Ukrainer oder Österreicher?

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Eigentlich fühle ich mich als Europäer." Diese Antwort von Maxim Podoprigora, Mitglied des österreichischen Schwimmteams bei den Olympischen Spielen in Sydney, hat den Fragehorizont des Reporters gesprengt. Max ist im Alter von 12 Jahren mit seiner Familie aus der Ukraine nach Österreich gekommen und war mit der Frage konfrontiert, ob er sich mehr nun als Ukrainer oder als Österreicher verstehe. Bei ihm könnten viele Menschen in Österreich dazu lernen, haben doch hier keine 50 Prozent einen Zugang zu einer europäischen Identität und wenn, endet sie an den jetzigen EU-Grenzen. Aber die Gleichsetzung von Europa mit der jetzigen EU bietet ja eine noble Chance, den eigenen Chauvinismus nicht wahrnehmen zu müssen.

Wenn der frühere Ausländersonntag am 24. September zu einem erfreulichen Fest der Vielfalt mutiert und so in der Erzdiözese Wien ein exzellenter Rahmen ist, um den 95er Kardinal Königs zu feiern, dann werden nationale und kulturelle Identitäten gleichzeitig anerkannt und relativiert, weil sogar ein weites Europäersein zu eng für diese Welt ist. Eigentlich müsste gerade dem Katholischsein jede Form von Exklusivität fremd sein.

Zur relativen Bedeutung nationaler und kultureller Identitäten hätten Christen einen besonders leichten Zugang, können sie sich doch nach alter Tradition als Pilger verstehen. Diese weite Existenzweise wird von vielen wieder gesucht und auch leibhaftig eingeübt, wie auch der Boom auf europäischen Pilgerwegen zeigt. Ein sicher nicht traditionell frommes und schon gar nicht esoterisches, sondern anregendes Dokument der Pilgerschaft ist das soeben päsentierte Buch von Peter Lindenthal*). Es zeigt, "dass man auch in unserer Zeit in seinem eigenen Kulturkreis tiefe und prägende Erfahrungen machen kann, ohne Drogen zu nehmen, ohne sich einem Guru auszuliefern, ohne Weltumsegler oder Extremsportler zu sein."

*) Nach Santiago - wohin sonst? Meine Pilgerfahrt auf dem Jakobsweg. Tyrolia, Innsbruck 2000.

Martin Jäggle ist Professor an der Religionspädagogischen Akademie Wien und Autor von Religionsbüchern. Zusätzlich engagiert er sich in der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit.

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