Unbequeme Mahnerin vor dem Vergessen

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Sie war die letzte des Dreigestirns, das hierzulande die antijüdischen Sümpfe des Katholizismus trockenlegte: Friedrich Heer, der leidenschaftliche Aufdecker des christlichen Antijudaismus, war schon 1983 gegangen. Der Begründer der Judaistik als akademische Disziplin, Kurt Schubert, verstarb 2007. Nun ist ihnen Erika Weinzierl gefolgt. Alle drei entstammten der Wiener Katholischen Hochschulgemeinde, Karl Strobl und Otto Mauer waren die Priestergestalten, die auch Erika Fischer kurz vor und nach Kriegsende prägten. 1949, ein Jahr nach Studienende, heiratete Fischer den Physiker Peter Weinzierl. Sie kämpfte in Kirche und Land für die Überwindung des Antisemitismus, gemeinsam mit Schubert und Mauer formulierte sie für die Wiener Diözesansynode 1969/71 die heute noch klarste Verurteilung des Antisemitismus im kirchlichen Bereich. Aus 1969 datiert auch ihr populärstes Buch, "Zu wenig Gerechte" über den österreichischen Widerstand gegen die Hitlerei - der Titel bringt ihre Einschätzung jener Zeit auf den Punkt. Erika Weinzierl war auch eine Titanin des Wissenschaftsbetriebs, sie dominierte über Jahrzehnte die Zeitgeschichtsforschung - und behauptete sich in der Männerbastion Universität. Schon 1967 erhielt sie eine Professur in Salzburg, 1979 bis 1995 hatte sie den entsprechenden Lehrstuhl an der Universität Wien inne.

Weinzierl, die einmal selbst am ÖVP-Programm mitgearbeitet hatte ,eckte im konservativen Lager als unbequeme Mahnerin wider ewiggestriges Gedankengut an. Sie trat öffentlich gegen Jörg Haider und seine Ideenwelt auf. Als VP-Chef Wolfgang Schüssel schon 1995 eine Koalition mit der FPÖ andachte, trat sie aus der Partei aus. Österreichs Zeitgeschichteforschung, die kirchliche Geschichtsschreibung des 20. Jahrhunderts, das Erinnern an den NS-Widerstand und das Mahnen vor dem Aufflackern des Rechtsextremismus gehören zum Vermächtnis dieser großen Tochter Österreichs. In den letzten Jahren wurde es still um Erika Weinzierl, ihre letzten Beiträge für die FURCHE stammen aus 2002, markieren aber wesentliche Eckpunkte ihres Engagements: Sie erinnerte sich da ans Mariazeller Manifest 1952, die wegweisende Standortbestimmung einer "freien Kirche in einer freien Gesellschaft". Wenige Wochen später thematisierte sie einmal mehr kirchliche Versäumnisse, als sie zur Rolle des Papstes im Zweiten Weltkrieg meinte: "Dennoch bleibt die nicht nur Katholiken bis heute noch quälende Frage: Warum hat Pius XII. geschwiegen? Warum wurde das Volk der Bibel allein gelassen?"

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