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Die katholische Kirche und die Ehescheidung. Einige Klarstellungen.

Eine der großen pastoralen Herausforderungen an die katholische Kirche stellt der Umgang mit der wachsenden Zahl jener Katholiken dar, die nach Scheitern ihrer ersten Ehe und staatlicher Scheidung eine weitere Ehe als Zivilehe eingegangen sind und infolgedessen gewisse Beschränkungen in Bezug auf ihre Rechtsstellung in der Kirche, insbesondere hinsichtlich des Sakramentenempfangs auf sich nehmen müssen.

Bisweilen wird zur Rechtfertigung der kirchlichen Haltung gegenüber geschiedenen Wiederverheirateten gesagt, die Kirche kenne eben keine Scheidung der Ehe dem Bande nach, an dem "Dogma der Unauflöslichkeit" könne sie nicht rütteln, ohne sich selbst dem Vorwurf auszusetzen, dem Gebot Christi "Was Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen" (Mt 19, 6) untreu zu werden.

Lehrentscheidungen

Dazu sind einige Klarstellungen erforderlich. Zunächst ist zu sagen, dass die Unauflöslichkeit der Ehe niemals dogmatisch fixiert wurde, also kein Dogma im eigentlichen Sinn des Wortes darstellt.

Des ungeachtet hat das päpstliche Lehramt zu wiederholten Malen die Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe in voller Deutlichkeit eingeschärft. Unter anderem hat sich auch Papst Pius XII. mit dem ganzen Gewicht seines Amtes dahingehend geäußert, dass der Kirche von Christus her keine Vollmacht zukomme, die Ehe zweier Christen, sofern sie geschlechtlich vollzogen wurde, dem Bande nach zu lösen. Nicht einmal der Papst, also der Stellvertreter ("Vicarius") Christi auf Erden, besitze eine diesbezügliche Kompetenz.

Die Unauflöslichkeit der Ehe ist eine von der Kirche endgültig vorgelegte Lehre im Sinne von c. 750 § 2 des kirchlichen Gesetzbuches, die von den Gläubigen "fest anzunehmen und zu bewahren ist". Wer eine solche Lehraussage der Kirche hartnäckig ablehnt und, nach entsprechender Verwarnung durch den Apostolischen Stuhl oder den Ortsordinarius nicht widerruft, soll mit einer gerechten Strafe belegt werden (c. 1371, 1). Diese Verschärfung des strafrechtlichen Tatbestandes ist erst vor wenigen Jahren erfolgt, nämlich durch die Apostolische Konstitution "Ad tuendam fidem" Johannes Pauls II. vom 18. 5. 1998.

Ungültigkeit bzw. Scheidung

Bei genauerem Zusehen zeigt sich, dass die katholische Kirche durchaus die Scheidung einer gültigen Ehe dem Bande nach kennt, so dass nach durchgeführter Scheidung eine weitere gültige Ehe geschlossen werden kann. Die Frage der Zulässigkeit einer solchen Scheidung ist allerdings davon abhängig, um welche Kategorie von (gültiger!) Ehe es sich handelt. Vorab ein Wort zur begrifflichen Klärung: Es handelt sich im Folgenden nicht um eine im Prozessweg durch ein kirchliches Gericht vorzunehmende Annullierung (Ungültigerklärung) einer Ehe, d.h. um die Feststellung, dass aus bestimmten Gründen (etwa wenn ein Gatte zur Eheschließung gezwungen wurde) eine gültige Ehe gar nie zustande gekommen ist. Diese Frage bleibt hier völlig ausgeklammert.

Scheidung hingegen bedeutet, dass eine Ehe gültig eingegangen wurde, dass aber aus Gründen, die erst nach der Eheschließung aufgetreten sind, eine Lösung dem Bande nach ausgesprochen und den Betroffenen der Abschluss einer gültigen Zweitehe ermöglicht wird.

Lässt die Kirche eine solche Möglichkeit zu? Die Antwort darauf ist ja. Die Kirche lässt in drei Fällen eine solche Scheidung zu. Zunächst bei einer so genannten halbchristlichen Ehe, d.h. wenn einer der Gatten nicht getauft ist. Auch wenn diese Ehe in katholisch-kirchlicher Form, d.h. vor einem Priester (Diakon) eingegangen wurde, ist sie dennoch nicht unauflöslich. Kommt es im Verlauf der Ehe im Zusammenhang mit Glaubens-fragen (etwa wenn der nicht getaufte Partner die freie Religionsausübung des christlichen Gatten und/oder der Kinder behindert), zu erheblichen Spannungen, also zur Zerrüttung der Ehe, dann kann diese Ehe nach kirchlichem Recht geschieden werden. Beide Ehegatten können daraufhin eine gültige Zweitehe eingehen. Dasselbe gilt bezüglich der Ehe von zwei Nichtchristen, wenn einer der Gatten sich im Verlauf der Ehe taufen lässt und es nun u.a. wegen Divergenzen in Glaubensfragen zur Zerrüttung der Ehe kommt (sog. Paulinisches Privileg nach 1 Kor 7, 12-15).

"Vollzug" der Ehe

Aber auch die Ehe von zwei Christen, die, sofern sie gültig geschlossen wurde, auf jeden Fall ein Sakrament ist (c. 1055 § 2), bleibt nicht unter allen Umständen unauflöslich. Und dies sogar angesichts der Aussage von c. 1056, wonach eine der Wesenseigenschaften der Ehe, nämlich die Unauflöslichkeit, "im Hinblick auf das Sakrament eine besondere Festigkeit" erlangt. Wirklich unauflöslich ist die Ehe zweier Christen nämlich erst, nachdem auch die Geschlechtsgemeinschaft der Ehegatten aufgenommen wurde, d.h. wenn die Ehe, wie es heißt, geschlechtlich vollzogen wurde (matrimonium ratum et consummatum). Hierbei spielt es keine Rolle, ob aus der Ehe Kinder hervorgegangen sind oder nicht.

Die Ehe zweier Christen ist nach katholischer Auffassung ein Sakrament, das schon durch den Austausch der ehelichen Willenserklärung vor dem kirchlichen Trauungsorgan (Priester, Diakon) zustande kommt. Die Sakramentalität ist aber, dem Gesagten zufolge, nicht gleichbedeutend mit der Unauflöslichkeit der Ehe. Die Lösung einer "nicht vollzogenen" Ehe von Christen (matrimonium ratum non consummatum) durch eine päpstliche Entscheidung bedeutet nichts anderes als die Scheidung einer gültigen, ja sogar sakramentalen Ehe.

Rechtshistorisch betrachtet ist die heutige Position der katholischen Kirche das Ergebnis eines Kompromisses zwischen zwei mittelalterlichen Rechtsmeinungen, von denen die eine das reine Konsensprinzip vertreten hatte, d.h. schon durch die eheliche Willenserklärung komme die Ehe gültig zustande (consensus, non concubitus facit nuptias), während die andere dem geschlechtlichen Vollzug ehebegründende Wirkung beimaß (concubitus facit nuptias). Papst Alexander III. (1159-81), der selbst ein hervorragender Kanonist war, hat sich für den heute noch geltenden Mittelweg entschieden, wonach zwar der Konsens allein schon ehebegründend ist, aber erst der Vollzug die Unauflöslichkeit der Ehe zur Folge hat.

Im Gefolge dieser Unterscheidung ergeben sich aber einige Verspannungen, die nur schwer verständlich zu machen sind: Voreheliche Geschlechtsgemeinschaft der Ehegatten bedeutet rechtlich ebenso wenig einen "Vollzug" wie die Geschlechtsgemeinschaft der in einer gültigen nichtchristlichen oder halbchristlichen Ehe lebenden Gatten. Erst wenn beide Teile getauft sind, wird die auch bisher schon gültige Ehe (automatisch) zum Sakrament. Der rechtlich relevante "Vollzug" mit Wirkung bezüglich der absoluten Unauflöslichkeit ist aber erst dann gegeben, wenn dieser nach der Taufe des bisher ungetauften Ehegatten stattgefunden hat (Kongregation für die Glaubenslehre: Verfahrensrechtliche Bestimmungen über die Vornahme eines Prozesses der Ehelösung zugunsten des Glaubens, Rom 2001, Art. 1).

Es stellt sich die Frage, was dann der "Vollzug" seitens der in gültiger nichtchristlicher oder halbchristlicher Ehe lebenden Ehegatten bis zum Zeitpunkt der Taufe des bisher Ungetauften war? War das kein "Vollzug" einer Ehe, kein "Einswerden im Fleisch" (c. 1061 § 1) der Ehegatten? Kann der zeitlichen Aufeinanderfolge von Taufe und Vollzug eine so entscheidende Rolle zukommen, wenn die Ehepartner in einer auch nach kirchlichem Recht gültigen, allerdings noch nicht sakramentalen Ehe gelebt haben? Ist also das "timing" zwischen Taufe und Vollzug ausschlaggebend für die Entscheidung über die Frage der Unauflöslichkeit?

Nichtkatholische Kirchen

Von Seiten der Ökumene ist zu sagen, dass die orthodoxen und altorientalischen Kirchen sich zwar grundsätzlich zum göttlichen Gebot der Unauflöslichkeit der Ehe bekennen, dass sie aber unter gewissen Voraussetzungen die Scheidung einer gültigen Ehe und nachfolgende Wiederverheiratung zulassen.

Die evangelischen Kirchen haben Fragen ums rechtsgültige Zustandekommen von Ehen, somit auch allfällige Scheidung und weitere Eheschließung, von vornherein aus ihrer Zuständigkeit ausgeklammert. Die vor dem staatlichen Trauungsorgan geschlossene Ehe (Zivilehe) eines Geschiedenen ist für die evangelische Kirche eine kirchlich gültige Ehe. Eine evangelisch-kirchliche Trauung ist daher nicht, wie im katholischen Kirchenrecht, konstitutiv für die Gültigkeit der Ehe, sondern bedeutet im Grunde genommen (nur mehr) die Segnung einer bereits vor dem Standesbeamten gültig eingegangenen Ehe (deklarativ).

Erforderliche Klarheit

Im Interesse der Klarheit und Wahrhaftigkeit sollte eine von übertriebenem apologetischem Eifer diktierte Aussage vermieden werden, wonach die katholische Kirche keine Scheidung der Ehe dem Bande nach kenne. Sie kennt diese sehr wohl und lässt sie nur dann nicht zu, wenn es sich, wie bereits gesagt, um eine geschlechtlich vollzogene Ehe zweier Christen (matrimonium ratum et consummatum) handelt. Allerdings ist eine stichhaltige theologisch-rechtliche Begründung für den Stellenwert des "Vollzugs", dass nämlich die Unauflöslichkeit der sakramentalen Ehe letztlich davon abhängig ist, ein bis heute unerfüllter Wunsch geblieben.

Der Autor ist emeritierter Professor für Kirchenrecht an der Kath.-theol. Fakultät der Universität Wien.

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