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Um die Herzmitte des Glaubens

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.Die liturgische Erneuerung ist nicht nur ein Anliegen einzelner Gruppen und Zentren innerhalb der katholischen Kirche, sondern vielmehr ein unabdingbares Wesenserfordernis der allgemeinen Pastoral, denn die Liturgie umspannt und verwirklicht die Fülle des christlichen Daseins.“ So etwa formulierte der Leiter des Liturgischen Instituts zu Salzburg, Dr. P. Adalbero Raffelsberger O. S. B., die Grunderkenntnis, der das Institut seine Entstehung verdankt. Der Boden der Erzabtei St. Peter ist wie kaum ein anderer für eine solche Arbeit prädestiniert. Von diesen Klosterzellen an der steilen Felswand nahm das Werk des heiligen Rupertus einst seinen Weg, hier lag die Herzkammer, von der immer neue Ströme des Blutes und der religiösen Missionskraft ins österreichische Land und darüber hinaus ihren Ausgang genommen. Es ist tragisch und nur dem genauen Kenner der kirchengeschichtlichen Zusammenhänge ganz verständlich, warum die religiöse Entwicklung schon seit dem 17. Jahrhundert in der gesamten christlichen Welt eine Richtung annahm, die das liturgische Anliegen als zweitrangig behandelte. Es wäre zu leicht, aus der Perspektive unserer Zeit den Stab über vergangene Generationen zu brechen, oder mit den Kirchenmännern einer Zeit zu rechten, die aus bestimmten Gründen der Manifestation des Glaubens und der Sittenlehre den Vorzug vor dem kultischen Leben geben zu müssen glaubte. Es fällt nicht in den Rahmen dieser Betrachtung, die Entwicklung zur Wende aufzuzeigen. Sicher aber ist, daß die Zeit etwa nach dem ersten Weltkrieg als Weg zur Vertiefung des Christentums die Wiedererweckung des liturgischen Lebens verlangte. Daß in diesem Zusammenhang neben der Tätigkeit der Benediktiner von Beuron und Maria-Laach ganz besonders an das Lebenswerk des unermüdlichen Pius P a r s c h und sein Klosterneuburger Apostolat, an die „volksliturgische“ Bewegung, gedacht werden muß, ist eine Selbstverständlichkeit. Es mag sein, daß die Gesamtstimmung der damaligen Katholikengeneration auch aus weiterliegenden Gründen heraus dieser Tendenz entgegenkam. Nach dem inneren Scheitern und der Krise des extremen Individualismus, der ja auch im Frömmigkeitsleben des vorigen Jahrhunderts seine Spuren eingegraben hatte, erwachte geradezu ein Hunger nach dem Gemeinschaftserlebnis auch in religiöser Hinsicht. Die Zerrformen, die dieses legitime Anliegen überall dort annahm, wo der innerste Mittelpunkt der Gemeinschaft nicht im lebendigen Gott gesucht und gefunden wurde, sondern durch Surrogate und Teilwerte romantischer oder rassebiologischer Art ersetzt ward, sind bekannt. Schon über der damaligen Zeit steht das klare Wort Eliots: „Es gibt keine echte Gemeinschaft, es sei denn im gemeinsamen Lobe Gottes.“ Dadurch gewann das liturgische Anliegen seine fordernde und werbende Kraft. Aber noch war die Zeit zu kurz bemessen, um die nötige Verbindung der liturgischen Bewegung mit der regulären Seelsorge so zu schaffen und auszubauen, wie es sein muß und sein wird. Es war auch wohl in manchen Fällen über das Ziel hinaus geschossen worden. Die Jahre der deutschen Besetzung ließen eine Ausweitung des organisatorischen Rahmens solcher Bestrebungen genau so wenig zu wie eine in großem Maßstab erfolgende systematische Arbeit. Das innere Wachstum aber ging weiter und viele kleine Kreise wurden als liturgische Zentren stille Kraftquellen.

Das Jahr 1945 stellte die österreichische Kirche vor eine neue Situation. Viel stärker als jemals zuvor in der österreichischen Kirchengeschichte mußte durch die Entwicklung die sakrale, aus der sakramentalen Sicht betrachtete Funktion des bischöflichen Hirtenamtes in das Blickfeld des theologischen Denkens und des seelsorglichen Handelns treten. Auch die Pfarrgemeinde und die Aufgabe des Pfarrers hatten ja einen neuen, dem Ursprünglichen näheren Sinn. Die verdienstvolle Arbeit des Wiener Seelsorgeinstituts unter Kanonikus Dr. Rudolf sei in diesem Zusammenhang erwähnt. Es war klar und es ist klar: Es kann in der Kirche keine echte und segensreiche Arbeit geben, die neben dem vom Bischof mit der Sendung beauftragten Klerus herläuft, an ihm vorbeigeht oder sogar in einer gewissen geistigen Opposition verharrt. So wollte P. Raffelsberger mit dem von seiner Abtei unterstützten Institut der hierarchisch gelenkten Entfaltung der liturgischen Erneuerung im Wirkfeld der gesamten regulären Pastoral in Österreich dienen,’ ohne daß deshalb der organischen, freien Entwicklung der liturgischen Bewegung innerhalb der legitimen Grenzen irgendeine Einschränkung auferlegt würde. Das Liturgische Referat der österreichischen Bischofskonferenz, dessen Führung in den Händen des Bischofs und des Bischof-Koadjutors von Linz liegt, begrüßte die 1947 mit diesem Ziel zunächst auf private Initiative P. Raffelsbergers angegangene Sammlung der maßgebenden österreichischen Fachleute, deren Zusammenarbeit im Rahmen des neugegründeten Liturgischen Instituts bald den Charakter der offiziellen österreichischen Liturgischen Kommission vom Gesamtepiskopat erlangte. Als dann im November 1947 die Enzyklika „Mediator Dei“ erschien, bestätigte ihr hierarchischer Akzent nur sehr die Grundlinie dieser hier begonnenen Zusammenarbeit. Daß bei einem so diffizilen und vom verschiedensten Herkommen geprägten Menschenbild, wie es der österreichische Klerus bietet, Schritt für Schritt und mit jener benediktinischen Tugend der „dis- cretio“ gearbeitet werden mußte und muß, leuchtet ein. Es kann sich nur ein Stein auf den ändern setzen. Das periodische Organ für diese Arbeit ist der „Heilige Dienst“, der immer mehr zu einem Ort des Gespräches von Menschen wird, die sich, wie etwa in der letzten, besonders der Sonntagsfeier gewidmeten Nummer, von den verschiedensten Disziplinen her, dem Zentralanliegen nähern.

Und die Atmosphäre, in der dort gearbeitet wird, ist jene Nüchternheit und Klarheit, die auf allen Seiten der benediktinischen Regula zu uns spricht. Es geht nicht um einen hektischen Aktivismus, der heute da und morgen dort vorstößt, sondern um eine stille, oft nur schrittweise vorrückende Kleinarbeit. Eine der vordringlichsten Aufgaben war es, den Wildwuchs der Formen volksliturgischer Meßfeiern einzudämmen und durch klare, aber großzügige Bestimmungen eine organische Entwicklung zu echten Formen und zu einer gesamtösterreichischen Einheit anzubahnen („Meßordnung“ 1947). Neben dem Kontakt mit gleichgerichteten deutschen, französischen und anderen ausländischen Zentren ist inzwischen auch die Sichtung des Tatsächlichen, eine Bestandsaufnahme der heute überall in Österreich gebräuchlichen äußeren Formen der Meßfeier geschehen. Nur so kann man das Bild gewinnen, das nötig ist, um den Seelsorgern zu helfen und den Bischöfen Vorarbeit für Anordnungen zu leisten, die eine größere Vertiefung und kultische Stilreinheit erreichen sollen. Die Hochform der Meßfeier, das Amt (missa cantata) steht heute auch in Österreich in einer Krise. Das Liturgische Institut hat schon vor Jahren eine Schrift hexausgegeben, die seine Verlebendigung durch eine Synthese zwischen wenigen, einfachen, dem Volk zugeordneten Choralweisen und den in legitimer kirchlicher Poly- phonie den Chören zugeordneten Teilen empfiehlt. Daß die Sichtung und halbwegs einheitliche Festlegung des gebräuchlichen Kirchenliedguts — eine Arbeit, bei der uns die Protestanten, vor allem in den angelsächsischen Ländern, weit voraus sind — mit zu diesen Aufgaben gehört, wird jeder verstehen, der immer wieder erleben muß, wie störend und traurig die Uneinheitlichkeit und Zaghaftigkeit unseres deutschen Kirchengesanges wirkt. So wurde von einer fachmusikalischen Sonderkommission der „österreichische Einheitsliederkanon“ geschaffen. Die Zusammenfassung der seelsorgerischen Erfahrungen mit der im vergangenen Jahr versuchsweise von Rom genehmigten Feier des Ostergottesdienstes zur Nachtstunde war eine wichtige, aktuelle und ausgedehnte Arbeit. Die Entscheidung des Vatikans, der ja die Berichte aus aller Welt studieren muß, steht für dieses Jahr noch aus, wird aber wohl sehr bald erfolgen. Die Frage der Brevierreform, die von vielen Welt- priestem immer wieder als sehr drängendes Anliegen zur Sprache gebracht wird, beschäftigt das Institut und die Kommission in gleicher Weise, wie viele praktische Einzelthemen, die dem Laien oft kaum in seinem Alltag sichtbar sind. In der Schriftenreihe „In viam salutis“, die das Institut seit 1950 herausgibt, wird durch bedeutende Autoren von den verschiedensten Ausgangspunkten her die Brücke von der Liturgie zum vollen Leben geschlagen. P. Adalbero Raffelsberger hat das Institut, das sein alle Lebenskräfte verlangendes Werk darstellt, dem großen Leitgedanken unterstellt: Liturgieerneuerung, besser, Liturgie und reguläre Seelsorge aus ihrem scheinbar bestehenden Nebeneinander zu jener großen Einheit zurückzuführen, die Pfarreien und Diözesen als lebendige Familien um den geweihten und weihenden Liturgen, Priester und Bischof, begreift. Die Zeichen unserer Zeit deuten nicht nur auf dieses Ziel hin, man kann fast sagen, daß sie es fordern, dringender als vielleicht je zuvor.

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