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Theologie im Dialog
Jedes Lexikon vermittelt dem Leser mehr über seine Entstehungszeit und die Einstellungen seiner Verfasser(innen) als über die besprochenen Inhalte. Dies bewahrheitet sich bei der dritten Auflage des Lexikons für Theologie und Kirche, dessen 3. Band („Dämon bis Fragmentenstreit") nun vorliegt, ganz besonders.
Um den derzeitigen Stand christli-cher-katholischer Theologie zu erkunden, ist ein Vergleich mit der 2. Auflage von 1959 lohnend. Trotz der Kürze finden sich in der letzten Ausgabe eine ganze Reihe neuer Stich-worte wie Divine Light Mission, Dorf, Dritte Welt, Empfängnisregelung (früher: Empfängnisverhütung), Embryo, Energieversorgung, Ennea-gramm, Entwicklungshilfe, Feministische Theologie, Ethikkommissionen, Feuerbestattung, Film, Flughafenseelsorge, Fötalmedizin Schon dies zeigt die Orientierung an der modernen Welt ohne Hurra-Modernismus.
Ein Vergleich grundsätzlicher Artikel, zwischen denen oft mehr als eine (Theologen-)Generation steht, zeigt den Fort-Schritt der Theologie gegenüber der Zeit vor dem II. Vatika-num. Dabei muß eingeräumt werden, daß vieles, was 1959 geschrieben wurde, dem damaligen Erkenntnisstand weit voraus war! In einer Epoche des Revisionismus (um nicht zu sagen reaktionären Denkens und Handelns) hat man sogar bisweilen den Eindruck, als sei vieles, was damals vorgedacht wurde, mit der Zeit wieder verdunstet. Andererseits hat das Konzil (1962-1965) in Theologie und Kirche zu teils umwälzenden Änderungen oder zumindest Adaptionen geführt. Gerade zentrale Eintragungen wie Dekalog, Ehe, Eigentum, Engel, Eschatologie, Ethik (besonders hervorzuheben!), Erbsünde, Eucharistie, Evangelium, Evolution, Fegefeuer^ zeigen einen fundamentalen Wandel in Denken und Sprache. Die Theologie heute kann (und will!) es sich nicht mehr leisten, eine Rinnenwissenschaft für wenige Eingeweihte zu sein. Sie muß die Ergebnisse anderer Wissenschaften wie der Geschichte, der Soziologie, der Linguistik (um nur einige zu nennen) ernst nehmen, in einen Dialog treten, ohne damit ihre ureigene Aufgabe zu verraten.
Welche Tendenzen der modernen Theologie spiegelt der dritte Band der „völlig neu bearbeiteten" Auflage wider? Zunächst fällt das dialogische Element auf. Hatte die 2. Auflage nur das Stichwort Dialoge, ist nun Dialog aufgenommen: es wird nicht Wahrheit dekretiert, sondern im argumentativen Diskurs gesucht. Die eine Welt in ihrer Vielfalt wird ernstgenommen - umso auffälliger ist, daß Artikel wie Deutschland oder Europa fast ausschließlich kirchlichen The-menkreisen gewidmet sind. Theologie heute kann sich eindeutig dem Verdacht entziehen, individualistisch oder spiritualisierend zu sein und nur auf ein besseres Jenseits zu vertrösten: Eltern, Familie, Feministische Theologie, Eigentum, Entwicklungshilfe, ja sogar Eucharistie, Firmung oder Exorzismus zeigen, wie sehr es der Theo-Logie immer auch um Anthropologie, den Menschen geht.
Entsprechend den Grundanliegen der Herausgeber sind auch die rund 1000 Mitarbeiter bunt gemischt: Frauen und Männer, Christen verschiedener Konfessionen, deutschsprachige und internationale Theologen und andere Fachwissenschaftler. Der Lexikonstil mit zuvielen Abkürzungen macht die Lektüre manchmal mühsam. Erfreulich ist andererseits, daß auch diesmal wieder kleine und kleinste Eintragungen (Personen, Orte, Begriffe) entgegen ursprünglichen Plänen nicht weggelassen wurden. Daß die neueste Literatur in kleiner Auswahl angegeben wird, braucht wohl nicht betont zu werden.
Die zweite Auflage war richtungsweisend für den Aufbruch im und nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Es bleibt zu hoffen, daß die dritte, die nach der Jahrtausendwende abgeschlossen sein wird, manches in der Leitung, Verkündigung und Praxis der Kirche nachhaltig beeinflussen wird auf dem Weg ins 21. Jahrhundert „nach Christi Geburt".
LEXIKON DER THEOLOGIE
Von Walter Kasper. J Band. Verlag Herder, Freiburg-Basel-Rom-Wien 1995. 1378 Spalten, öS2.964,-
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