "hetzerischen Wahlkampfparolen". Clemens Steindl, Präsident des Katholischen Familienverbandes, sieht "einen infamen Missbrauch des Christlichen" als "Wortkeule" durch eine Gruppe, die aus einer antiklerikalen Tradition komme.

Rabinovici, der sich seit Jahren gegen rechts engagiert, konzediert, dass der Kanzler "immerhin klarere Worte gefunden" habe. Katastrophal sei dagegen gewesen, dass Innenministerin Maria Fekter bei den Vorfällen von Ebensee "von einer wechselseitigen Provokation gesprochen hat, als ginge es um ein Fußballmatch". Rabinovici: "Dass Fekter das danach relativiert hat, scheint eine österreichische Spezialität zu sein." Generell ist für den Schriftsteller der Umgang mit der FPÖ einer der Verharmlosung: "Wie hätte man sonst die Bestellung Martin Grafs zum Nationalratspräsidenten akzeptieren können?"

Ähnlich schätzt Ariel Muzicant, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, die Vorfälle ein: "Ich bin generell konsterniert über diesen EU-Wahlkampf", so Muzicant zur FURCHE: "Die einzige Partei, die sich in Szene setzt ist die FPÖ. Alle übrigen verschwinden von der Bildfläche." Muzicant empfiehlt, in die Schulen zu gehen und zu sehen, was dort vorgehe: "Nichts ist paletti. Es gibt die notwendige Aufklärung nicht. Deshalb haben junge Menschen auch kein Problem damit, einen Kellernazi zu wählen. Die fragen zuerst, was ist ein Nazi?"

Schulmeister fordert Bischofsworte

Paul Schulmeister von der "Plattform Christen und Muslime" - er war auch im christlich-jüdischen Dialog intensiv engagiert - hält die Warnungen Muzicants, die dieser in den letzten Tagen geäußert hatte, keinesfalls für "blinden Alarmismus". Rote Linien seien erreicht. Schulmeister fordert von der Zivilgesellschaft, sich zu äußern und die roten Linien kenntlich zu machen. Ausdrücklich nimmt er auch seine katholische Kirchenleitung in die Pflicht: "Es ist der Punkt erreicht, wo sich auch die Bischöfe zu melden haben", ist Schulmeister überzeugt: Es reiche nicht mehr, dass die Katholische Aktion, die sich sowohl zu den Vorfällen von Ebensee als auch zur Auseinandersetzung ums islamische Gemeindezentrum in Wien 20 zu Wort gemeldet hatte, etwas sage. Das ist Schulmeister zu wenig: Die Kirchenleitung müsse "unmissverständlich und öffentlich" Stellung nehmen.

Mittlerweile gibt es ein öffentliches Bischofswort zur aktuellen Debatte: Der Grazer Bischof Egon Kapellari nahm am Montagabend erstmals Stellung und übte implizit Kritik am Slogan "Abendland in Christenhand": Kapellari sprach davon, "dass Europa als so genanntes, Abendland' sich nicht monopolartig in Christenhand befindet oder je befinden könnte".

Martin Rupprecht, Pfarrer in Wien-Neufünfhaus und Islambeauftragter der Erzdiözese Wien, hält die Forderung der antiislamischen Demonstranten in Wien - "Keine Moscheen in Wohngebieten" - für "dumm und abwertend". Die Kirche habe die Aufgabe klarzustellen: "Hier wird Hass geschürt". Abseits von einem innermuslimischem Klärungsprozess setzt Rupprecht auf "positive Gegenzeichen". So plant Rupprecht in der "Langen Nacht der Kirchen" am 5. Juni, sein Gotteshaus ganz dem "Experiment Dialog" zu widmen, das er gemeinsam mit der türkischen Community in Wien gestaltet. Gerade bei kirchlichen Gruppen ortet er verstärkte Bereitschaft, sich mit den muslimischen Nachbarn auseinanderzusetzen. Und das will er nützen.

"Wir wollen keine (Art-)Fremden"

Die Sprecherin der Islamischen Glaubensgemeinschaft, Carla Amina Baghajati, streut der Positionierung der Kirchen Rosen: Die Stellungnahme des Ökumenischen Rates der Kirchen gegen das Plakat "Abendland in Christenhand" oder auch die Reaktion der Katholischen Aktion sind für sie hörbare Stimmen gewesen. Dennoch weiß auch die Islam-Sprecherin, dass die Zeiten nicht rosig sind: "Der Parteitag der FPÖ war eine neue Stufe der Eskalation", so Baghajati zur FURCHE, "ebenso das Krone-Inserat": Dass da gegen einen EU-Beitritt der Türkei und Israels polemisiert wurde, bedeute nicht nur, was da stehe, sondern auch: "Wir wollen keine (Art-)Fremden".

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