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Vater des Abendlandes

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BENEDIKTUS - LEBEN UND WERK. Bilder von Leonard von Matt. Text von P. Stephan Hi 1-piich OSB. Verlag Herold, Wien 1960. 22 7 Seiten und 190 Abbildungen. Preis 184 S

Das große Benediktusjubiläum im Jahre 1947. in dem der älteste Mönchsorden des Abendlandes das 1400. Todesjahr seines Stifters, des heiligen Benedikt (480 bis 547), feierlich beging, bereicherte die Bibliographie mit ansehnlichen Festgaben, unter denen das im deutschen Sprachraum erschienene Standardwerk „Benediktus — Der Vater des Abendlandes 547—1947“, eine Weihegabe der Erzabtei St. Ottilien (Verlag Schnell & Steiner, München), inhaltlich alles bisherige übertraf. Soeben erschien auch die schon längst erwartete wissenschaftliche Ausgabe der Benediktinerregel im Wiener Kirchen-vätercorpus von Rudolf HansÜk und eine Gesamtdarstellung des Benediktinertums von Abt Raimund Tschudy (Einsiedeln) als 4. Band „Orden der Kirche“ (Paulus-Verlag, Freiburg in der Schweiz) im handlichen Format mit dem bis heute noch nicht endgültig erwiesenen Forschungsergebnis: „Hat der historische Benedikt die jetzt vorliegende Regula geschrieben bzw. eine Art Urregel, die später überarbeitet und erweitert wurde, vielleicht aus südgallischem Gedankengut heraus, oder ist sie eine spätere Schöpfung aus der Zeit um 600 herum?“

Vorliegendes Werk bietet etwas ganz Neues. Im vollkommenen Zusammenklang von Bild und Text verstehen es Leonard von Matt als Bildautor — von ihm erschienen bereits in ähnlichem Aufbau sechs Werke von großen Heiligen der Kirche (Vinzenz von Paul, Dominikus, Bernadette, Ignatius von Loyola, Pius X. und Franz von Assisi) — und der bekannte Benediktinerhistoriograph Pater Stephan H i 1 p i s c h aus der Abtei Maria-Laach (Rheinland), dem betrachtenden Leser das Leben und Werk des Vaters abendländischen Mönchtums in einem „Kulturfilm“ europäischer Prägung und Auswirkung vor Augen zu stellen. In einem prägnanten Längsschnitt wird vom Bild- und Textautor, jeweils in innigem Zusammenhang von Bild und Text, nicht nur die überragende Gestalt des ,Vaters des christliehen Europa“, wie ihn. treffend Rapst Pius XII. in einem Handschreiben (4. Juli 1958) genannt hat, gezeichnet, insbesondere dje vielen Zentren benedik-tinischen Geistes, die vornehmlich in Europa das-kulturelle Antlitz geprägt haben aus den reinen Quellen des Gebetes, der Arbeit, der Askese und der Weltabkehr. Von der Wieee abendländischer Kultur bis hinauf in die neueste Zeit ist St. Benedikt im wahrsten Sinne des Wortes ein „Gesegneter“ gewesen und auch in seinen Söhnen geblieben. Wie ein Januskopf steht er zwischen zwei Zeiten als „die kostbarste Gabe römischen Geistes und der altchristlichen Kirche an das heraufziehende Mittelalter. Benedikt hat in der Endkatastrophe des Weltreiches in seltener Reinheit den echten Römergeist verkörpert, darüber hinaus aber hat er auch das Schifflein gezimmert und die Bootsleute gebildet, die den Nachlaß der Antike durch die Sintflut der Völkerwanderung in erster Reihe hinüberretten halfen in die neu anbrechende Zeit. Er selbst hatte schon Fühlung genommen mit der germanischen Welt. In seinen Jüngern ist er ein Vater und Lehrmeister der Germanen, ein Begründer der deutschen Kultur geworden“ (Ildephons Herwegen).

Viele Menschen unserer Zeit stellen die Frage: Hat das Mönchtum, insbesondere das benediktinische Mönchtum, noch einen Sinn? Eine Aufgabe? Steht es nicht in einer Krise? Dem tiefer Schauenden offenbart sich diese Krise wiederum als ein Teil der allgemeinen Krise, in der sich die Christenheit heute befindet. Denn Krise bedeutet Entscheidung (Raimund Tschudy). Angesichts des Ansturmes der antichristlichen Mächte ist hier wie dort eine Rückbesinnung auf die wesentlichen Grundlagen und ein mutiges Vorwärtsschauen notwendig. Vor Jahren fiel das Wort von der „Antwort der Mönche“, und man verstand darunter, daß die jeweiligen Orden einem bestimmten Zeitbedürfnis entsprechen und somit Antwort geben auf den Ruf der Zeit. St. Benedikt und sein Werk war nicht unmittelbar dazu berufen, „Antwort“ an die Zeit zu geben. Es war und ist heute noch berufen, mehreren Epochen Antwort zu geben: vorerst im Frühmittelalter den germanischen und westslawischen Stämmen, später seinen vielen Reformbewegungen, mit der Erneuerung in der Barockzeit, mit dem Ruf nach tieferer Erfassung der Liturgie. St. Benedikt ist, ohne es selbst zu ahnen oder bewußt zu wollen, durch seine Söhne zum Vater eines christlichen Europa geworden. Den Söhnen ist das Erbe aufgetragen, solche Vaterschaft im weitesten Sinne zu bewähren und auf den ganzen Erdkreis auszuweiten. Die eine, befreite und befriedete Welt dem kommenden Christus entgegenzuführen im Chor- und Opferdienst der bräutlichen Kirche, im priesterlichen Wirken an den Seelen, im Einheit und Friede stiftenden Beten und Arbeiten für die im Glauben getrennten Brüder des Ostens und Westens, in Wissenschaft, Kunst und Erziehung und im schlichten handwerklichen Dienst (R. Tschudy). Möge dieses buchtechnisch in jeder Hinsicht ausgezeichnete Werk, das außer in deutscher auch noch in sechs anderen europäischen Sprachen erschienen ist, beitragen, den Geist St. Benedikts in vielen zu wecken.

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