Theologie der Verachtung

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Klaus Lohrmanns beachtenswerte Monografie "Die Päpste und die Juden".

Unverständnis herrschte in höheren katholischen Kirchenkreisen über die jüngsten jüdischen Proteste gegen die Neuformulierung der Karfreitagsfürbitte für den vorkonziliaren katholischen Messritus (die Furche berichtete). Vor allem das jüdische Gefühl, die katholische Kirche betreibe hier wieder Juden-Mission stieß den "älteren Brüdern" der Christen (© Johannes Paul II.) sauer auf.

Welche fatale Erinnerung auf Seiten der Juden da wieder hochkommen musste, wird bei der Lektüre von Klaus Lohrmanns kompetenter und gut lesbarer Monografie "Die Päpste und die Juden" klar. Eine wichtige Neuerscheinung zur rechten Zeit: Lohrmann, Gründer und bis 2004 Direktor des Instituts für die Geschichte der Juden in Österreich, setzt sich sowohl von der unter dem Titel "Die Päpste gegen die Juden" erschienenen Anklage des US-Historikers David Kertzer (dt. 2004) als auch von der apologetischeren, aber durchaus differenzierten Analyse "Der Vatikan und die Juden" des Münchner Forschers Thomas Brechenmacher (2005) ab. Und: Lohrmann schließt - ohne unkritisch zu sein - Friedrich Heers bahnbrechendes Werk "Gottes erste Liebe" (1967) in seine Ausführungen ein. Lohrmann ist auch das sichtbare Bemühen zur Differenzierung und um ein "audiatur et altera pars" hoch anzurechnen. Bei allem klaren Aufzeigen, was die Judengesetzgebung der mittelalterlichen Päpste für fatale Konsequenzen zeitigte, könne man es diesen "nicht in die Schuhe schieben, sie hätten den Konzentrationslagern im Voraus die Wege geebnet". Der Autor rückt auch das historische Faktum ins rechte Licht, dass es gerade Päpste des Mittelalters waren, welche den Juden grundsätzlichen Schutz gewährten, sodass eine sich absolut gebärdende Judenfeindschaft vieler Christen sich keineswegs eindeutig auf die katholische "Tradition" berufen konnte.

Es ist aber gerade solch scheinbare "Entlastung" von historischer Schuld, der das ambivalente Verhalten der Päpste gegenüber den Juden besonders auffällig macht. Denn die Juden Europas waren in beinahe allen Epochen ein Spielball der Machtpolitik; unterm Strich, das macht Lohrmann klar, blieben sie die Opfer - und sei es, dass ihre Existenz schlicht notwendig war, um die Überlegenheit der Christen durch das Dasein eines "verworfenen" Volkes zu dokumentieren.

Die katholische "Theologie der Verachtung" gegenüber den Juden zog sich bis in die 1950er Jahre und wurde erst durch das II. Vatikanum und durch das Pontifikat neu bestimmt. Übrigens: Auch das "heiße Eisen" Pius XII. geht Lohrmann mehr als differenziert an: Während er das Schweigen des Papstes zur Judenverfolgung im Dritten Reich durch dessen faktische Ohnmacht erklärt, brandmarkt er umso mehr, dass Pius XII. vom Kriegsende bis zu seinem Tod 1958 darüber kein einziges Wort verlor.

DIE PÄPSTE UND DIE JUDEN

2000 Jahre zwischen Verfolgung und Versöhnung

Von Klaus Lohrmann. Patmos Verlag, Düsseldorf 2008. 309 S., geb. € 25,60

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