Über den Lehrer

19451960198020002020

Die Buber-Biographie "Begegnung auf dem schmalen Grat"

19451960198020002020

Die Buber-Biographie "Begegnung auf dem schmalen Grat"

Werbung
Werbung
Werbung

Der "schmale Grat" ist ein Ausdruck, den Martin Buber selbst verwendet hat - als Metapher seines Lebens. Maurice Friedman berichtet im Vorwort zu seiner Buber-Biographie, dass sich Buber selbst diesen Titel wünschte. "Ich habe gelegentlich meinen Standpunkt vor meinen Freunden beschrieben als ,schmalen Grat'", so Buber: "Damit wollte ich ausdrücken, dass ich mich nicht auf den weiten Höhen eines Systems, welches eine Abfolge gesicherter Aussagen über das Absolute beinhaltet, ausruhen möchte, sondern mich auf einem felsigen schmalen Grat zwischen den Abklüften bewege, wo es keine Sicherheit ausdrückbaren Wissens gibt, sondern nur die Gewissheit des Zusammenstoßens mit dem Ungesicherten."

Als vieldimensionale Reise auf einem schmalen Grat stellt sich auch die Biographie Bubers von Maurice Friedman dar. Friedman, einer der letzten Buber-Schüler und Weggefährte des großen Religionsphilosophen, lehrte selbst Philosophie, Religionswissenschaft und Vergleichende Literaturwissenschaft in den USA, Europa, Israel und Indien. Er gilt weltweit als führender Buber-Kenner, nicht zuletzt durch seine dreibändige Biographie "Martin Bubers Leben und Werk". Mit "Encounter on the narrow ridge" hat er 1991 die einbändige Kurzausgabe dieser Biographie herausgebracht. Nun liegt auch die deutsche Übersetzung vor. Als "überwältigenden Beitrag zum Verständnis von Martin Buber und seiner Religionsphilosophie", lobt etwa Elie Wiesel das Werk.

Friedman spricht in dieser Biographie wichtige Stationen auf Bubers Lebensweg an: seine Auseinandersetzung mit dem Zionismus und sein gespaltenes Verhältnis zu Theodor Herzl, seine Begegnung mit der Psychotherapie, seine Entdeckung des Chassidismus und seine Beiträge zu Erziehung und Politik. Besonderes Augenmerk legt Friedman auf Bubers weltpolitisches Engagement und die Entwicklung seiner einzigartigen und prägenden Philosophie. Zuerst war es die Erfahrung des Ersten Weltkrieges, die den jungen Denker prägte. Später wird er zu einem der Führer des geistigen Widerstandes während des Nationalsozialismus. Nicht zu vergessen ist auch Bubers mehr als 40-jähriges Engagement für den jüdisch-arabischen Dialog.

Friedman hat viel Herz in seine Buber-Biographie gelegt. Für ihn ist Buber nicht nur Vorbild, sondern auch Mentor und bewunderte Vaterfigur. "Begegnung auf dem schmalen Grat" zeigt all jene Vor- und Nachteile einer Biographie, die von einem Schüler und Vertrauten verfasst wurde. Von Vorteil war sicher Friedmans persönlicher Kontakt zu Buber, seine umfassenden Kenntnisse von Bubers Leben und Werk und seine Möglichkeit diesen persönlich zu biographischen Ereignissen und philosophischen Ideen zu befragen. Andererseits vermisst man auf Grund dieser Schüler-Lehrer-Konstellation bisweilen eine kritische Distanz.

Interessant wäre es auch gewesen, noch etwas mehr über Bubers intellektueller Beziehung zu seiner Frau Paula zu erfahren, die Friedman wiederholt als die prägendste und signifikanteste in Bubers Leben bezeichnet. Allerdings muss man dem Autor zugute halten, dass Paula Buber selbst sehr auf ihre Privatsphäre bedacht war und nur wenig Persönliches über sich an die Öffentlichkeit dringen lassen wollte. Doch noch andere faszinierende Zeitgenossen kreuzten Bubers Weg: Martin Heidegger, Jean-Paul Sartre, C. G. Jung, David Ben Gurion, Hermann Hesse oder Alfred Rosenzweig sind nur einige Beispiele, die stellvertretend für viele dieser intellektuellen Begegnungen stehen, die Friedman in seinem Buch spannend schildert.

Maurice Friedman schöpft in seiner profunden Biographie aus einem reichen Wissensschatz und bietet eine gelungene Mischung von biographischen Hintergründen und Analysen des philosophischen Werks von Martin Buber. Dadurch eröffnet der Autor auch philosophischen Laien einen interessanten Einblick in das Leben und Werk des herausragenden jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber.

Begegnung auf dem schmalen Grat. Martin Buber - ein Leben.

Von Maurice Friedman, aus dem Amerikanischen von Rosemarie Graf-Taylor. Agenda Verlag, Münster 1999. 592 Seiten, geb., öS 364,-/e 26,45

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung