Verschärfter Kardinal

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Kardinal König wollte keine Autobiografie schreiben. Erst in seinen letzten Lebensmonaten hat er begonnen, für ein Buch zu erzählen, das dieser Tage - auf Englisch - erschienen ist.

Zeitlebens hat sich der letztes Jahr verstorbene Kardinal König gegen eine von ihm autorisierte Biografie gewehrt: Er wollte nicht auf diese Weise im Mittelpunkt stehen. Erst in seinen letzten Monaten fand er sich bereit, über sein Leben zu erzählen. Leider reichte das, was er seinen engsten Mitarbeitern aufs Band sprach, nicht für eine Publikation aus. Zeitgleich allerdings gab er auch Christa Pongratz-Lippitt, der Wien-Korrespondentin der englischen katholischen Wochenzeitung The Tablet, ausführliche Interviews.

Diese Gespräche hat Pongratz-Lippitt nun in England unter dem Titel "Open to God, Open to the World" als Buch herausgebracht: Das einer Autobiografie am nächsten kommende Büchlein des Kardinals ist also auf Englisch erschienen - nicht nur eine Laune der Geschichte: Immerhin war König von Jugendtagen an ein Fan der englischen Sprache, er meinte wiederholt, man könne dieses oder jenes auf Englisch viel besser ausdrücken, und dass The Tablet zu seiner Lieblingslektüre zählte (übrigens auch schon seit den dreißiger Jahren), darauf weist Pongratz-Lippitt auch in der Einleitung des Buches hin.

Kritischer als gewohnt

Der hierzulande nie als kantiger, sondern durchwegs als besonnener Kirchenmann erinnerliche Kardinal konnte über manches in seiner Kirche sehr ärgerlich werden - und diesem Ärger machte er im englischen Tablet eher Luft als in einer deutschsprachigen Publikation; erst in seinen letzten Jahren konnte ihn die Furche bewegen, Kritik am überbordenden Zentralismus Roms auch in ihr zu formulieren.

Kein Wunder also, dass auch im kleinen Büchlein, das Königs letzte Gespräche mit Christa Pongratz-Lippitt dokumentiert, der Ton kritischer ist als hierzulande gewohnt. Aber nicht nur deswegen kann dieses Buch, selbst wenn es zur Zeit nur auf Englisch vorliegt, als unnachahmliches Zeitdokument gelten.

Pongratz-Lippitt hat die Gespräche mit König in acht Kapitel zusammengefasst - II. Vatikanum, innerkirchlicher Dialog, Ökumene, christlich-jüdischer Dialog, christlich-muslimischer Dialog, interreligiöser Dialog, Gespräch mit den Nichtglaubenden, der "immer wichtige Dialog mit Gott": Diese Themen überraschen keineswegs, es sind die großen Fragen, denen sich Kardinal König verbunden wusste. Das Zweite Vatikanische Konzil ("Der Höhepunkt meines Lebens") zum Ausgangspunkt zu wählen, ist logisch. Und ans Ende den Dialog mit Gott zu stellen, zeigt Gespür für den wahren Kardinal König, der tief gläubig und spirituell war, was die Öffentlichkeit nicht an erster Stelle mit seiner Person verband - vielleicht ist dies erst mit dem Buch "Gedanken für ein erfülltes Leben", das Annemarie Fenzl, Königs engste Mitarbeiterin, und Furche-Herausgeber Heinz Nußbaumer postum aus König-Texten zusammengestellt haben, und das zu einem Bestseller geworden ist, richtig ins Bewusstsein gedrungen. Aber auch in diesem "Gottes"-Kapitel erfährt man persönliche Details, etwa, dass der junge Franz König, der an der Gregoriana in Rom studierte, Jesuit werden wollte - woraus aber doch nichts wurde.

In allen Abschnitten des Büchleins werden viele Einzelinformationen und Begegnungen offenbar, die bislang bestenfalls verstreut zu finden waren: Wie etwa die Gründung und Entwicklung von Pro Oriente, jener bahnbrechenden Dialogorganisation zu den Ostkirchen, sich nach Königs Erinnerung gemäß abspielte, ist spannend. Alle möglichen Details aus der Konzilszeit, Begegnungen mit muslimischen oder jüdischen Führern und Kontakte zu den Atheisten, die König als jahrelanger Leiter des vatikanischen Sekretariats für die Nichtglaubenden entwickelte, geben ein beredtes Zeugnis der Jahrhundertgestalt - und lassen den Nachgeborenen betroffen zurück, dass dieser Schatz an Erinnerung ungehoben bleiben wird.

Opus Dei und Freimaurer

Interessant, dass sich König da auch zu Kontroversen um seine Person äußert: Er geht auf seine, dem Bild eines liberalen Kirchenmannes widersprechende Beziehung zum Opus Dei ein - allerdings wird auch nach der Lektüre nicht nachvollziehbarer, was König an dieser kirchlichen Bewegung wirklich gefesselt hat; und er erzählt von seinen Kontakten zu den Freimaureren, die ihm Konservative so ankreideten, dass sie gar Königs Mitgliedschaft bei den Freimaurern behaupteten, obwohl sich der Kardinal gegen dieses Gerücht vehement wehrte.

Spannend wird es an jenen Stellen des Buchs, wo König klar Kritik an seiner Kirche übt, etwa im Fall der "Pillenenzyklia" Humanae vitae Pauls VI.: König meint frank und frei dazu, Paul VI. habe "nicht richtig verstanden oder gesehen, dass es [das Verbot künstlicher Empfängnisverhütung] ungeahnte Probleme für katholische Familien bringen würde, in einigen Fällen herzbrechende Probleme, vor allem für katholische Frauen. Humanae vitae hat die Kirche in eine Glaubwürdigkeitskrise gebracht, und die Entwicklungen der kirchlichen Sexualmoral seitdem sind sehr tragisch."

Klartext zu den heißen Eisen

Ähnlich klar äußert sich König zur Notwendigkeit der Dezentralisierung der katholischen Kirche, auch zur Lockerung des Pflichtzölibats für Priester, und mehr als offen ist seine Haltung auch in Bezug auf die Frage der Frauenpriesterweihe, wobei er hier sehr wohl auch die großen Stolpersteine benennt. So dünn das englischsprachige Büchlein ist, so dicht sind die Aussagen darin zusammengepackt.

Vieles, wenn nicht das meiste, ist neugieriges Fragen eines angstfreien, weltoffenen Menschen, und wäre er kein Kardinal, würde einiges von der heutigen Glaubenskongregation beanstandet werden - etwa wenn König in Bezug auf die anderen Religionen einer "Mittelposition" zwischen jenen, die eine Überlegenheit des Christentums gegenüber den anderen Religionen behaupten und jenen, die alle Religionen für gleich halten, das Wort redet. Relativisten-Feind Joseph Ratzinger hätte diese "Mittelposition" wohl scharf kritisiert. Auch zum Schweigen Pius XII: zur Schoa findet König klare Worte; an anderer Stelle beschreibt er eindrücklich, wie konservative Katholiken sowie arabische Nationalisten und Regierungen den Dialog von Katholiken mit Juden auf dem Konzil und anderswo zu torpedieren suchten.

Schade allerdings, dass der Verlag solch ein wichtiges Zeugnis, diesen Hoffnungsschimmer für langsam mutlos werdende Konzilsbewegte druck- und bindetechnisch in einer Billigversion hergestellen ließ. Man kann nur hoffen, dass die für Anfang nächsten Jahres avisierte deutsche Übersetzung des Büchleins liebevoller gestaltet ist als das britische Paperback.

OPEN TO GOD, OPEN TO THE WORLD

Von Cardinal Franz König.

Hg. Christa Pongratz-Lippitt. Burns & Oates/Continuum, London 2005. 144 Seiten, PB, e 22,50

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