6646936-1958_29_12.jpg
Digital In Arbeit

Theologie des Laienstandes

Werbung
Werbung
Werbung

Ein Buch von Gerard Philips des gleichen Themas „Der Laie in der Kirche“ ist in diesem Blatt vor einem Jahr besprochen worden, obwohl es um zwei Jahre jünger ist als das vorliegende. Philips bezieht sich auf dieses nicht, wohl aber auf viele Vorarbeiten Congars. Beide begründen ihr Erscheinen aus seiner brennenden Aktualität. Und die wird niemand bezweifeln. Die theologische Leistung Congars wiegt aber unvergleichlich schwerer. Die seelsorgliche Notwendigkeit einer theologischen Klärung des Problems wird vor allem in den Großstädten fühlbar: Priester-tum ohne Volk und Volk ohne Priester, klerikale Kirche und laisierte Welt, der lautlose Abfall und die Notwendigkeit einer Mission auf breitester Front. Alles das schreit nach Heeren von Laienaposteln. Aber der Anruf der Kirche kann nur auf einer sauberen theologischen Klarstellung, was Aufgabe des Laien und seine Funktion im Gesamt der Kirche ist, gründen. Das kühle Beiseitestehen vor allem der Männer, erklärt sich nicht nur aus einem raschen Blick in die Psychologie oder aus einem Hinweis auf die weltliche Aufgabe des Mannes. Es liegt tiefer: in einer Verkennung seiner geschöpflichen Aufgabe.

Das weckt einen berufenen Theologen auf zu einem „Entwurf einer Theologie des Laientums“. Da stellt sich aber heraus, daß selbst dieser Entwurf nur ein Beitrag zu einer neugesehenen Ekklesiologie sein kann. Mit dem Problem ist die Frage nach dem Wesen der Kirche selbst neu gestellt. Die Antwort stellt einen Theologen, vielleicht sein ganzes Zeitalter, vor eine kaum zu bewältigende Aufgabe. Diese setzt nämlich eine neu durchdachte Gesamtlehre von der Kirche, eine theologische Anthropologie, ja eine Schöpfungslehre mit allen Bezügen zur Christolozie, dazu eine Theologie des Lebens voraus und diese wieder eine Theologie der Struktur. Das Unternehmen ist nicht nur umfassend, es ist heikel und kompliziert. Auch nicht ohne Bedenken. Irrige und voreilige Lösungen warnen. Dei Verfasser wagt es dennoch als „Dienst eines Theologen, der einigermaßen verschont ist von der Unruhe und dem Kampfgewühl der vordersten Front“. (Wo Congar dennoch immer zu treffen ist.) Sein Buch stellt sich mit einer in ihm selbst gegebenen Legitimation als eine große theologische Leistung vor. Congar denkt aber an eine zweite Fassung, die dem Großteil der Gläubigen zugänglich ist.

Das Laienapostolat ist heute ein zentrales Anliegen der Kirche. Die liturgische und die Bibelbewegung, die Verbreitung des religiösen Buches sind in ihrer Breiten- und Tiefenwirkung nur aus der Mitarbeit der Laien verständlich. Die Ehe ist sakramentale Anforderung des Laien. Er hat durch drei Jahrhunderte das kirchliche Leben in Irland gehalten und in Japan allein gerettet. (In der Methode geht Congar theologisch-geschichtlich vor. Man staunt über die ungeheure Belesenheit und Verarbeitung eines immensen Matecials.V Die'societas .fideliuin als Institution ist. früher als die Gemeinschaft aus den vom Herrn eingesetzten Heilsmitteln. Die Einheit dieser beiden Aspekte der Kirche kennzeichnet die Väterzeit. Der „mystische Leib“ war nie rein geistiger Zusammenschluß, immer hierarchisch aufgebaute und sichtbare Gnadengemeinschaft. Eine Gefährdung dieser Einheit kam in der spiritualistischen und anti-hierarchischen Verfälschung durch die Sekten, von den Gnostikern angefangen bis zum Jansenismus. Die spätere Ekklesiologie entstand darum in ständiger Abwehr dieser Irrtümer und wurde so zu einer Hierarchiologie. Gleichzeitig, ob infolge oder in Wechselwirkung, vollzog sich die Laisierung der menschlichen Gesellschaft. In dieser Theologie der Kirche wird der Laie nur „in Masse“ gesehen. Die Auseinandersetzung Congars mit dem Protestantismus geht nicht polemisch vom Gegensatz aus. Das echte Anliegen der Reformation wird gesehen und ihm der Ort im katholischen Ganzen zugesprochen. („Die protestantische Seite der Kirche“) Und das Ergebnis: Die Macht Christi ist nicht nur eine über die Gläubigen, sondern eine über die Welt (die geistliche und die kosmische Ordnung). Alles Geschaffene und Geheiligte muß seine Vollendung finden. Für die Zwischenzeit zwischen seiner ersten und seiner letzten Parusie wirkt der Herr in einer zweifachen Weise: Erstens durch den Sieg des Kreuzes, im Sinne des Opfers, im Wirken des Priesters, und zweitens in seiner Herrschaft durch die Macht, der „königlichen“ Form, im Wirken des Laien. Kirche und Welt bereiten, jede in ihrem Bereich, das Kommen des Gottesreiches vor. Das Laientum ist nicht nur Objekt des hierarchischen Amtes. Jeder Laie hat in seinem Stand eine aktive Funktion: die Welt zu Christus zu führen. Diese Zusammenfassung kann nur ohne die schwere Begründung des Buches gegeben werden, kann darum auch als einseitig mißverstanden werden. Auch nur ein Blick auf die Geschichte der „hierarchischen Christenheit“ und man ist von diesem Ergebnis fürs erste frappiert. (Wie weit der Laie am dreifachen Amt der Kirche teilnehmen kann, wird eigens untersucht. Hier wird Bekanntes, aber in einer bisher größten Zusammenfassung geboten.) Dieser „Entwurf“ will den Wachstumsgesetzen der Kirche dienen. — Dem Laien, dem Mann in der Kirche, muß wieder sein Platz und seine Aufgabe, seine ihm zustehende Funktion, sichtbar gemacht werden. In einer Parallele mit dem Begriff des Proletariers, wie ihn Toynbee faßt, sagt Congar über die Stellung des Laien: den Proleten macht nicht die niedere Stellung oder die Unterordnung aus, sondern das Bewußtsein, in einer Gesellschaft leben zu müssen, ohne ihr organisch als tätiges und berechtigtes Mitglied anzugehören. Damit ist Ausgang und Ziel dieses Werkes ausgesprochen. Vielleicht werden wir noch klarer an der Anekdote, mit der Congar, typisch französisch, seine Untersuchung einleitet: „Kardinal Gasquet erzählt folgende Anekdote: Ein Taufbewerber fragte einen katholischen Geistlichen nach der Stellung des Laien in seiner Kirche. Die Stellung des Laien in unserer Kirche, erwiderte der Priester, ist eine zweifache: er kniet vor dem Altar, das ist seine erste Stellung. Er sitzt unter der Kanzel, das ist seine.zweite Stellung, Der Kardinal iügt,-hin-' zu: seine dritte vergaß er zu nennen: er greift nach seinem Geldbeutel.“ Die Anekdote muß als Pointe genommen werden. Sie spricht spitz und etwas bissig aus, was mit diesem schwer theologischen Werk klar werden, und damit, was überwunden werden soll.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung