6742635-1966_47_20.jpg
Digital In Arbeit

Theologen und Praktiker zur Vorbereitung

Werbung
Werbung
Werbung

Eine Kirchenreform, die eine Diözesansynode einleiten soll, ist wahrhaftig kein leichtes Unternehmen. Es geht nicht allein um die Erarbeitung von dogmatischen Konstitutionen und theologischen Aussagen, sondern auch um eine reformatio in concreto, freilich auf der Linie der Konzilstheologie. Insofern hat es eine Synode tatsächlich schwer. Sie muß einerseits die zentralen Konzilsaussagen ins Konkrete übersetzen und anderseits hat sie alle konkreten Strukturänderungen und Imperative von der Konzilstheologie her zu prüfen und mit ihr in Einklang zu bringen. Daher verlangt eine Synode die Mitarbeit von Theologen, die Tuchfühlung mit dem Konzil haben, und zugleich auch Praktiker auf Grund pastoralen und missionarischen Ambitionen. Sie sollen sich aus Priestern und Laien rekrutieren, die Gnadengaben zur Bewältigung der gegenwärtigen Situation besitzen.

Man muß den Bischöfen zustimmen, daß die Synoden vom Hintergrund des Konzils her ihre Arbeiten entfalten und gewisse Normen des Konzils aus methodischen und disziplinären Gründen nicht überschreiten sollen. Das kann aber nicht be deuten, daß das Zweite Vatikanische Konzil das Selbstverständnis der Kirche ausgeschöpft hätte und daher in der Selbstdarstellung der Kirche ein Grad der Perfektion erreicht wäre. Eine Verbotstafel für weitere Vorstöße auf dem Weg der Kirche zu sich selbst, den das Konzil betreten hat, darf es nicht geben. Es wäre Vermessenheit zu meinen, das Zweite Vatikanische Konzil hätte Antwort auf alle Fragen gegeben, so daß nach dem Konzil eine rezeptive Geistigkeit ohne Nachdenken und Neudenken genüge. Wenn es wahr ist, daß die Kirche unterwegs ist zu sich selbst und ständig ihr wahres Wesen suchen muß,' ohne es jemals auf ihrer Pilgerschaft vollends entdecken und einfangen zu können, dann hat auch eine Synode sich auf den Weg zu machen und einen Beitrag zur Inkarnation des neuen Selbstverständnisses der Kirche zu leisten.

Wiederentdeckung und Weckung der Charismen

Es ist klar, daß bei einer Synode, die Geist und Wollen des großen Konzils sowie das neue Kirchenbild verwirklichen will, pastorale Anliegen im Vordergrund stehen müssen.

Den ganzen Strukturumbau, der notwendig geworden ist, und von dem so viel geredet wird, muß man nach pastoralen Gesichtspunkten vollziehen.

Eine Pastorierung der kirchlichen Ämter und Dienste, vom Bischofsamt angefangen bis zum Kaplan und

Religionslehrer, kann nicht umgangen werden. Überkommene Strukturen der Anstalts-, Behörden-, Volksund Kleruskirche von gestern überwuchern weithin das kirchliche Leben und verdunkeln den pastoralen Sinn des kirchlichen Amtes. Die Verkündigungs- und Hirtentätigkeit sollte von der Bibel her aufgewertet werden. Neue pastorale Charismen gilt es im Gottesvolk aufzuspüren, zu mobilisieren und einzusetzen. Die hierarchischen Dienste haben die Charismen aus dem Gottesvolk verdrängt und zu einer großen Brache werden lassen. Man könnte auch sagen, daß die von Klerikern getragene „Anstaltskirche“ und die „Kirche der Seelenrettung“ von gestern die Charismen zum Erliegen brachte beziehungsweise nichts tat, um sie zu aktivieren und zu verlebendigen. Es wird nicht nur die Aufgabe der Bischöfe, sondern auch der Pfarrer, der kirchlichen Institutionen und Bewegungen sein, Charismen zu wecken und sie auch zur Wirksamkeit kommen zu lassen. Zur grundlegenden heilsgeschichtlichen Struktur der Kirche gehören nicht bloß die hierarchischen Ämter, sondern die mannigfaltigen Charismen, die ebenso den Leib Christi aufbauen, wie die hierarchischen Ämter. Synoden, deren Hauptstoßrichtung nach dem Konzil die Umwandlung der juristisch und klerikal verfaßten Pfarrgemeinden zu bibel- und zeitnahen christlichen Gemeinden sein sollte, müßten zu dieser Entwicklung einige Türen öffnen. Eine Synode darf auf keinen Fall in der nachkon- zi-liaren Zeit nur ein Zugeständnis der Kleruskirche an die Wünsche des Gottesvolkes sein oder als ein Phänomen erscheinen, das sich innerhalb der vorkonziliaren Kirche bewegt, sonst würde sie von vornherein an den innerkirchlichen Verhältnissen wenig ändern und kaum eine Erneuerung nach sich ziehen. Sollen die nichtamtlichen Glieder des Volkes Gottes nach dem konziliaren Verständnis der Kirche aktiviert werden, so kann es nicht bloß um die Beistellung von „Räten“ für die amtskirchlichen Organe gehen, die in Anspruch genommen werden oder nicht; vielmehr geht es um die Wek- kung und den Einsatz von Charismen. Diese sind die Voraussetzung dafür, daß eine Pastorisierung der hierarchischen Ämter und Dienste erfolgt. Mit den Ämtern sind leider aus der Zeit der vom Klerus getra genen Behördenkirche auf diözesan- und pfarrličher Ebene heute noch sehr stark Aufgaben wirtschaftlicher, finanzieller und administrativer Natur verbunden, die das geistliche Amt beeinträchtigen.

Pfarrsynoden stehen am Beginn

Postkonziliare Synoden müssen mehr als das Konzil, das ein verheißungsvoller Anfang war, in ihrer Zusammensetzung und in ihren Arbeitsmethoden das neue Kirchenbild in Erscheinung treten lassen.

Wenn sie wirksam werden wollen, dann können sie kein bischöfliches oder bloß kurlales Unternehmen sein, sondern sie haben in ihren Absichten, Planungen und Zielsetzungen ein Werk des gesamten Gottesvolkes zu sein. Es genügt nicht, daß einzelne interessierte Katholiken schriftliche Vorschläge unterbreiten. Eine Synode müßte es zustande bringen, daß alle Priester und alle Katholiken, die sich am kirchlichen Leben beteiligen, in den Denkvorgang und in die Auseinandersetzung, die sie hervorzurufen hat, einbezogen werden. Gelingt das nicht, mag es ihr wohl gegönnt sein, theologisch klangvolle Dekrete zu beschließen, aber sie wird nicht zu einem pfingstlichen Aufbruch im Gottesvolk führen. Es geht um eine pneumatische Bewegung und einen Arbeitsvorgang, der von den Gemeinden, den Apostolatsgruppen und den verschiedenen kirchlichen Institutionen seinen Ausgang nehmen muß und sich über die Dekanate bis hinauf zu den Organen der Diözese und in die Kommissionen fortsetzen muß. Synoden dürfen nicht den Eindruck erwecken, daß sie von „oben“ manipuliert und von den Organen der diözesanen Kurie und beigezogenen Laien gemanagt werden.

Für das Gelingen einer Synode sind pfarrliche Synodalkreise und ein Klerus, der sich mit den Problemen der Synode auseinandersetzt und bei der Erstellung der Schwerpunkte mitarbeitet, wichtiger als Vorbereitungskommissionen —• mögen sie noch so gut arbeiten. Synoden nach tridentinischem Muster sind mit ihren Methoden und Arbeitsweisen kein zeitgerechtes Modell mehr für eine Synode nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Synoden müssen den Charakter der biblischen Zeugnisse und der Väterzeit annehmen und ihren Platz mitten im Leben des Gottesvolkes haben. Man könnte sich vorstellen, daß Diözesansynoden durch Pfarrsynoden sehr fruchtbar werden. Sie wären der organische Ansatz für Diözesansynoden. Wenn schon keine Pfarrsynoden der Diözesansynode vorausgehen, sollte keine Diözesansynode ohne pfarrliche Synodenausschüsse angepackt und abgewickelt werden. Wer die Diözesansynode verwirklichen soll, muß sie auch vorbereiten und sich mit ihr befassen. Die Basis der Kirche ist die Pf arre, ohne sie baut man auf Sand.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung