Theologie auf dem Weg ins dritte Jahrtausend

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Mit dem IX. Band des "Lexikons für Theologie und Kirche" erreicht die 3. Auflage die Zielgerade.

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Mit dem IX. Band des "Lexikons für Theologie und Kirche" erreicht die 3. Auflage die Zielgerade.

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Theologie ist gläubige und zugleich vernünftige beziehungsweise wissenschaftliche Rede von Gott, von professionellen Spezialisten betrieben. Theologie ist nicht (kirchliche) Glaubenslehre, nicht die Offenbarung selbst, auch nicht zu verwechseln mit Religionswissenschaft.

Mit dem Artikel zum Stichwort Theologie definiert das "Lexikon für Theologie und Kirche" selbst, was die Herausgeber darunter verstehen: "die Ganzheitlichkeit der christlichen Heilsverheißung ... systematisch und praktisch zur Geltung zu bringen und den Glauben als Teil der Lebenswelt und im Hinblick auf seine Erfahrungs- und Handlungsfähigkeit zu explizieren". Die Zufälligkeit des Alphabets bringt es mit sich, dass im IX. Band einige zentrale Stichworte zu einem kleinen Theologiekurs zusammengefasst werden können.

Schrift ist Teil des Gründungsgeschehens der Kirche, der "mitgehende Anfang". Für das Christentum unverwechselbar ist der inzwischen allgemein akzeptierte historisch-kritische Zugang zu ihren Texten. - Die Selbstbezeichnung Jesu als Sohn Gottes ist zwar historisch unwahrscheinlich, aber als Heilsaussage für das Christentum zentral: Der Gekreuzigte und Auferstandene wird in einmaliger Weise mit Gott identifiziert.

Schöpfung "aus dem Nichts" verweist auf die Differenz zwischen Gott und der Welt; creatio continua macht deutlich, dass es dabei nicht um die Weltentstehung sondern um einen permanenten Prozess des göttlichen Heilswirkens geht. Dies hat zur Folge, dass die moderne Theologie mit der Evolutionstheorie keinerlei Schwierigkeiten hat. - Seele ist das Du Gottes, jener Pol, kraft dessen der Mensch vor Gott und in wesenhafter Beziehung zu ihm steht, die Unterscheidung von Leib und Seele darf heute allerdings nicht mehr als Scheidung verstanden werden.

Sünde als Gesinnung oder Tat ist der Abbruch personaler Beziehung zwischen Mensch und Gott, aber auch eine transpersonale, strukturelle böse Gegebenheit. Folgerichtig wird auch der Teufel einerseits entmythologisiert, andererseits als Hinweis darauf verstanden, dass der sündige Mensch nicht nur Täter sondern auch Opfer ist. Dem Kirchenlehrer Thomas von Aquin werden gleich neun Spalten gewidmet: Von ihm hat die Theologie den richtigen Umgang mit maßgeblichen Texten nach wie vor zu lernen.

Sechsmal "Schönborn" Von ökumenischer Relevanz sind ausgezeichnete Kurzartikel zu simul iustus et peccator, das heute besser mit "glaubig und ungläubig zugleich" wieder zu geben ist, oder sola fide und sola scriptura.

Wie schon in den vorangegangenen acht Bänden findet man auch im neuesten wieder Stichworte, die nur scheinbar die Theologie nicht betreffen: Schule (leider ist die theologische Wahrnehmung dieser Institution kaum erfolgt), Sexualität (eine wohltuende Offenheit, die bemüht ist, Engführungen zu vermeiden), Solidarität, (die sogar ausdrücklich als theologischer Begriff der Erlösungslehre beschrieben wird), Spiel (in seiner Zweckfreiheit und Kreativität eine Vorerfahrung des Heils), Staat und Stadt als konkrete "Orte" theologischen Arbeitens.

In gewohnter Verlässlichkeit findet man prägnante Artikel zu Orts- und Personennamen. 47 Spalten langwerden Orte beschrieben, die mit Sankt/ Saint/San beginnen, Stephan hat 45 Eintragungen. Berühmte Persönlichkeiten werden biographisch erfasst, auch wenn sie nicht als Heilige verehrt werden, wie Werenfried van Straaten, Piet Schoonenberg, Fridolin Stier. Unter dem Namen Schönborn finden sich sechs Bischöfe. Wenn man einmal zum Blättern begonnen hat, wird man das Lexikon bei fast 800 Seiten pro Band nicht so schnell wieder weglegen können. Die Herausgeber wollten zum Jubiläumsjahr 2000 das Werk vollendet haben; dies wird ihnen vermutlich nicht ganz gelingen. Ein letzter Band sowie ein ausführliches eigenes Register stehen noch aus.

Dennoch ist das "Lexikon für Theologie und Kirche" in seiner Eleganz, umstrittene Begriffe trocken und nüchtern zu formulieren und die offene Diskussion anzuführen, richtungweisend fürs dritte Jahrtausend. Dies gelingt umso leichter, als häufig gezeigt wird, wie sehr sich auch zentrale theologische Worte gewandelt haben. Dass das Lexikon unfertig ist, verweist auf den vorläufigen Charakter von Theologie und Kirche, die unter den Bedingungen dieser Welt niemals an ein Ende kommen werden.

LEXIKON FÜR THEOLOGIE UND KIRCHE. Band IX: San bis Thomas. Hg. von Walter Kasper. Verlag Herder, Freiburg 2000. 1.538 Spalten, geb.öS 3.285,-/e 238,73

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