Unversöhnlicher Kämpfer für die "Partei Gottes"

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Die Sicherheitsleute staunen: Im eigenen Wagen fährt das Fernsehteam an den Eisentoren des Hisbollah-Hauptquartiers im Beiruter Stadtteil Haret Hreik vor. Die übliche Fahrt in einer Limousine mit schwarzen Scheiben ist als Zeichen besonderen Vertrauens unterblieben. Dann aber bleiben kein Kugelschreiber und keine Gürtelschnalle ununtersucht.

Nicht erst seit Kampfflieger sein Hauptquartier zerstört haben, muss Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah auf der Hut sein. Das war auch schon so, als er dem orf vor einem Jahr eines seiner seltenen Interviews gewährte. Der Chef der "Partei Gottes" gilt Israelis wie Amerikanern als gefährlicher Terrorist. Sein Vorgänger, Abbas al-Musawi, starb 1992 bei einem israelischen Hubschrauberangriff.

Zum Interview nimmt Nasrallah vor der gelben Hisbollah-und der grünen Libanon-Fahne Platz und demonstriert damit Patriotismus. Kritikern, die ihm vorwerfen, aus Teheran Geld, Waffen und Befehle zu empfangen, soll der Wind aus den Segeln genommen werden. Im Gespräch selbst wirkt er ruhig und überlegt. Er argumentiert kundig aus dem Koran, unterstreicht das Verbot der Tötung von Zivilisten und verurteilt die Terroranschläge von New York, London und Bagdad. Im Gespräch über Israel aber zeigt er sich unerbittlich. Schon der Name kommt ihm nicht über die Lippen, stattdessen spricht er vom "besetzten Palästina". Weil er Israel keinerlei Existenzrecht zuspricht, ist für ihn auch eine Zwei-Staaten-Lösung vollkommen undenkbar. Er fordert einen "gemeinsamen Staat der Muslime, Juden und Christen".

Hassan Nasrallah wurde 1960 als Sohn eines Gemüsehändlers in Beirut geboren. Eigentlich wollte er Rechtsgelehrter werden. Er studierte zunächst im iranischen Nadjaf, wo er Abbas al-Musawi traf, später in Qum. Als Israel 1982 im Südlibanon einmarschierte, wurde er Mitglied der Hisbollah, die sich im Widerstand gegen die Besatzer formiert hatte. 1992 wurde er zum Nachfolger seines Freundes al-Musawi gewählt.

Seither kam von Nasrallah kein Versöhnungssignal. Den Abzug der Israelis im Jahr 2000 interpretierte er als Sieg, Auseinandersetzungen um die von Israel beanspruchten Sheba-Farmen nahm er als Vorwand für weitere Aufrüstung. Die Hisbollah betreibt Krankenhäuser, Bildungs-und Sozialeinrichtungen und ist nicht aus dem öffentlichen Leben wegzudenken. Aber die von der uno erhobene Forderung, die Kämpfer zu entwaffnen, prallte an der "Partei Gottes" stets ab.

Das Drehbuch des Konflikts wird in Damaskus und Teheran mitgeschrieben. Dass Israel die Provokationen durch Raketenangriffe und Soldaten-Entführungen nicht hinnehmen würde, muss Nasrallah klar gewesen sein. Sein Kalkül ist nachvollziehbar: Eine "gezielte Tötung" würde ihn zum Märtyrer machen. Schon als sein ältester Sohn im Alter von 18 Jahren im Kampf gegen Israel fiel, verbat er sich jegliche Trauer. Die Botschaft der Märtyrer aber ist mächtig. Was immer die militärische Überlegung aus Sicht der Israelis sein mag: Aus dem Hass, der jetzt gesät wird, wird sich unschwer eine neue Generation von Hisbollah-Kämpfern rekrutieren lassen. Und der gefährliche Posten des Hisbollah-Generalsekretärs dürfte im Fall des Falles nicht lange vakant bleiben.

Christian Rathner

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