Trennungsschmerzen jenseits DES RIO GRANDE

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Durch seine gegen Mexiko gerichteten Dekrete macht sich US-Präsident Donald Trump keine Freunde. Mexikos Präsident sagte das erste Treffen mit ihm bereits ab.

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Durch seine gegen Mexiko gerichteten Dekrete macht sich US-Präsident Donald Trump keine Freunde. Mexikos Präsident sagte das erste Treffen mit ihm bereits ab.

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Es werde eine "positive Beziehung" mit Donald Trump geben, zeigte sich Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto wenige Tage vor Amtsantritt des 45. US-Präsidenten zuversichtlich. Er wurde schnell auf den Boden der Tatsachen geholt. Kaum im Amt, machte sich Trump daran, das Verhältnis zum Nachbarland Mexiko, einem der wichtigsten Handelspartner der USA, mit dem Holzhammer zu demolieren.

Bereits in seiner ersten Woche im Weißen Haus verstörte er Mexikos Regierung mit Verordnungen und Drohungen nachhaltig. Seinem Dekret, das den Beginn des Ausbaus der Mauer an der USamerikanischen-mexikanischen Grenze ermöglicht, schickte er eine Twitter-Botschaft hinterher: "Wenn Mexiko nicht bereit ist, für diese so notwendige Mauer zu bezahlen, dann wäre es besser, das anstehende Treffen abzusagen." Peña Nieto konnte gar nicht anders, als das für Ende Jänner (31.1.) geplante Treffen mit Trump in Washington abzublasen. Die erste politische Krise.

Trump sprach davon, die geschätzten, jährlichen 25 Milliarden US-Dollar an Geldüberweisungen mexikanischer Einwanderer aus den USA zurück in ihr Ursprungsland zu besteuern. Ein Sprecher Trumps brachte darüber hinaus erneut die Idee einer 20 Prozent hohen Importsteuer auf Waren aus Mexiko ins Spiel. So solle Mexiko den auf 20 Milliarden US-Dollar veranschlagten Mauerbau bezahlen. Zahlen würden in diesem Fall aber wohl eher die US-Verbraucher durch höhere Preise, wie Ökonomen vorgerechnet haben.

Streitpunkt NAFTA

Doch damit nicht genug. Auch das nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA steht nach Trumps Amtsantritt zur Disposition und soll nach seinen Vorstellungen mit den bisherigen Partnern Kanada und Mexiko neu verhandelt werden. Was genau Trump bei Neuverhandlungen erreichen will, außer der Verringerung des Handelsbilanzdefizits mit Mexiko in Höhe von rund 58 Milliarden US-Dollar, ist unklar. Bereits im Wahlkampf hatte Trump NAFTA immer wieder in Frage gestellt und es den "schlechtesten Handelspakt, der jemals unterzeichnet wurde", genannt.

Bei einigen US-Autokonzernen zeigte das Gepoltere bereits Wirkung: US-Autobauer Ford kündigte noch vor Trumps Amtseinführung an, auf geplante Investitionen in Mexiko in Höhe von 1,6 Milliarden US-Dollar zu verzichten und stattdessen 700 Millionen US-Dollar in die Produktion von Elektroautos in Flat Rock, Michigan, zu stecken. Mexikos Regierung bedauerte Fords Rückzug; Trump dagegen inszeniert sich als Verteidiger der Interessen US-amerikanischer Arbeiter. In seiner Erzählung haben diese durch Nafta massiv verloren; Mexikos Wirtschaft hingegen profitiert. Man kann natürlich darüber streiten, ob der freie Welthandel seine Heilsversprechen eingelöst hat; dass die USA aber der große Verlierer der Globalisierung seien, diese Vorstellung ist abwegig.

Und Mexiko der große Gewinner durch NAFTA? Für den Großteil der mexikanischen Bevölkerung wäre das neu. Zwar hat NAFTA viele Investitionen ins Land gebracht, ist allgemein aber alles andere als eine Erfolgsgeschichte. Mehr als die Hälfte der mexikanischen Bevölkerung lebt weiterhin unterhalb der Armutsgrenze, die Löhne stagnieren und der gewaltige Unterschied zwischen Arm und Reich ist seit der NAFTA-Einführung 1994 größer geworden. Vor allem der Billiglohnsektor ist gewachsen, es besteht weiterhin ein riesiger informeller Sektor. In der mexikanischen Landwirtschaft verloren mehr als zwei Millionen Kleinbauern ihre Jobs, da sie mit den billigen Importen der hochsubventionierten US-Landwirtschaft nicht konkurrieren konnten. Viele von ihnen gingen illegal in die USA.

Noch vor den anstehenden NAFTA-Verhandlungen mit den USA und Kanada tauschte Mexiko seinen Botschafter in Washington aus und ernannte mit Gerónimo Gutiérrez Fernández einen altgedienten Diplomaten mit reichlich US-und NAFTA-Erfahrung. Ende Jänner legte Peña Nieto die Verhandlungslinie fest: "Weder Konfrontation noch Unterordnung. Die Lösung ist Dialog und Verhandlungen." Das war vor seiner Absage des Treffens mit Trump.

Mexiko ruft zur Einheit auf

Einen Nafta-Austritt schließt die mexikanische Regierung mittlerweile nicht mehr aus, sagte Außenminister Luis Videgaray. Wenn eine Neuverhandlung des Abkommens Mexiko nicht nütze, werde man nicht zustimmen. Videgaray gab zu erkennen, dass Mexiko sein Verhältnis zu den USA neu justieren und sich nach neuen Partnern umsehen wird, vor allem in Lateinamerika und der Karibik. Mit der EU wird Mexiko eine Erneuerung der Handelsbeziehungen, einschließlich eines Freihandelsabkommens, anstreben, und auch im wirtschaftlichen Verhältnis zu Asien ergeben sich nach dem von Trump verursachten Scheitern des Transpazifischen Freihandelspakts TPP neue Möglichkeiten.

Zunächst einmal aber will die Regierung in Mexiko-Stadt drei Monate lang formelle Gespräche mit dem mexikanischen Privatsektor und anderen "relevanten Akteuren" führen, "um Parameter festzulegen, die die Überprüfung und Vertiefung des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens anleiten werden". Die aggressive Rhetorik und ersten Regierungsdekrete Trumps lassen - zumindest kurzfristig - eine für beide Seiten zufriedenstellende Einigung unmöglich erscheinen. Die mexikanische Regierung versucht, die Reihe geschlossen zu halten, ruft zur nationalen Einheit auf und kündigt mehr Gelder für die mexikanischen Konsulate in den USA an, um die Rechte der dort lebenden mexikanischen Einwanderer zu schützen, die von Trump im Wahlkampf als "Verbrecher und Vergewaltiger" beschimpft und mit Abschiebung bedroht worden waren. "Es ist klar geworden, dass wir Meinungsverschiedenheiten hatten, aber wir wollen auf den Übereinstimmungen aufbauen", erklärte Peña Nieto in Richtung Trump.

Weiters präsentierte die mexikanische Regierung einen Plan, den Konsum heimischer Produkte zu stärken. Gemeinsam soll mit dem öffentlichen Sektor und der Privatwirtschaft das Label "Hecho en México"(Made in Mexico) wiederbelebt werden, Ausfuhrzölle sollen gesenkt und Ausfuhrgenehmigungen erleichtert werden.

Mexiko gibt Kontra

"Heute muss unser Land wie nie zuvor den Glauben an sich selbst wiedererlangen", erklärte Manuel Herrera, Präsident der Vereinigung der Industriekammern Mexikos (Concamin). Derweil schaltet die Werbeindustrie zunehmend Anti-Trump-Spots. Die mexikanische Biermarke Corona veröffentlichte vor einigen Tagen einen Fernsehspot, der Trumps Wahlkampfparole "Make America great again" aufs Korn nimmt. Die Botschaft ist: Amerika ist groß - und das seit Langem. Zu sehen sind der Zuckerhut in Rio, der Panama-Kanal oder kolumbianischer Kaffee. Entgegen US-Verständnis ist Amerika mehr als nur ein Land im Norden des Kontinents.

In den sozialen Netzwerken gibt es Aufrufe, US-amerikanische Waren und -ketten wie McDonald's, Walmart oder Starbucks zu boykottieren. Der frühere mexikanische Außenminister Jorge Castañeda forderte in der New York Times seine Regierung auf, die Kooperation mit der Trump-Administration bei der Bekämpfung des Drogenhandels einzustellen. Auch könnte Mexiko zentralamerikanische Migranten unbehelligt über die Südgrenze Richtung Norden reisen lassen -ein gewaltiges Problem für die USA. Geschätzte 300.000 Migranten aus Mittelamerika stoppen die mexikanischen Behörden jedes Jahr.

Die Zeichen stehen also auf Konfrontation. Einer profitiert aber davon: Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto. Einer von der mexikanischen Tageszeitung Excelsior veröffentlichten (1.2.) Umfrage zufolge unterstützen 63 Prozent der Mexikaner dessen Position gegenüber Trump. Seine desaströsen Zustimmungswerte konnte er allerdings gerade einmal von 11 auf 16 Prozent verbessern. Aber Trump ist ja auch erst seit gut zwei Wochen im Amt.

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