Betongarten Scheruebl - © KULTUM / Johannes Rauchenberger  - Betongarten (Installation von Wilhelm Scheruebl im KULTUM Graz)

Synodale Prozesse: Katholische Widerspruchswelten

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Während beim Synodalen Weg in Deutschland die kirchlichen Lager streiten, setzt der Papst auf Weltebene Forderungen nach nichtbischöflicher Teilhabe um. Das schafft neue Probleme.

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Während beim Synodalen Weg in Deutschland die kirchlichen Lager streiten, setzt der Papst auf Weltebene Forderungen nach nichtbischöflicher Teilhabe um. Das schafft neue Probleme.

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Auf unterschiedlichen Bühnen kann man derzeit das Drama einer Selbstauflösung der katholischen Kirche verfolgen. Es ist von inneren Widerspruchsszenarien bestimmt. Mit ihnen muss sich Kirche in ihrem gesellschaftlichen Relevanzverlust neu positionieren. Pastoral bildet sich dies im Priestermangel einer klerikal organisierten Kirche ab. Angesichts des katholischen Missbrauchskomplexes gilt es, ihre Sakralisierungsmuster zu durchbrechen. Gleichzeitig greift das Fehlen von Priestern tief in die Architektur katholischer Glaubenswelten ein. Auch wenn es für Gemeindeleben nicht zwingend Priester braucht: Es stellt einen Widerspruch ersten Ranges dar, dass die Kirche von der Eucharistie lebt, sie ihre Feier vielerorts jedoch nicht gewährleistet. Solange ihr nur zölibatäre Männer vorstehen können, läuft diese Festlegung auf einen Pastoralsuizid hinaus.

Während der Heilige Geist für alles in Anspruch genommen wird, was Traditionsfestlegungen stärkt, werden Berufungsgeschichten von Frauen ignoriert, selbst wenn sie in geistlichen Gemeinschaften und Orden kirchlich verortet sind. Dieser pneumatologische Widerspruch wird traditionswahrend bearbeitet. Eine theologisch überzeugende Antwort auf die Frage, warum es sich um keine priesterliche Berufung durch den Geist Jesu Christi auf dem Weg seiner Nachfolge handelt, findet sich in den päpstlichen Verbotstexten der Frauenordination nicht.

Bischöfliche Meinungskonflikte

Wenn Bischöfe die Plausibilität dieser kirchlichen Abstinenz bezweifeln, ergibt sich ein apostolisches Widerspruchs­pro­blem. Meinungskonflikte unter Bischöfen bringen auseinanderstrebende Auffassungen bezüglich Frauenordination, Sexualethik sowie einer synodalen Macht- und Gewaltenteilung im Volk Gottes als kirchlichen Widerspruch zur Geltung. Die Frage lautet, was angesichts der sakramental verfugten Vollmacht von Bischöfen ihre kirchenbestimmenden Differenzen für die katholische Traditionsbildung bedeuten.
Diese Frage gewinnt an Dringlichkeit, wenn man den Widerspruch kirchlicher Haltungen im Autoritätsgefüge des bischöflichen Amtes zu Ende denkt. Dann ergeben sich Pluralisierungseffekte, die Einheit in der Kirche nur im Gegensatz erhält. Das muss nicht unmöglich sein, solange man Eucharistiegemeinschaft offenhält und unterschiedlich lebbarer Katholizität Raum gibt. Das aber stellt eine kirchliche Zerreißprobe dar: Hier Frauen als Priesterinnen, dort nicht? Hier Menschenrechte als Leitperspektive – dort die Eigenlogik von Lehramt und Kirchenrecht?

Bevor man fragt, wie dies zusammengehen kann, muss man prüfen, wie ernst die Kirche das eigene Recht nimmt. Den ehemaligen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz Robert Zollitsch scherte es jedenfalls ebenso wenig, dass er geltendes Recht bei Missbrauchsfällen ignorierte, wie Kurie und Papst. Rechtsbrüche bestätigen die Souveränität der handelnden Instanzen. Sie legen aber auch die brachiale Schmiegsamkeit römisch-katholischer Rechtsauffassung ausgerechnet im Missbrauchskomplex frei. Damit werden die Bindungsmacht des Kirchenrechts und die Autorität des Gesetzgebers von innen ausgehöhlt. Das gilt umso mehr, als man mit den Mitteln des Kirchenrechts dem systemischen Missbrauch nicht beikommt.

Entlang seiner Anerkennung verläuft die Wasserscheide katholischer Reformdebatten . Sie müssen in einen Kirchenwiderspruch führen. Denn wer den Missbrauch in der Kirche systemisch bestimmt, gelangt zwingend zu anderen Schlussfolgerungen als derjenige, der eine Bilanz von Einzelvergehen aufstellt.

Für die einen ist notwendig, was für die anderen ausgeschlossen erscheint: dass kirchliche Gewaltenteilung ein gemeinsames decision taking and making von Bischöfen und nichtbischöflichen Synodalen einschließt. Für Synodalkritiker läuft dies auf eine „Halbierung der episkopalen Leitungskompetenz“ (Jan-Heiner Tück) hinaus. In diesem Sinn untersagte Rom dem Synodalen Weg in Deutschland Anfang des Jahres die Bildung eines entsprechenden Gremiums.

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