Synodaler Weg - © Foto: Arne Dedert / dpa / picturedesk.com

Synodaler Weg: Nein sagen, um Ja sagen zu können

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Sowohl Jan-Heiner Tück als auch Gregor Maria Hoff haben mit ihrer Intention hinsichtlich des „Synodalen Weges“ der Kirche recht – und doch stecken sie jeweils in einer Falle. Weiterführung einer Debatte.

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Sowohl Jan-Heiner Tück als auch Gregor Maria Hoff haben mit ihrer Intention hinsichtlich des „Synodalen Weges“ der Kirche recht – und doch stecken sie jeweils in einer Falle. Weiterführung einer Debatte.

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Wie soll es weitergehen mit der katholischen Religionsgemeinschaft? Offenkundig ist, dass es so nicht weitergehen kann. Niemand mit Sinn und Verstand wird das bestreiten und jeder weitere Bericht über den sexuellen Missbrauch der katholischen Kirche macht das bedrängender. Man denke nur an die Wucht der schieren Fakten aus dem Bericht der Sauvé-Kommission über die letzten 70 Jahre sexualisierter Gewalt in der französischen Kirche. Berichte, die sich an die Erhellung des Dunkelfelds machen, werden in den nächsten Jahren stark an Zahl zunehmen. Ihre Erkenntnisse belegen schon jetzt: Würde so weitergemacht wie bisher, wird die katholische Kirche in kurzer Zeit in einen Abgrund stürzen, der bestenfalls eine Nische zulässt, um sich weiter selbst zu verzwergen. Eine Kirche, die weiter machte wie bisher, würde nicht wirklich fehlen. Das ist der Fluch der bösen Tat und er hat erst angefangen, sich in der Weltkirche zu entfalten. Ihre Glaubwürdigkeit verfällt rasant und diese „Krankheit zum Tode“ lässt sich mit Mitteln aus der Hausapotheke nicht aufhalten.

Als Königsweg für die nötige Veränderung gelten gegenwärtig synodale Prozesse, also der Weg, auf den sich die deutsche Kirche gemacht hat, sowie den, den der Papst für die ganze Weltkirche angestoßen hat. Über die innere Zuordnung beider, sowie die genaue Lokalisierung der verändernden Kraft von Synodalität gibt es nun einen Disput zwischen dem Wiener Dogmatiker Jan-Heiner Tück und dem Salzburger Fundamentaltheologen Gregor-Maria Hoff.

Keiner von beiden bestreitet, dass vieles in der Kirche anders werden muss. Nach Tück solle die Kirche das Heil aus ihrer Misere darin suchen, mit ihrer Botschaft nach außen hin evangelisatorisch kraftvoller aufzutreten. Keine Demokratisierung bei Struktur- und Machtfragen und keine reformierte Sexualethik könnten diese Evangelisierung ersetzen; sie überspielen nur „die anhaltende Versteppung des Glaubens“. Man solle es bei der Verbindung von Weihe- und Leitungsamt belassen. Das schließt Effizienzsteigerungen nicht aus, wie es das Versagen der Hierarchie im Missbrauch nun einmal nötig macht. Tück bemüht für seine Aufforstung der Flurschäden des Missbrauchs sowohl das letzte Konzil wie Benedikt XVI., weil beide für eine sakramentale Struktur der Kirche einträten. Außerdem würde eine Selbstprotestantisierung durch innerkatholische Gewaltenteilung die Orthodoxie weiter entfremden und den Protestantismus nur peinlich berühren.

Nein zum Fluch der bösen Tat

Dem hält Hoff entgegen, dass die eigentliche Bedeutung des deutschen synodalen Prozesses darin besteht, dass Bischöfe und Laien auf Augenhöhe miteinander an Lösungen arbeiten und Evangelisierung eben nicht in ein Sonderforum ausgegliedert wird. Sie ist elementarer Bestandteil der apostolischen Dignität des synodalen Weges. Der geistliche Sinn synodaler – nicht demokratischer – Gewaltenteilung eröffne daher „Spielräume“ in der Missbrauchskrise aufgrund einer veränderten Disposition kirchlicher Macht. Nur dadurch werde man, so Hoff in einer weiteren öffentlichen Wortmeldung, dem „Lehramt der Betroffenen“ der sexualisierten Gewalt den Raum geben, der ihm kirchlich gebührt.

Beide Kollegen haben mit ihren Intentionen schlichtweg recht, und doch stecken sie jeweils in einer Falle. Sie wird aufgestellt von dem Vorrang des Ja-Sagens, das beide bevorzugen. Tück sagt primär Ja zur Sakramentalität von Kirche und Hoff zur Apostolizität synodaler Wege. Es ist nichts gegen das doppelte Ja-Sagen an sich zu sagen, aber beiden Ja geht eine Bedingung ihrer Möglichkeit voraus: das Nein zum Fluch der bösen Tat des Missbrauchs. Dieses Nein wollen beide natürlich erreichen, aber sie setzen es nur über das vorgängige Ja in Kraft.

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