Tendenziöse Darstellung des Konflikts

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Holocaust-Gedenktag 2004. Der Jahrestag der Befreiung des KZs Auschwitz am 27. Jänner zeigt: Antisemitismus steht auch im Jahr 59 nach der Schoa auf der Agenda europäischer Gesellschaften. Otto Friedrich analysiert die Auseinandersetzung der letzten Wochen, die von Vorfällen wie der Verwüstung der KZ-Gedenkstätte Hinterbrühl bei Mödling (Bild rechts) am letzten Wochenende ebenso bestimmt ist wie von der Diskussion über die Zusammenhänge von Antisemitismus und Nahost-Konflikt (Seite 2). Als Beispiel für "böswillige Tendenzen" in der Bewertung von Judentum und Israel untersucht Karl Pfeifer ein neues Schulbuch für die 8. Klasse (Seite 3).

"Durch die Vergangenheit zur Gegenwart - 8" heißt ein neues Geschichtsbuch für die 8. Klasse der höheren Schulen. Schon das Titelblatt zeigt eine böswillige Tendenz. karl pfeifer analysiert das Kapitel "Naher Osten" in diesem Schulbuch und sieht die Tendenz fortgesetzt.

In der westlichen Welt ist es mit der Zeit aus der Mode gekommen, sich zum Hass auf Juden offen zu bekennen. Der Antisemit muss deshalb ständig nach neuen Formen und Zuhörerschaften für sein Gift suchen. Wie sehr er diese neue Maskerade genießt! Er hasst keine Juden, er ist bloß "Antizionist"!

Martin Luther King

Die Autoren dieses Schulbuches für das letzte Schuljahr wollen vor allem im Kapitel "Krisen und Konflikte" eine zugegeben willkürliche, aber vertiefende Auswahl, eine exemplarische Betrachtungsweise der Welt nach dem 11. September bieten.

Impliziter Antizionismus

Tatsächlich ist das vier Seiten umfassende Kapitel über den Nahen Osten voreingenommen und unduldsam bei der Behandlung Israels. Mehr als der schlampige Umgang mit der Geschichte erschüttert die böswillige Tendenz, die bereits auf den beiden Seiten des Buchumschlages zum Ausdruck kommt: unten eine Szene aus dem österreichischen Parlament, oben die selig gesprochene katholische Nonne Mutter Teresa sowie den Pastor Martin Luther King, der gegen die Rassendiskriminierung kämpfte, und in der Mitte zwischen den beiden zwei israelische Polizisten, die mit dem Gewehr im Anschlag auf flüchtende Kinder zielen.

Es entbehrt nicht der Ironie, dass der von den Autoren als Beispiel gezeigte Martin Luther King sich explizit gegen den Antizionismus wandte, dem die Autoren des Schulbuches implizit frönen.

Die Autoren behaupten:

* Keine Region hat wohl in den letzten Jahrzehnten so viel Gewalt erlebt wie der Nahe Osten. - Diese Behauptung stimmt nicht, man denke an den Genozid in Kambodscha und Ruanda.

* In Palästina, bis 1918 Teil des Osmanischen Reiches... - Im Osmanischen Reich gab es kein Palästina. Nach der Revolte des Bar Kochba (131-135 u.Z.) nannten die Römer dieses Land "Syria Palaestina". Erst die Briten nannten das Gebiet "Palestine", arabisch "Filastin" und hebräisch "Erez Israel", was auf jeder Münze während der Mandatsherrschaft auch zu lesen war.

* Die steigenden Einwanderungszahlen blieben jedoch nicht ohne Folgen: Bereits 1929 kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Juden und Arabern. - Wegen eines wirtschaftlichen Rückschlages 1927 gab es in den Jahren 1927 bis 1929 wesentlich weniger Einwanderer als in den Jahren zuvor und die Zahl der jüdischen Auswanderer überstieg diejenigen der Einwanderer. Im August 1929 sind, wie der britische Hochkommissar Sir John Chancellor beklagte, "Verbrechen an hilflosen Angehörigen der jüdischen Bevölkerung, ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht, und in Hebron begleitet von Akten unaussprechlicher Brutalität" begangen worden.

* 14. Mai 1948 Unabhängigkeitserklärung Israels. Erster israelisch-arabischer Krieg... 1956 Suez Krieg gegen Ägypten. - Dass die arabischen Armeen am 15. Mai 1948 den Staat Israel angegriffen haben, erfahren die Schüler nicht, wohl aber dass es einen Krieg gegen Ägypten gegeben hat. Dass dieser Krieg gegen Ägypten nicht nur von Israel sondern auch von Großbritannien und Frankreich geführt wurde, kommt nicht zum Ausdruck, so wie auch nicht die Vorgeschichte der Kriege 1956 und 1967.

* Seite 140: 28. Sept. 2000. Der umstrittene Besuch des israelischen Oppositionsführers Ariel Scharon auf dem Tempelberg in Jerusalem löst eine Zweite Intifada aus. - Seite 141: ... die Regierung Ariel Scharon [brachte] im Frühjahr 2001 den Friedensprozess zum Stoppen. Die Gewalt auf beiden Seiten eskalierte und eine neue Intifada begann. Der Widerspruch zwischen den beiden Versionen ist offensichtlich.

Israel ungleich behandelt

Fast eine ganze Seite widmen die Autoren der Ungleichbehandlung von Juden und Arabern in Israel. Kein Wort über die komplexen Probleme einer Minderheit, die der gleichen Nationalität angehören, wie die Feinde Israels. Beispiele wirklicher Gleichberechtigung verschweigen sie. Auch das Faktum, dass 1948 an die 150.000 Araber in Israel verbleiben konnten, während damals keinen - inbegriffen auch antizionistische orthodoxe - Juden gestattet wurde, in den von Arabern beherrschten Gebieten (z.B. in der Altstadt von Jerusalem, wo die Klagemauer steht) zu bleiben, bzw. diese zu besuchen, wird unterdrückt.

Erst Israel hat die allgemeine Schulpflicht eingeführt und durchgesetzt. Die gesetzliche Gleichstellung der Frau sowie das Verbot von Polygamie und Kinderehe trugen zu einer erheblichen Emanzipation der arabischen Frau bei. Die gewählten Repräsentanten vertreten in der Knesset die Interessen der Minderheit und arbeiten darauf hin, den Status sowie den Anteil an staatlicher Unterstützung zu verbessern. Arabische Bürger sind mit Rücksicht auf ihre familiären, religiösen und kulturellen Bindungen von der Wehrpflicht befreit.

Die Zitate zum Holocaust sind bedenklich. Es stimmt nicht, dass auf der Wannseekonferenz 1942 ... die planmäßige Vernichtung beschlossen wurde. Diese begann bereits nach dem deutschen Angriff gegen die Sowjetunion und den Teilnehmern an dieser Konferenz mangelte es an Kompetenz.

Keine politische "Bildung"

Dann wird den Opfern und deren Nachkommen der Vorwurf gemacht, die Gebietsansprüche der Palästinenser vielfach als Vernichtungsdrohung anzusehen.

Tatsache ist, dass Ehud Barak bereit war, 95 Prozent des Gebiets der Palästinensische Autonomiebehörde zu übergeben und durch Gebietsaustausch für die restlichen fünf Prozent zu kompensieren sowie Jerusalem zu teilen.

Dem Staat Israel ist es über lange Zeit gelungen, die allgemeine Empathie für die europäische Judenheit, von der nur ein Drittel dem Nazi-Genozid entkommen ist, auf sich zu lenken. In einem Land, in dem es nach 1945 zu Demonstrationen gegen durchreisende jüdische Flüchtlinge und in dem es in Politik und Medien zu einigen krassen antisemitischen Skandalen gekommen ist, bestärkt man mit derartigen Aussagen das verbreitete Vorurteil, die Juden und der Staat Israel würden noch aus dem Holocaust Gewinn ziehen. Wenn dann im Kontext des Holocausts außerdem festgestellt wird, dass die Israelis auch Täter sind, haben wir es mit Täter-Opfer-Umkehr zu tun.

Die Autoren waren offensichtlich dem Gegenstand nicht gewachsen, statt auf seriöse Geschichtswerke verließen sie sich lieber auf tagespolitische zumeist tendenziöse Quellen. Zur politischen Bildung haben sie mit diesem Kapitel keinen Beitrag geleistet.

Der Autor, 1982-95 Redakteur der "Gemeinde" (Organ der Israelitischen Kultusgemeinde Wien), ist Korrespondent des israelischen Radios.

Durch die Vergangenheit zur Gegenwart 8 - Geschichte & Politische Bildung für die 8. Klasse

Von Wilhelm Cechovsky e.a. Veritas Verlag, Linz 2003. 176 Seiten, brosch., e 13,80

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