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"Unbefleckte Empfängnis Mariens": Das schwer verständliche Dogma

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Vor 150 Jahren verkündete Papst Pius IX. das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis Mariens. Über seine historischen und biblischen Wurzeln.

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Vor 150 Jahren verkündete Papst Pius IX. das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis Mariens. Über seine historischen und biblischen Wurzeln.

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Ineffabilis deus - Unaussprechlicher Gott": Mit der Bulle dieses Namens definierte Papst Pius IX. am 8. Dezember 1854 feierlich die Unbefleckte Empfängnis der Jungfrau Maria als Teil des katholischen Glaubens. Aus der Sicht des 21. Jahrhunderts ist man in der Versuchung, pointiert zu formulieren: Durch "Unaussprechlicher Gott" scheint ein dem modernen Menschen eher unverständliches Dogma verkündet worden zu sein. Immerhin verwechseln nicht wenige Zeitgenossen das Fest vom 8. Dezember mit dem 25. März, dem Fest der Empfängnis Jesu. Diese Verwechslung ist so häufig, dass hiervor sogar neuere theologische Lexika warnen. Daher ist es sinnvoll, anlässlich des Jubiläum die historischen, wenn auch nicht biblischen Wurzeln dieser dogmatischen Erklärung in Erinnerung zu rufen. Der - katholische - Glaubenssatz von der Unbefleckten Empfängnis, besagt, dass Maria - natürlich als Kind ihrer Eltern geboren -, im Augenblick ihrer Empfängnis durch Gottes Gnade von der Erbsünde befreit blieb.

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Maria ist - neben Johannes dem Täufer und Jesus - eine der drei biblischen Personen, bei denen nicht nur die Geburt, sondern auch ein Tag der Empfängnis in der Tradition begangen wird. Hier fällt auf, dass im römisch-katholischen Festkalender das Fest der Unbefleckten Empfängnis Mariens (8. Dezember) ein Hochfest ist, während das neun Monate später am 8. September gefeierte Geburt Mariens nur als Fest gereiht ist. Im Gegensatz dazu ist die liturgische Bedeutung der Empfängnis Jesu (25. März, "Maria Verkündigung") viel geringer als die seiner Geburt.

Kirchliche Bedeutung der Empfängnis

Die Empfängnis des Johannes wird heute in der westlichen Überlieferung nicht gefeiert. Unter dem Einfluss der byzantinischen Tradition, die ebenso wie die koptische Überlieferung dieses Fest am 23. bzw. 24. September begeht, war dieses Fest teilweise im Mittelalter im süddeutschen Raum beheimatet, nach dem Konzil von Trient verschwand das Fest jedoch aus dem Kalender der römischen Kirche, während noch heute die Geburt Johannes des Täufers am 24. Juni gefeiert wird. Ganz deutlich kommt bei diesem Vergleich die Bedeutung zum Vorschein, welche die katholische Kirche der Empfängnis der Maria beimisst.

Das Neue Testament überliefert keine Hinweise auf eine Empfängnis der Maria, sie tritt als junge Frau in Erscheinung - altkirchlicher Überlieferung nach war sie zu diesem Zeitpunkt zwischen 12 und 15 Jahre alt -, der die wunderbare Geburt ihres Erstgeborenen vom Engel verkündet wird (Lk 1,26- 38). Das Neue Testament legt den Schluss nahe, dass diese Frau neben Jesus vier namentlich erwähnte Söhne und mindestens zwei Töchter hatte (vgl. Mk 6,3-4, wo die Namen der vier Brüder Jesu mit Jakobus, Joses, Judas und Simon angegeben sind, während nur erwähnt wird, dass Jesus Schwestern hatte. Bei Mt 13,54-58 findet sich die Parallelstelle, der Name des Joses ist dort mit Josef überliefert).

Dieser knappe biblische Befund wird dann in der kirchlichen Überlieferung gedeutet. Eine der ältesten und einflussreichsten Quellen hierfür ist das so genannte Protevangelium Jacobi. Es wird auch als "Geburt der Maria - Offenbarung des Jakobus" bezeichnet. Dieser apokryphe Text, wohl um die Mitte des zweiten Jahrhunderts verfasst, wurde nach dem Schlusswort von einem Jakobus verfasst, der sich selbst als Bruder Jesu darstellen will. Dieser Text erwähnt erstmals die im Neuen Testament nicht bezeugten Namen der Eltern der Maria - Joachim und Anna, er ist auch der erste Zeuge für die Geburt Jesu in einer Höhle, wie sie sich in vielen Krippendarstellungen findet.

Brüder oder Kusins Jesu?

Nach dieser Erzählung erging es Joachim und Anna wie den Eltern Johannes des Täufers: Sie können keine Kinder bekommen. Nach inständigem Gebet erscheint der Anna ein Engel und verkündet ihr die Geburt eines Nachkommens. Sie verpflichtet sich, dieses Kind - ob Mädchen oder Knabe - dem Herrn als Opfergabe darzubringen und es zum Dienst am Herrn zu verpflichten. Im Verlauf der Erzählung heißt es, dass das Kind - ein Mädchen - im Alter von drei Jahren in den Tempel gebracht wurde, wo es aufwuchs. Mit 12 Jahren soll es vermählt werden, und alle Witwer des Volkes werden versammelt. Ein Wunder ermittelt Josef als den, den Gott als Marias Bräutigam erwählt hat, dieser versucht sich der Vermählung mit den Worten zu entziehen: "Ich habe schon Söhne und bin alt, sie aber ist ein junges Mädchen. Ich fürchte, ich werde zum Gelächter für die Söhne Israels!"

Nach östlicher Tradition war Jesus zwar das einzige Kind der Maria. Der greise Witwer Josef brachte jedoch Kinder aus erster Ehe mit in die Beziehung zu Maria.

In diesem Satz liegt der Schlüssel, warum diese Erzählung in den ostkirchlichen Traditionen relativ beliebt und unumstritten ist, während der Text in der katholischen Überlieferung auf Ablehnung stößt. Nach der westlichen Sicht war Josef selbst jungfräulich - es sei nur auf die vielen Darstellungen dieses Heiligen mit einer weißen Lilie verwiesen.

Jesu Geschwister, von denen das Neue Testament berichtet, müssen deswegen Kusinen und Kusins gewesen sein. Hier muss allerdings auf das Neue Testament verwiesen und die Frage gestellt werden, warum dann Elisabet nur als "Verwandte der Maria" bezeichnet wird (Lk 1,36), wenn es, wie die katholische Interpretation dieser Stelle voraussetzt, tatsächlich üblich sein sollte, auch entferntere Verwandte als Brüder und Schwestern zu bezeichnen. Immerhin ist der verwendete griechische Begriff Bezeichnung einer Blutsverwandtschaft.

Nach östlicher Tradition war Jesus zwar das einzige Kind der Maria. Der greise Witwer Josef brachte jedoch Kinder aus erster Ehe mit in die Beziehung zu Maria. In der östlichen Tradition nimmt die Gottesmutter generell eine wichtige Stellung ein. So nimmt es nicht wunder, dass der orthodoxe Theologe Photios von Konstantinopel im 9. Jahrhundert die Geburt der Maria als außergewöhnlich bezeichnet.

Im Osten wurde lange Zeit das Datum der Befreiung Marias von der Erbsünde diskutiert, zur Debatte stand, ob dies erst kurz vor dem Besuch des Engels bei ihr oder bereits bei ihrer Geburt oder sogar kurz, nachdem Anna die Maria empfangen hatte, stattfand. Eine mit der katholischen Definition vergleichbare dogmatische Festlegung fand nicht statt.

Für den Westen war letztlich die theologische Lehre von der Erbsünde, wie sie sich bei Augustinus findet, ein wichtiges Hindernis für die dogmatische Herausbildung der Vorstellung einer Unbefleckten Empfängnis der Maria, da eine Zeugung Marias durch Joachim und Anna bei gleichzeitiger Freiheit von der Erbsünde unmöglich schien. Nach Augustinus ist die Weitergabe der Erbsünde durch die Libido bei der Zeugung untrennbar mit dem Geschlechtsakt verbunden. Und damit kann kein Mensch von der Erbsünde rein sein, der durch einen normalen Geschlechtsakt gezeugt wurde.

Sündige Fleischeslust

Da ist es eigentlich nur verständlich und folgerichtig, wenn Papst Leo der Große im 5. Jahrhundert davon spricht, dass allein Jesus unter den Menschenkindern sündenlos zur Welt kam, weil er allein ohne die Befleckung von fleischlicher Sinnenlust empfangen worden war. Ein Glaube an eine Unbefleckte Empfängnis der Mutter Jesu lässt sich im Abendland in den ersten acht Jahrhunderten nicht nachweisen.

Im Mittelalter gab es scharfe Streitigkeiten zwischen den einzelnen theologischen Schulen, die entweder die unbefleckte Empfängnis der Maria befürworteten oder ablehnten. Noch im 16. Jahrhundert nimmt dasKonzil von Trient eine unparteiische Stellung und verbietet den Anhängern der jeweiligen Lager, die anderen des Irrglaubens zu bezichtigen. Pius IX befragte 1849 den katholischen Episkopat mit einer Enzyklika nach der Meinung hinsichtlich dieser Lehre. Von den 603 befragten Bischöfen befürworteten 546 diese Glaubenslehre, die durch die Bulle Ineffabilis Deus am 8. Dezember 1854 feierlich definiert wurde.

Abschließend wird man festhalten müssen, dass gerade die Verbindung der Erbsündenlehre mit einer Abwertung der geschlechtlichen Prägung des Menschen, wie sie sich bei Augustinus und anderen findet, dieses Dogma heute eher schwer verständlich macht.

Der Autor forscht als APART-Stipendiat der Österr. Akademie der Wissenschaften in der Papyrussammlung der Nationalbibliothek.

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