"Ursprünglich war ich sogar für Schwarz-Blau"

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die furche: Herr Vizebürgermeister Görg, bundesweit sind Sie vor allem durch Ihre Ablehnung der schwarz-blauen Koalition bekannt geworden. Wie sehr, glauben Sie, wird Ihnen diese Haltung bei der Wien-Wahl am 25. März nützen oder schaden?

Bernhard Görg: Ich wage keine Beurteilung, und auch die Meinungsforschung bietet kein klares Bild, ob meine Haltung uns eher schadet oder nützt. Sicher ist nur, dass in Wien die Skepsis gegen Schwarz-Blau stärker ausgeprägt ist als im restlichen Österreich. Aber ich lege Wert auf die Feststellung, dass meine Ablehnung keine taktisch motivierte Ansage war.

Ich war sogar ursprünglich - als ich vor acht Jahren in die Politik eingestiegen bin - ein Befürworter von Schwarz-Blau. Damals habe ich gemeint, es würde Wien gut tun, einen bürgerlichen Bürgermeister zu bekommen. Aber bei meinen Erfahrungen mit den Freiheitlichen musste ich erleben, dass es mit denen nicht geht. Die sind einfach keine Partner. Und immer wieder - ich sage jetzt nicht, dass die Freiheitlichen Nazis sind - ist da ein mehr oder weniger deutliches Anstreifen an die braune Ideologie. Das stört mich zutiefst, und da fühle ich mich persönlich herausgefordert. Außerdem geht mir der hemmungslose Populismus der Freiheitlichen, den ich in Wien nach wie vor erlebe, auf die Nerven. Wobei ich gleichzeitig anerkenne, dass die FPÖ auf Bundesebene sich bis jetzt weniger populistisch verhalten hat, als ich das damals erwartet und befürchtet habe.

die furche: Vorausgesagt wurde die "Mutter aller Schlachten". Eingetreten ist ein Wahlkampf, der unspektakulär vor sich hin köchelt. Woran liegt das?

Görg: Ich schmeichle mir, immer vorausgesagt zu haben, dass in Wien nicht die "Mutter aller Schlachten" stattfinden wird. Das war ganz klar. Erstens, in Wien funktioniert alles sehr gut. Die Menschen hier sind mit ihrer Stadt zufrieden. Es gibt keine großen Wien-Themen, bei denen man sich mit Schmutz bewerfen könnte. Selbst das Ausländer-Thema, das immer eine bestimmte Relevanz hat, reicht nicht um die große Schlacht zu machen. Zum Zweiten ist die FPÖ im Abwind. Und die Freiheitlichen haben immer das populis-tische Element der ganz groben Ansagen gepflegt. Aber die bringen das jetzt nicht mehr rüber.

die furche: Laut VP-Wahlkampagne ist Rot-Grün die wahre Bedrohung für Wien. Fürchten Sie wirklich das Chaos?

Görg: Rot-Grün ist einfach eine Bedrohung für Wien. Das sagen wir klipp und klar. Nicht, dass das Chaos kommen wird. Das ist völlig lächerlich. Rot-Grün bedeutet nicht Chaos, aber doch eine Verschlechterung zum jetzigen Zustand.

die furche: Auf wen zielt Ihre Kampagne? Lässt sich der Wiener ÖVP-Wähler noch unter dem schwammigen Begriff "bürgerlich" subsumieren?

Görg: Der Wiener ÖVP-Wähler kommt aus einem sehr heterogenen Publikum. Sie haben auf der einen Seite den sehr stark konservativ und christlich-sozial geprägten Menschen, der ein großes Schutzbedürfnis gegenüber dem Staat hat und mit Privatisierung nur wenig anfangen kann. Auf der anderen Seite gibt es den eher wirtschafts- und leistungsorientierten Vertreter, für den die Überbürokratisierung, Übernormierung und Überregulierung eines der größten Probleme ist. Ich habe daher schon vor langem die Entscheidung getroffen, dass es als Parteiobmann keinen Sinn hat, danach zu schielen, wem ich da jetzt mehr oder weniger weh tue. Ich gehe nach meinen Überzeugungen. In vielen Fragen bin ich ein sehr liberaler Mann. Zum Beispiel in der Kulturfrage - und da habe ich Gott sei Dank einen Kulturstadtrat, der diese Einstellung mit mir teilt. In Wirtschaftsfragen bin ich leis-tungsorientiert. In einer Reihe von gesellschaftspolitischen Fragen wiederum, habe ich eine sehr konservative Einstellung. Ich komme gerade von einem Chat beim Kurier, wo ich pausenlos gefragt wurde, warum ich nicht für die Ehe von Homosexuellen eintrete. Da sage ich unmissverständlich, dass für mich eine derartige Abwertung des Instituts Ehe nicht in Frage kommt. Und auch in der Drogenfrage bin ich eher ein Hardliner.

die furche: In der Ausländerfrage reden Sie einer integrativen, statt einer multikulturellen Gesellschaft das Wort. Was heißt das konkret?

Görg: Ich lehne eine Gesellschaft ab, in der unsere Kultur gleichberechtigt neben anderen Kulturen lebt. Das kann nur funktionieren, wenn man sich klar zur Segregation bekennt. Sprich, dann gibt es eben China-Town, Turkish-Town, Italien-Town, ... Wien ist aber nicht groß genug für solche Enklaven. Dabei rede ich nicht von reiner Assimilation. Doch Integration bedeutet für mich bis zu einem gewissen Grad eben auch Assimilation. Wichtig ist, dass sich aus dieser andauernden Integration eine neue Kultur entwickelt.

Wir hätten nicht diese heutige Kultur, wenn nicht die Böhmen und andere vor hundert und mehr Jahren nach Wien gekommen wären. Die haben sich angepasst und dieser unserer Kultur in der Anpassung neue Farbtupfer verliehen. Dadurch hat sich diese Kultur weiterentwickelt. Ich sage auch nicht, dass unsere Kultur ewig so bleibt, wie sie ist. Unsere Kultur entwickelt sich weiter, aber eben in einer integrativen Form. Das bedeutet, damit unsere Kultur im Wesentlichen so bleiben kann wie sie ist, muss sie von außen viele Impulse kriegen.

die furche: "Es muss sich viel ändern, damit alles so bleiben kann, wie es ist." Mit diesem Lampedusa-Zitat beschließen Sie auch Ihre Wahlbroschüre. Was müsste sich in einer zukünftigen Regierung ändern, damit in Wien alles so bleiben kann - sprich Rot-Schwarz - wie es ist?

Görg: Selbstverständlich muss sich eine Reihe von Dingen ändern. In der Ressortverteilung bestehen, wahrscheinlich aus gegenseitigem Misstrauen heraus, sehr viele Doppel- und Dreifachgleisigkeiten. Da kann noch viel mehr Effizienz in Form einer völligen Neugestaltung des Stadtsenats hineinkommen. Ich kann mir auch einen wesentlich größeren koalitionsfreien Raum als bisher vorstellen. Aber in wesentlichen Budget- und gesellschaftspolitischen Fragen kann das nicht funktionieren. Wir regieren zwar gern, und ich regiere auch gern, aber ich gehe in keine Regierung, wo ich weiß, in vielen Punkten werde ich dann unter dem Titel koalitionsfreier Raum überstimmt.

Das Gespräch führte Wolfgang Machreich.

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