Tage der Wahrheit ab 8. Juli

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Der überzeugend im Amt bestätigte Bundespräsident Heinz Fischer will sich künftig deutlicher äußern als bisher. Sobald die Bundesregierung ihre Spar- und Steuerpläne beschließt, wird es dafür viele Gelegenheiten geben.

Wie schwierig ein Thema ist, lässt sich nicht zuletzt daran ermessen, dass sich vor allem die flotten Vereinfacher zu Wort melden. Die Klugen und die Kenner üben sich ja in Zurückhaltung. Das gilt für das Amt des Bundespräsidenten, das dem wiederbestellten Heinz Fischer wahrscheinlich mehr auferlegen wird, als der wertlose Wahlkampf erkennen ließ.

Die Gewissheit des Start-Ziel-Sieges des Amtsinhabers und dessen strukturelle Unaufgeregtheit steigerten sich, ergänzt durch den Mangel an Gegenkandidaten, zur Langeweile. Das beschädigte weder Fischer noch die Hofburg, sondern lediglich die Geschäftsinteressen politischer Populisten und des medialen Boulevards. Den Brot- und-Spiele-Mechanismen folgend benötigen sie Titelkämpfe, deren Spannung sie in Aufmerksamkeit und Auflage ummünzen. Doch dem Horse Race Journalism fehlten die Pferderennen, und die Populisten, Geschwister im Geiste des Boulevards, erlitten folglich anhaltenden Orientierungsverlust.

Die Herausforderung liegt im Kurswechsel

Dieses vergleichsweise kleine Problem erledigte sich mit der Wahl von Heinz Fischer am 25. April zum Bundespräsidenten der Jahre 2010 bis 2016. Das größere, das wesentliche liegt in den Inhalten und in den Herausforderungen der zweiten Amtsperiode, die mit der Vereidigung Fischers vor der Bundesversammlung am 8. Juli des Jahres beginnen wird. Das Datum könnte Geschichte machen, wenn Fischer es denn will.

Österreich gehört, vielfach verflochten, zu Europa, und Europa steht an einem Wendepunkt. Gelingt es Griechenlands Budget zu retten und Wirtschaft zu sanieren, dann haben die EU und ihre junge Währung, der Euro, Bestand. Geht Ersteres schief, ist Zweiteres fraglich und droht Schlimmeres. Denn aus der Finanz- wurde eine Wirtschaftskrise, der jetzt, dritte Stufe, eine Staatskrise folgt. Weil wohl alle Staaten der Währungsunion ihre Hausaufgaben zu machen haben, lässt Finanzminister Josef Pröll schon jetzt die Botschaft unters Volk bringen, der Staat werde demnächst weniger ausgeben und zugleich mehr einzunehmen haben.

Politik als Kunst des Möglichen steht vor einer Bewährungsprobe. Die beginnt mit einem Parlamentsbeschluss über Budgetpolitik am 15. Mai und wird im Herbst in konkrete Entscheidungen münden, sobald die Ressorts Sparziele zu erreichen haben.

Konflikte um den Kurs in Wirtschafts-, Steuer- und Sozialpolitik liegen in der Natur der Sache und werden um die Konkurrenz der Parteien ergänzt. Gleiches Unrecht für alle wird sich in Form von Leistungskürzungen und von Steuererhöhungen über die Häupter, in die Haushalte und Brieftaschen ergießen. Wo wird dann Heinz Fischer stehen? Wen wird er zur Ordnung rufen, an runde Tische laden? Was wird er zum Sozial- und Wohlfahrtsstaat sagen, sobald einzelne seiner Leistungen in Frage stehen? Was wird er zum Wirtschaftsstandort Österreich denn meinen, wenn die 400.000 Arbeitslosen nicht mehr so elegant wie derzeit aus dem öffentlichen Bild zu verdrängen sind?

Bundespräsidenten stellten die Weichen

Und um es zuzuspitzen: Wie wird ein Bundespräsident Fischer sich zur Verteilung von Lasten stellen, der doch in Zeiten der Umverteilung von Leistungen politisch sozialisiert wurde? Was wird er der zunehmenden Entsolidarisierung entgegensetzen?

Natürlich ist davon auszugehen, dass gerade Heinz Fischer, der Öffentlichkeit vorauseilend, weitere politische Lernprozesse durchläuft und die Lektionen weitergibt. Beispiele für große, Weichen stellende Reden gibt es. In Deutschland etwa jene von Richard von Weizsäcker, die den Deutschen einen intellektuell und moralisch redlichen Weg aus der Niederlage des Zweiten Weltkriegs wies. Oder jene seines Nachfolgers Roman Herzog, der dem Land eine Bildungsdebatte gab. Heinz Fischer wird die Gelegenheiten, sich wie angekündigt deutlicher als bisher zu äußern, bald erhalten. Der Stichtag ist der 8. Juli. Im Übrigen ist er nicht mehr darauf angewiesen diese Gelegenheiten zu nutzen. Wir schon.

* claus.reitan@furche.at

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