Unsere Gesellschaft leidet an platter Diesseitigkeit

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Wär er nicht erstanden, so wär die Welt vergangen", heißt es in dem bekannten alten Osterlied. Aber die überlieferten Worte lösen heute Verlegenheit und Ratlosigkeit aus, obwohl Hoffnung über den Tod hinaus ein Grundelement aller Religionen ist. "Die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube", gestand schon Goethes Faust.

In der Neuzeit ist die Vorstellung einer allgemeinen Totenauferstehung und eines Jüngsten Gerichts wie überhaupt jede sinnliche Hoffnung auf ein Jenseits oder ewiges Leben ins Wanken geraten. Inzwischen wagen es selbst die kirchliche Verkündigung und die wissenschaftliche Theologie nur noch ganz verhalten, von einer individuellen Hoffnung über den Tod hinaus zu sprechen. Die traditionelle Vorstellungswelt eines ewigen Lebens, deren Bilder als gar zu naiv erscheinen, kommt in Predigten praktisch nicht mehr vor, und auch über die Dogmatik ist die "Nacht der Bildlosigkeit" (Emanuel Hirsch) hereingebrochen.

Religionskritik mag die christliche Auferstehungshoffnung als bloßes Wunschdenken abtun, das der Härte des Todes ausweicht. Vielleicht ist aber die moderne Idee des natürlichen Todes, nach dem nichts mehr kommt, viel illusionärer, weil sie krampfhaft versucht, den Tod mit dem Glück zu versöhnen. Unsere Gesellschaft leidet an einer platten Diesseitigkeit.

Um den Sinn der Osterbotschaft zu verstehen, ist es notwendig, sich den Unterschied zwischen unserem Sterben und dem Tod selbst bewusst zu machen. "Mit dem Sterben fertigwerden", so hat Dietrich Bonhoeffer notiert, "bedeutet noch nicht mit dem Tod fertigwerden. Die Überwindung des Sterbens ist im Bereich menschlicher Möglichkeiten, die Überwindung des Todes heißt Auferstehung. Nicht von der ars moriendi, sondern von der Auferstehung Christi her kann ein neuer reinigender Wind in die gegenwärtige Welt wehen."

Ulrich H. J. Körtner ist Professor für Systematische Theologie H.B. an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.

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