Über diese Diskussion Gras wachsen lassen!

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Für Christen gibt es heute ganz andere Anfechtungen des Glaubens als die Frage, ob Jesu Grab voll oder leer war.

Als Schlusssequenz wird im Film "The Body" ein Satz des auferstandenen Jesus, wie ihn das Johannesevangelium überliefert, auf die Leinwand projiziert: "Selig sind, die nicht sehen und doch glauben" (Joh 20,29). Dieses Jesuswort ist auf Thomas - den Zweifler, der an die Auferstehung erst dann glaubt, als er den Auferstandenen sieht - gemünzt: Eigentlich, so ist man geneigt zu denken, könnte sich angesichts dieses Schlusssatzes im Johannesevangelium auch die Frage nach dem leeren Grab erledigt haben. Denn die Frage der Auferstehung steht so nicht mehr in der Disposition physischer Wahrnehmung, sondern sie hat mit dem Glauben zu tun und nicht mit geschichts- oder naturwissenschaftlicher Erkenntnis.

Weil sich das wissenschaftliche Weltbild unterschiedlich von der religiösen Erkenntnis entwickelte, ist es somit nicht mehr möglich, Glaubensaussagen und -erfahrungen, wie sie auch die Bibel vermittelt, eins zu eins in die mit naturwissenschaftlichen Möglichkeiten überprüfbare Wirklichkeit von heute zu übertragen. Aufgrund dieser Erfahrung scheint es müßig, Jesu Auferstehung an den "naturwissenschaftlichen" Beweis eines leeren Grabes zu koppeln - und umgekehrt: Eine Annahme wie im Film, Jesu Gebeine könnten gefunden worden sein, stellt kein, aber auch gar kein Argument gegen den christlichen Auferstehungsglauben dar.

Heute sollte die religiöse Wirklichkeit der Auferstehung Jesu sogar leichter zu erfassen sein als für manchen Thomas in den ersten christlichen Gemeinden: Dass der Glaube an Jesus aus Nazaret und seinen Gott in 2000 Jahren alles andere als erloschen ist, stellt für Christen, die ja an Gottes Wirken in der Geschichte glauben, jedenfalls ein viel stärkeres Glaubensargument dar als einzelne, vermeintlich unverrückbare Tatsachen wie das leere Grab.

Ob Wunderberichte oder die Erzählungen von der Auferstehung: Die biblische Botschaft wird durch naturwissenschaftliche Argumente nicht wahrer, gleiches gilt für andere - materielle - Anhaltspunkte für den christlichen Glauben (Beispiel: das Grabtuch von Turin). Diese Zugänge zum Glauben stammen aus der Denkwelt vor der Trennung von naturwissenschaftlicher und religiöser Erkenntnis. Diese Trennung ist das Kennzeichen der Moderne; sie war für den Weiterbestand des Glaubens wie für den Fortschritt der Wissenschaft unabdingbar.

Der durch die Moderne hindurch Gegangene kann aber nicht mehr hinter die Moderne zurück. (Das bedeutet natürlich nicht, dass er die Menschen und Denkansätze vor der Moderne gering achten würde.) Kirchen haben sich mit dieser Erkenntnis schwer getan - die katholische Kirche gar bis zum II. Vatikanum. Auch die Frage, ob das Grab Jesu leer war, ist in diesem Sinn typisch "vormodern".

"The Body" bewegt sich gleichfalls auf dieser Ebene - als ein gar melodramatischer, aber spannender Polit- und Kirchenkrimi, der im gegenwärtigen Israel spielt; das Bild der katholischen Kirche ist im Film - ebenso wie die Grab-Frage - aber vorkonziliarem Denken verhaftet.

Heute begegnet man dem Beharren auf dem leeren Grab gerade bei fundamentalistisch-wörtlicher Auslegung der Bibeltexte: Die Vorstellung, Jesu Auferstehung sei nicht unbedingt medizinisch-physisch zu denken, wird da als eine Glaubensanfechtung gesehen.

Für die Christenheit (auch sie ist durch die Moderne hindurch gegangen) gibt es heute andere Anfechtungen - zum einen: Auschwitz, Hiroshima, Gulag, Ruanda, Terrorismus ..., wo Menschen in tiefste Abgründe stürzten; zum anderen: wo verlorene Menschen in einer verlorenen Zeit Halt und Sinn suchen. Dort - und nicht beim vollen oder leeren Grab - stellen sich heute die Gottes- und die Glaubensfrage.

Keineswegs bedeutet dies, dass Menschen sich nicht für den historischen Jesus interessieren oder nicht nach ihm forschen sollten. Dazu gehört aber ein gutes Maß Gottvertrauen und Gelassenheit. Heinz Zahrnt, der bald 87-jährige große alte Mann des Protestantismus in Deutschland, hat sich in seinen Büchern auch mit der heutigen Spannung zwischen Glauben und der Suche nach dem historischen Jesus beschäftigt. Sein Resümee zum Thema, dem nichts hinzuzufügen ist, strahlt diese Gelassenheit aus: "Ob Jesu Grab nun voll oder leer war - jedenfalls ist kein Gras darüber gewachsen."

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