Vatikanischer Briefverkehr

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Die Affäre offenbart aber auch: Benedikt, der Emeritus, entpuppt sich -willentlich oder nicht -als Spielball zur Delegitimation bzw. Legitimation seines Nachfolgers.

Lettergate" - mit diesem Ausdruck schäumen die konservativen Papstkritiker süffisant über den Bärendienst, den Msgr. Dario Viganò, der Präfekt des Päpstlichen Mediensekretariats, seinem Chef erwiesen hat: Zum fünften Amtsjubliläum von Franziskus brachte die Vatikanische Verlagsanstalt eine Buchreihe über dessen Theologie heraus. Zu dieser Neuerscheinung verbreitete Viganò einen Brief von Alt-Papst Benedikt XVI., aus dem global der Satz zitiert wurde, es sei ein "törichtes Vorurteil, demzufolge Papst Franziskus nur ein Praktiker ohne besondere theologische oder philosophische Bildung wäre, während ich einzig ein theoretischer Theologe gewesen sei, der wenig vom konkreten Leben eines heutigen Christen verstanden hätte". Benedikt würdigte Franziskus dann als "Mann von tiefer philosophischer und theologischer Bildung". Die Buchreihe verweise auch auf "die innere Kontinuität zwischen den beiden Pontifikaten, wenngleich mit allen Unterschieden in Stil und Temperament".

Was da als Lob des Vorgängers über seinen Nachfolger verbreitet wurde, war aber nur der freundliche Beginn eines Absagebriefs von Benedikt an Viganò, der den Emeritus um einen Einleitungsessay zur Buchreihe gebeten hatte. Benedikt stellte dann nämlich fest, er äußere sich nur zu Büchern, die er auch gelesen habe. Zur Lektüre der elf Bändchen sei er leider "auch aus physischen Gründen" nicht imstande. In weiterer Folge echauffierte sich der Alt-Papst auch über die Mitautorschaft des deutschen Theologen Peter Hünermann, der sich früher an die Spitze "antipäpstlicher Initiativen" gestellt habe.

Fake news aus dem Vatikan

Die Absage und die Benedikt'sche Kritik an der Autorenauswahl der Reihe kamen aber nur zitzerlweise ans Licht. Zu allem Überfluss hatte das Päpstliche Mediensekretariat auch noch ein Bild des Benedikt-Briefes veröffentlicht, in dem nur der Absatz lesbar war, der den gegenwärtigen Papst Franziskus lobte, die Absage-Zeilen waren hingegen durch Bildbearbeitung unkenntlich gemacht worden.

Fake News aus dem Vatikan also. Wenn die erst vor Kurzem durchgeführte Neuordnung der vatikanischen Medienaktivitäten Derartiges zur Folge hat, so ist das kein gutes Zeichen. Man könnte konzedieren, dass beschriebener Dilettantismus eine Kinderkrankheit der neuen Struktur ist. Andererseits: In jeder Institution müsste solches Kommunikationsdesaster zum Rücktritt des Verantwortlichen führen. Msgr. Viganò hat diesen nun am Mittwoch denn auch erklärt.

gräben, die der erzkonservative Kirchenflügel vertieft

Die Affäre offenbart aber auch etwas anderes: Benedikt, der Emeritus, entpuppt sich -willentlich oder nicht -als Spielball zur Delegitimation bzw. Legitimation seines Nachfolgers. Ex-Medienchef Viganò wollte Benedikt für Letzteres gewinnen - ein veritabler Rohrkrepierer. Aber die erzkonservative Kirchenfraktion geriert sich zunehmend in einer Weise, als ob Benedikt XVI. der "eigentliche" Papst sei. Und der Emeritus setzt sich gegen diese, für die katholische Kirche brandgefährliche Polarisierung wenig energisch zur Wehr. Auch dass er den 89-jährigen Peter Hünermann, zweifellos einer der bedeutendsten Theologen des deutschen Sprachraums, zum "Papstfeind" stilisiert, ist mehr als befremdlich und weist Benedikt nicht als den über kleinliche Kritik erhabenen

großen Theologen aus, als den ihn seine Anhänger sehen. Und es fällt auf, dass der Alt-Papst sehr wohl Zeit findet, theologische Bücher zu lesen: Noch im Vorjahr steuerte Benedikt das Vorwort zum Buch "Die Kraft der Stille" von Kardinal Robert Sarah bei. Der Präfekt der Liturgiekongregation fiel zuletzt durch Verteufelung der Handkommunion oder die Forderung auf, Messen wieder mit dem Rücken zum Volk zu zelebrieren. Franziskus musste seinen Liturgieminister mehrmals zur Ordnung rufen. Sarah -von Benedikt also wohlgelitten -steht für die Gräben, die der erzkonservative Kirchenflügel ordentlich vertieft.

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