Verschieden - aber versöhnt!

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Auf ein Wort

Donnerstag der Vorwoche, 11. Oktober 2012: Genau fünfzig Jahre vorher begann das Zweite Vatikanische Konzil. Im Kloster Xenofontos am Berg Athos, dem spirituellen "Herz“ der Ostkirchen, herrscht an diesem Tag geschäftiges Treiben: Die Mönche backen und putzen, winden Girlanden und proben Hymnen, hängen Kirchenfahnen aus und überziehen 300 Notbetten. Es wird ein Riesenfest sein - aber nicht im Gedenken an das ferne, große Konzil, sondern zu Ehren der wundertätigen Muttergottes-Ikone "Hodigitria“ (die Wegweisende). Ein Hochfest der Orthodoxie, ihrer tiefen byzantinischen Mystik und ihres Selbstverständnisses, die weitaus ältere und also einzig wahre Kirche Jesu Christi zu sein.

Skandal der Trennung

Ja, sagt der Abt, eben sei auch der Patriarch von Konstantinopel zum Konzilsjubiläum nach Rom gereist; mehr als ein brüderlicher Höflichkeitsbesuch. Und: Ja, sagt ein Mönch, auf dem Klosterfriedhof liege auch ein Metropolit, der einst als orthodoxer Konzilsbeobachter in Rom mit dabei gewesen sei.

Aber sonst? Fünfzig Jahre nach dem unvergesslichen Papst Johannes XXIII. und nach unzähligen Dialogkongressen und ökumenischen Annäherungsgesten ist die Hoffnung Jesu, dass unter den Seinen "alle eins seien“, nach wie vor unerfüllt. Nach wie vor lastet der "Skandal der Trennung“ über den christlichen Kirchen.

Sicher, Orthodoxe, Katholiken und Reformierte bekriegen einander längst nicht mehr. Sie brennen gegenseitig keine Klöster nieder, und die Scheiterhaufen sind kalt geworden. Sie belegen einander nicht mehr mit dem Kirchenbann - im Gegenteil: Sie würdigen einander demonstrativ. Und in vielen sozialen, humanitären Anliegen arbeiten sie auch geschwisterlich zusammen. Und doch verteidigen sie zäh ihre Monopolansprüche, graben sich etwa in der Frauenfrage tief ein, geraten in bioethischen Fragen zunehmend aneinander und halten ihre "Schwesterkirchen“ oft für Stiefschwestern - und manchmal auch gar nicht für "Kirchen“ im eigentlichen Sinn.

Was aber heißt das alles? War die Aufbruchsstimmung dieses "Jahrhundert-Konzils“ einfach zu groß? Sind die kirchenpolitischen Egoismen und manche dogmatische Spiegelfechterei letztlich stärker als alle Sehnsucht nach Einheit?

Unstrittiges Fundament

Als Katholik, der seit Jahrzehnten auch an den spirituellen Schätzen der Ostkirche teilhaben darf, frage ich mich immer öfter, ob unser Blick in eine (letztlich gemeinsame) Zukunft gerade im Licht der vergangenen fünfzig Jahre nicht auch ein anderer sein könnte. Ob nicht die "versöhnte Verschiedenheit“ - mit ihrem Überreichtum an Traditionen, Riten und "regional“ unterschiedlichen Hierarchien - ein Zeichen weltumspannender Vitalität sein könnte. Ob wir Christen nicht auch interreligiös dialogfähiger sein könnten, wenn wir einmal gelernt haben, gewachsene Differenzierungen auch in der eigenen Glaubensfamilie zu ertragen.

Dieser Weg in die Weite kann freilich nur dann gelingen, wenn das Fundament unseres gemeinsamen Glaubens unbestritten ist: der Schöpfergott, die Einmaligkeit der Gestalt und Lehre Jesu - und die Liebe.

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