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Wie im Zeitraffer lief in der letzten Woche die Amtszeit von Thomas Klestil nocheinmal ab.

In den Tagen des Abschieds von Thomas Klestil bündelten sich nocheinmal jene Fragen, die seine Amtszeit wesentlich geprägt hatten: die sein Privatleben betreffende und die nach Grenzen und Möglichkeiten des Bundespräsidenten an sich.

Vor allem zu ersterer hat Kardinal Christoph Schönborn mutige und offene Worte gefunden. Es fing damit an, dass er beim Requiem im Stephansdom zunächst Edith Klestil und die Kinder begrüßte, dann Margot Klestil-Löffler. Schönborn gab Klestils erster Frau damit den ihr zustehenden Platz im engsten Lebensumfeld des Verstorbenen. Zu den berührenden Details der letzten Tage zählte die in Tageszeitungen publizierte Parte der Familie: "Wir trauern um unseren geliebten Vater, Großvater und Ehemann für 41 Jahre". 41 Jahre und drei gemeinsame Kinder - das ist unterm Strich, in der Gesamtbilanz eines Lebens ein wesentlicher Teil der Person, das hat sich unauslöschlich eingeprägt, wie immer diese Jahre waren und wie immer sie zu Ende gingen. In einer Behutsamkeit und Menschenfreundlichkeit, wie man sie sich sonst oft von der Kirche wünschen würde, hat der Kardinal gleichwohl darauf hingewiesen, dass es uns - der Kirche, der Öffentlichkeit - nicht zustehe, über das Scheitern von Beziehungen zu richten ("Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet"); er hat deutlich gemacht, dass die Verbindlichkeit von Beziehungen (Ehe) und der gemeinsamen Sorge für die Kinder (Familie) für die Kirche nicht zur Disposition stehen können, dass aber gleichzeitig die Barmherzigkeit eine unverzichtbare Kategorie für den Umgang mit dem vielfältigen menschlichen Nicht-Gelingen darstellt; und er hat unumwunden bekannt, dass sich die Kirche mit dieser Gratwanderung nicht leicht tut. Das alles, so darf man hinzufügen, wäre freilich erst in Lehre und Praxis der (Gesamt-)Kirche hinein zu übersetzen oder wenigstens neu zu buchstabieren.

Schönborn hat aber auch auf eine andere Wunde unmissverständlich den Finger gelegt: dass erst nach dem Tode Klestils jenes Bemühen um faire und ausgewogene Beurteilung zu erkennen war, das man in den Jahren davor schmerzlich vermissen musste. Im gleichen Sinne hatte Furche-Herausgeber Heinz Nußbaumer, ehemaliger Pressesprecher von Thomas Klestil, sich gewünscht, dass es uns gelingen möge, etwas vom Geist von Trauerfeierlichkeiten und ehrendem Gedenken ins alltägliche Leben zu transferieren. Andere, wie Erhard Busek, Gerd Bacher oder Herbert Krejci, kritisierten zurecht die Verlogenheit so mancher posthumer Würdigungen.

Was die Jahre seit 2000 betrifft, so richtet sich diese Kritik ans bürgerliche Lager. Man muss aber auch daran erinnern, dass im Gefolge der schwarz-blauen Regierungsbildung plötzlich jene zu Klestil-Apologeten mutierten, die sich zuvor gar nicht genug über den ehrgeizig-eitlen Diplomaten hatten mokieren können und die etwa bedenkentragend die Nase rümpften, als Klestil in einem Le Monde-Interview Jörg Haider mehr oder weniger einen demokratiepolitischen Persilschein ausstellte.

Damit sind wir bei der politischen Bewertung von Thomas Klestil, die zu Lebzeiten zwischen Hofberichterstattung, medialer Erregung und hasstriefenden Pamphleten nur schwer artikulierbar war. Wie sehr die Polarisierungen rund um die Person Klestils nachwirken, zeigt sich daran, dass anlässlich seines Todes sofort wieder die Debatte um Sinn und Unsinn des Präsidentenamtes aufgebrochen ist. So hat Andreas Khol Heinz Fischer bei dessen Angelobung gleich die Rute ins Fenster gestellt. Das war nicht nur unelegant und dem Anlass nicht angemessen, es wäre auch nicht nötig gewesen, denn Fischer ist zu sehr - im Guten wie im Schlechten - Berufspolitiker, als dass er Gefahr liefe, die selben Fehler wie Thomas Klestil zu machen.

Entscheidend ist freilich nicht die Frage der Kompetenzen, entscheidend ist, ob man von einem Staatsoberhaupt sagen kann, was Martin Walser über den deutschen Bundespräsidenten Horst Köhler jüngst in der Welt zu Protokoll gab: "Ich finde es fabelhaft, dass wir einen Mann von dieser Weltläufigkeit haben. Ich höre ihm aus Gründen seiner Erfahrenheit gern zu. Ich bin froh, dass er mir nicht den Kleinen Katechismus interpretiert, sondern von der Welt etwas mitbringt."

rudolf.mitloehner@furche.at

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