Unsere gemeinsame Hoffnung

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Gott ist dem Bund mit Israel immer treu geblieben, und die Juden haben trotz aller furchtbaren Geschehnisse dieser Jahrhunderte ihren Glauben an Gott bewahrt. (Papst Franziskus)

"Die Jahrhunderte lange Verfolgung der Juden durch Christen macht es notwendig", stellte Metropolit Michael Staikos 1999 fest, damals Vorsitzender des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ),"dass auf dem Weg der Buße und der Neubesinnung eine Haltung gegenüber den Juden heranreift, die dem Evangelium entspricht". Dazu trägt der "Tag des Judentums" in Österreich seit dem Jahr 2000 als Besinnungstag für Christinnen und Christen bei. Am 17. Jänner jedes Jahres, dem Vortag der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen, feiern alle Kirchen ihre Verwurzelung im Judentum und die Weggemeinschaft mit Gottes Bundesvolk als gemeinsame Basis - das Pauluswort erinnernd: Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich (Röm 11,18).

Seitdem ist dieser Tag fest etabliert mit einer wachsenden Resonanz. Dieses Jahr finden ökumenische Gottesdienste und Veranstaltungen in Graz, Linz, Salzburg, St. Pölten, Wien sowie in weiteren Orten statt. Das Grazer Komitee für christlich-jüdische Zusammenarbeit hat soeben eine Arbeitshilfe zur liturgischen Gestaltung und Feier des Tages des Judentums publiziert, um möglichst viele Gemeinden bei der Feier zu unterstützen.

Der offizielle Gottesdienst, zu dem der ÖRKÖ in Wien einlädt, wird dieses Jahr in der altkatholischen Heilandskirche in Wien 15 gefeiert und steht unter dem Psalmwort: Herr, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen. Deine Gerechtigkeit steht wie die Berge Gottes und dein Recht wie die große Tiefe. HERR, du hilfst Menschen und Tieren (Ps 36,6-7).

Der "Tag des Judentums" ist ein Gedenktag

"Heute ist der Tag des Judentums zum bußfertigen Gedenken an die jahrhundertelange Geschichte der Vorurteile und Feindseligkeiten zwischen Christen und Juden", steht im Direktorium der österreichischen katholischen Diözesen und Ordensgemeinschaften. Ausgehend vom Schuldbekenntnis der Kirchen geht es um deren Umkehr und Erneuerung.

Im so vielschichtigen Gedenkjahr 2018 ist es hilfreich, am Beginn des Jahres mit dem "Tag des Judentums" einen Tag des Gedenkens zu haben, der die Vorgeschichte so mancher Ereignisse des Jahres 1938 zum Thema macht. Die traditionelle "Lehre der Verachtung" gegenüber dem jüdischen Volk und die damit legitimierte gesellschaftliche Abwertung von Juden war ein furchtbar fruchtbarer Boden für Antisemitismus und Judenfeindschaft mit dem Tiefpunkt der Schoa.

In Gemeinden, die keine jüdischen Bürger und Bürgerinnen mehr haben oder in deren Umgebung sich ein jüdischer Friedhof befindet, wäre es naheliegend, die Hintergründe für deren "Verschwinden" zu thematisieren.

Der "Tag des Judentums" ist ein Lerntag

Unter den vielfältigen kirchlichen Gedenkinitiativen, die lokale Gegebenheiten und Ereignisse aufgreifen, ist jene der "Vernetzten Ökumene Wien West" mit Elisabeth Lutter und ihrem Team 2017 mit dem ersten Ökumene-Preis der katholischen und evangelischen Kirchen ausgezeichnet worden. Zur Einstimmung auf den "Tag des Judentums" veranstaltet sie jedes Jahr am Vorabend eine gemeinsame christlich-jüdische Gedenkstunde jeweils in einem anderen Bezirk Wiens, dieses Jahr im Gedenken an das jüdische Gebetshaus in Hernals. Ihre Erfahrungen bilden die Grundlage für einen Leitfaden zur Gestaltung dieser Gedenkstunden. Dieser dient der "Förderung von Frieden und geistlicher Ökumene, besonders durch das Gespräch und die Vertrauensbildung zwischen Christen und Juden; nach der Katastrophe der Schoa eine bleibende Aufgabe für die christlichen Kirchen", wie die Pastoraltheologin Regina Polak in ihrer Laudatio hervorhob.

Der "Tag des Judentums" trägt dazu bei, den spirituellen und theologischen Reichtum Israels als Fundament des eigenen Glaubens neu zu entdecken. "Die jüdische Religion ist für uns nicht etwas 'Äußerliches', sondern gehört in gewisser Weise zum 'Inneren' unserer Religion. Ihr seid unsere bevorzugten Brüder, und, so könnte man gewissermaßen sagen, unsere älteren Brüder", betonte schon Johannes Paul II. Es geht darum, das Judentum als Teil der christlichen Identität wertzuschätzen, es aber dennoch in seiner Andersheit wahrzunehmen und nicht für die christliche Selbstfindung zu vereinnahmen. Die Wertschätzung verbindet sich mit Dankbarkeit, die Papst Franziskus in seinem Brief an Scalfari begründet: "Gott ist dem Bund mit Israel immer treu geblieben, und die Juden haben trotz aller furchtbaren Geschehnisse dieser Jahrhunderte ihren Glauben an Gott bewahrt. Dafür werden wir ihnen niemals genug danken können."

Zum Entdecken des Jüdischen gehört ein veränderter Zugang zur Bibel. Zu verlernen wäre die sachwidrige, aber folgenreiche Polarisierung "Gesetz oder Evangelium", womit die Hebräische Bibel entwertet und das Neue Testament als überlegen bewertet wird. Im Gebet am Schabbat heißt es: "Wir freuen uns und sind allezeit fröhlich über die Worte deiner Weisung (Tora), deiner Gebote und deiner Satzungen, denn sie sind unser Leben und unsere Lebenszeit." Zu lernen wäre für Christinnen und Christen, die Bibel zuerst als ein Buch von Juden für Juden wahrzunehmen, "denn die jüdische Lesung der Bibel stellt eine mögliche Leseweise dar [...]. Auf dem konkreten Feld der Exegese können die Christen [...] viel von der jüdischen Exegese lernen", stellte die päpstliche Bibelkommission 2001 fest. So regt das Schweizerische Katholische Bibelwerk mit seinem dreibändigen, an den Lesejahren orientierten Werk "Damit sich die Schrift erfüllt " an, die Sonntagsevangelien als jüdische Texte zu lesen. Mit welchen Widerständen dabei zu rechnen ist, zeigen die jüngsten Proteste rechtsnationaler Kreise, nur weil sich die überarbeitete Einheitsübersetzung 2016 um eine stärkere Orientierung am hebräischen Originaltext bemüht.

Zwischen Jerusalem und Rom

Zum Jüdischen im Christentum gehören jedenfalls das Bekenntnis des beziehungshaften Gottes sowie der ethische Anspruch der Religion. Am 17. Jänner wird in der Grazer Stadtpfarrkirche mit dem Psalm 146 der Lobpreis des Ewigen gebetet, dem Helfer der Armen, der die Fremden beschützt und den Waisen und Witwen aufhilft (V. 9). Diese jüdische Hoffnung teilen als "unsere gemeinsame Hoffnung" auch Christinnen und Christen.

Die rabbinische Erklärung "Zwischen Jerusalem und Rom", deren Übersetzung am 26.10.2017 Kardinal Schönborn übergeben worden ist, schließt mit den Worten: "Wir suchen nach zusätzlichen Möglichkeiten, die uns in die Lage versetzen, gemeinsam die Welt zu verändern: Gottes Wegen zu folgen, die Hungrigen zu speisen, die Nackten zu kleiden, Witwen und Waisen Freude zu bringen, den Verfolgten und Unterdrückten Zuflucht zu bieten und uns damit Seiner Wohltaten würdig zu erweisen." Das widerspricht der jetzigen gesellschaftlichen und politischen Dynamik in Österreich. Daher wäre es wichtig, dem Wunsch nach jüdisch-christlicher Zusammenarbeit zu entsprechen, "solange das Zündholz brennt"(Schönborn).

Tag des Judentums

Unterlagen, Veranstaltungen

"Informationen - Feiermodelle -Materialien, hg. von Peter Ebenbauer et al., Kath.-Theol. Fakultät Graz, 2017. Das Heft kann beim Grazer Komitee für christl.-jüd. Zusammenarbeit bestellt werden (lk.graz@christenundjuden.org) "Damit sich die Schrift erfüllt Die Sonntagsevangelien als jüdische Texte lesen", hg. vom Schweizerischen Kath. Bibelwerk, Paulus Verlag 2017. VERANSTALTUNGEN (u.a., genauere Infos: www.christenundjuden.org):

Wien: Mi. 17. Jänner, 18 Uhr, Altkatholische Heilandskirche (1150 Wien, Rauchfangkehrergasse 12), Predigt: Oberkirchenrätin A.B. Ingrid Bachler.

Graz: Mi. 17. Jänner, 19 Uhr, "Unsere gemeinsame Hoffnung", Stadtpfarrkirche (Herrengasse 23), Predigt: Univ. Prof. Martin Jäggle, Koordinierungsausschuss f. christl.-jüd. Zusammenarbeit.

Salzburg: Mo. 15.1., 15 Uhr, "Gerechtigkeit als Anspruch", Vortrag &Diskussion mit Michel Bollag &Christian Rutishauser SJ (Kath.-Theol. Fakultät), 18.15: christl.-jüd. Gebet im Sacellum.

Linz: Do. 18.1., 19 Uhr, "Ist die christliche Leseweise des Alten Testaments antijüdisch?", Vortrag von Univ.Prof. Franz Hubmann (Kath. Privatuniv.).

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