Petersdom - © Pexels / Tomas Anunziata

Vatikan: Wie Opus-Dei rund um die Papstwahl Regie führt

19451960198020002020

Josemaría Escrivás Gründung genießt bei vielen Kardinälen große Sympathie. Solange eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist, kann kaum ein Papst gegen den Willen der Opus-Dei-Anhänger gewählt werden. Ein Einblick hinter die sonst verschlossenen Tore des Konklaves.

19451960198020002020

Josemaría Escrivás Gründung genießt bei vielen Kardinälen große Sympathie. Solange eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist, kann kaum ein Papst gegen den Willen der Opus-Dei-Anhänger gewählt werden. Ein Einblick hinter die sonst verschlossenen Tore des Konklaves.

Werbung
Werbung
Werbung

Schon im Mai dieses Jahres sagte der deutsche Theologe und Journalist Peter Hertel über die bevorstehende Heiligsprechung von Opus-Dei-Gründer Don Josémaria Escrivá de Balaguer y Albas, Graf von Peralta: "Das Opus Dei wird weltweit Schlagzeilen machen und mit dieser Veranstaltung dem Vatikan und der Welt vor Augen führen, wer die stärksten Bataillone in der katholischen Kirche und die Macht hat, sie generalstabsmäßig nach Rom zu führen."

Hertel, einer der schärfsten Kritiker des Opus Dei, präsentierte damals sein drittes Buch über die mächtige Personalprälatur: "Schleichende Übernahme: Josémaria Escrivá, sein Opus Dei und die Macht im Vatikan" (Verlagsgesellschaft Publik-Forum, Oberursel 2002). Sein zahlenmäßiger Befund: Von den rund 85.000 Mitgliedern des Werkes in etwa 80 Ländern seien gut 2.000 Kleriker, darunter 16 Bischöfe und ein Kardinal.

Navigator

Liebe Leserin, Lieber Leser,

diesen Text stellen wir Ihnen kostenlos zur Verfügung. Im FURCHE‐Navigator finden Sie tausende Artikel zu mehreren Jahrzehnten Zeitgeschichte. Neugierig?
Am schnellsten kommen Sie hier zu Ihrem Abo – gratis oder gerne auch bezahlt.
Herzlichen Dank, Ihre Doris Helmberger‐Fleckl (Chefredakteurin)

diesen Text stellen wir Ihnen kostenlos zur Verfügung. Im FURCHE‐Navigator finden Sie tausende Artikel zu mehreren Jahrzehnten Zeitgeschichte. Neugierig?
Am schnellsten kommen Sie hier zu Ihrem Abo – gratis oder gerne auch bezahlt.
Herzlichen Dank, Ihre Doris Helmberger‐Fleckl (Chefredakteurin)

Die meisten Bischöfe aus dem Opus Dei gibt es in Peru, einen auch in Österreich - Klaus Küng in Feldkirch. Im Vatikan hat ein Laie aus dem Opus Dei großes Gewicht - der Pressesprecher Joaquín Navarro-Valls. Opus-Dei-Mitglied ist auch der Präsident des Päpstlichen Rates für die Interpretation von Gesetzestexten, der spanische Erzbischof Julián Herranz, ein heißer Anwärter auf den Kardinalspurpur. Obwohl momentan erst ein einziger Kardinal aus dem Opus Dei stammt, Juan Luis Cipriani Thorne, der Erzbischof von Lima, konstatiert Hertel gerade im Kardinalskollegium, dem bekanntlich die Papstwahl obliegt, einen wachsenden Einfluss des Werkes. Seiner Meinung nach lasse fast die Hälfte der rund 120 Papstwähler ganz offen oder zumindest diplomatisch-diskret große Sympathien für das Opus Dei erkennen.

69 Sympathisanten

Hertel steht mit seiner Einschätzung keineswegs allein. Schon 1998 schrieb der deutsche Journalist Hanspeter Oschwald in seinem Buch "Vatikan - Die Firma Gottes" (Piper, München, 2. Aufl. 1999) mit Bezug auf die nächste Papstwahl: "Das konservativ elitäre Opus Dei rechnet sich beste Chancen für einen der ihren aus. Führende Kurienmitarbeiter sehen diese Gefahr allerdings nicht. Oder wollen nicht sehen, dass das Opus Dei die ganze Kirchenstruktur durchsetzt hat. Sein Papst wäre ein kämpferischer, reaktionärer Vertreter der Klerokratie, ein Mann von Gesetz und Ordnung, ein Gegner von Religionsfreiheit und Toleranz."

Oschwald rechnete damals sogar mit einem noch höheren Anteil an Opus-Dei-Freunden im nächsten Konklave als Hertel und bezog die neue Papstwahlordnung Johannes Pauls II. von 1996, die nach 33 Wahlgängen ein Abgehen von der seit 800 Jahren geforderten Zweidrittelmehrheit erlaubt, in seine Überlegungen ein: "Erfahrungsgemäß hält das konservative Lager zusammen wie ein Monolith. Das Opus Dei rechnet sich derzeit 69 Sympathisanten aus. Diese von ihm gesponserte absolute Mehrheit braucht nur mit der festen Absicht ins Konklave zu ziehen und sich bis zum 33. Wahlgang auf keinen Kompromiss einzulassen."

Die Ursache dafür, warum Oschwald damals auf die Zahl 69 kam, dürfte darin liegen, dass seinerzeit für die Einleitung des Selig- und Heiligsprechungsprozesses von Josémaria Escrivá 69 Kardinäle und nahezu 1.300 Bischöfe unterschrieben haben. Doch selbst wenn man davon ausgeht, dass das Opus Dei nach wie vor bei einem so hohen Anteil der Kardinäle Sympathien genießt, ist damit noch lange nicht gesagt, dass sich vom Opus Dei eine "gesponserte absolute Mehrheit", die "wie ein Monolith" zusammenhält, auf eine Linie vergattern lässt. Zwar lässt die jetzige Zusammensetzung des Kardinalskollegiums eher einen konservativen Nachfolger Johannes Pauls II. erwarten, aber das muss nicht unbedingt ein vom Opus Dei gepushter Kandidat sein.

Die Ursache dafür, warum Oschwald damals auf die Zahl 69 kam, dürfte darin liegen, dass seinerzeit für die Einleitung des Selig- und Heiligsprechungsprozesses von Josémaria Escrivá 69 Kardinäle und nahezu 1.300 Bischöfe unterschrieben haben.

Seitens des Opus Dei selbst werden ja alle Theorien, die das Werk als eine Art "heilige Mafia", als verschwörerischen Geheimbund mit kirchenpolitischen Strategien hinstellen, strikt zurückgewiesen. Die Heiligung des Menschen, insbesondere des katholischen Laien, in der alltäglichen Arbeit stehe im Vordergrund und dieses Ziel hat viele Kirchenmänner für das Opus Dei eingenommen. Auch der Wiener Alterzbischof Kardinal Franz König, der keineswegs als konservativer Hardliner gilt, hat sich stets sehr positiv über Escrivá und sein Werk geäußert.

Es ist kein Geheimnis, dass etliche Kurienkardinäle, auch ohne Mitglieder zu sein, dem Opus Dei sehr zugetan waren oder sind. Der unlängst verstorbene Brasilianer Lucas Moreira Neves galt als Papstkandidat des Opus, ehe ihn seine schwere Zuckerkrankheit aus dem Rennen warf.

Auch unter den aktuellen "Papabili" gibt es Freunde des Opus Dei, darunter den Favoriten Dionigi Tettamanzi, den neuen Erzbischof von Mailand. Sie sind es aber nicht unbedingt in höherem Maß als Johannes Paul II., der das Werk stets gefördert hat und auch auf dessen finanzielle Unterstützung bauen konnte.

Guter Wille, Politik und Macht

Dass sich im Opus Dei nicht nur viel guter Wille und Idealismus, sondern auch einiges an politischer und wirtschaftlicher Macht konzentriert, ist kaum zu bestreiten. Und natürlich hat, auch wenn kirchenpolitische Strategien dementiert werden, diese "stärkste integralistische Machtballung" (Copyright: Hans Urs von Balthasar) in der römisch-katholischen Kirche ein großes Interesse daran, wer das Petrusamt übernimmt.

Ob das Werk, selbst wenn es alle seine Kräfte spielen ließe, stark genug wäre, um einen eigenen Kandidaten durchzusetzen, ist natürlich fraglich. Das ganze Kardinalskollegium, dem gerade 115 Papstwähler und 55 "Altkardinäle" angehören (Stand: 26. September 2002), ist internationaler und inhomogener geworden.

Doch solange eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist, kann auch kaum ein Kandidat gegen den Willen der Opus-Dei-Sympathisanten gewählt werden. Auch für diesen gegenteiligen Fall dürfte es höchstens bei einer Abstimmung mit einfacher Mehrheit, wie sie die neue Wahlordnung ermöglicht, reichen.

Das Opus Dei könnte jedenfalls schon bei der letzten Papstwahl 1978 seine Hände im Spiel, zumindest aber eine gute Nase für den Ausgang gehabt haben. Hanspeter Oschwald berichtet in seinem Buch, warum er über Karol Wojtyla als einer der ersten genau Bescheid wusste: "Erstens hatte er wiederholt in Bischofssynoden gesprochen, und zweitens lag in meinem Schreibtisch ein kleiner Stapel von Reden dieses Kardinals, sogar auf deutsch. Sie waren gesammelt, übersetzt und interessierten Journalisten zur gefälligen Nutzung regelmäßig zugestellt worden. Absender: die Opus-Dei-Zentrale in Rom."

Der Autor ist Freier Journalist.

Navigator

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?

Mit einem Digital-Abo sichern Sie sich den Zugriff auf über 40.000 Artikel aus 20 Jahren Zeitgeschichte – und unterstützen gleichzeitig die FURCHE. Vielen Dank!

Mit einem Digital-Abo sichern Sie sich den Zugriff auf über 40.000 Artikel aus 20 Jahren Zeitgeschichte – und unterstützen gleichzeitig die FURCHE. Vielen Dank!

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung