Verstümmelte Mutter Afrika

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Weibliche Genitalverstümmelung wird nach wie vor praktiziert. Der Film "Moolaadé" macht dieses - noch immer tabuisierte - Verbrechen zum Thema.

In farbenprächtige Gewänder gehüllte Priesterinnen bewegen sich zum Rhythmus afrikanischer Trommeln. Ein kleines Mädchen wird festgehalten und auf den Boden gedrückt. Schreiend wehrt es sich mit Leibeskräften. Sekunden später: Stille. Die Kamera zeigt eine weinende Mutter, die ihre tote Tochter in Armen hält.

"Moolaadé" lautet der Titel des Films, aus dem diese Szenen stammen. Sie beschreiben in einer symbolträchtigen Bildsprache den dramatischen Ausgang eines bis heute tabuisierten Rituals: der Beschneidung von jungen Mädchen. Mit seinem Film ist dem senegalesischen Regisseur Ousmane Sembéne ein international vielfach beachtetes Plädoyer gegen die Praxis der weiblichen Genitalverstümmelung (fgm) gelungen. Bei den diesjährigen Filmfestspielen in Cannes wurde der außer Konkurrenz gezeigte Film dafür mit einem Sonderpreis ausgezeichnet.

Der Film des 81-jährigen Sembéne macht auf ein Verbrechen aufmerksam, dem laut amnesty international weltweit rund 6000 junge Frauen täglich zum Opfer fallen. Aus den minimalistischen, dabei aber höchst eindringlichen Bildern entspringt die Aussagekraft dieses Films.

Geißel der Unterdrückung

Im Zentrum des als Fabel angelegten Dramas steht Collé, die durch Beschneidung bereits zwei Töchter verloren hat und sich daher weigert, auch ihr drittes Kind - entgegen der traditionellen Praxis - beschneiden zu lassen. Als vier weitere kleine Mädchen zu ihr flüchten, um dem drohenden Ritual zu entfliehen, stellt sie Collé unter den Schutz eines alten Banns - des "Moolaadé". Dieses traditionelle Schutzrecht verbietet es den Beschneiderinnen, die Mädchen anzurühren. Die Bemühungen der Dorfältesten, sie zur Aufhebung des Banns zu bewegen, führen letztlich zur Rebellion gegen die patriarchalen Strukturen der Dorfgesellschaft.

Während im Film letztlich Recht und Vernunft siegen, sieht die Realität leider anders aus: Die Weltgesundheitsorganisation (who) schätzt die Zahl beschnittener Frauen allein in Afrika auf 130 Millionen - Tendenz steigend. Weltweit sind rund 155 Millionen Frauen in über 41 Staaten von dieser Tortur betroffen.

Seit Anfang der neunziger Jahre von der uno offiziell als Folter anerkannt, wird fgm (Female Genital Mutilation) zumeist im Namen von Tradition, Kultur und Religion praktiziert. Bis heute wird die Genitalverstümmelung in vielen Gesellschaften noch als etwas Selbstverständliches angesehen: Sie gilt als rituelles Symbol, das den Übergang vom Mädchen zur Frau markiert. Ein Initiationsritual mit oftmals tödlichem Ausgang, denn die genitale Verstümmelung wird meist ohne Narkose oder Sterilisierung und in verschiedensten Formen durchgeführt: Die grausamen Varianten reichen von einer teilweisen über die ganze Entfernung der Klitoris bis hin zur extremsten Form, bei der auch die großen Schamlippen entfernt werden.

"In Wahrheit ist fgm ein Instrument zur Unterdrückung von Frauen, um sie ihrer Selbstbestimmung zu berauben", meint Karin Ortner, stellvertretende Generalsekretärin von Amnesty International Österreich. Viele Frauen fügen sich aber diesem Schicksal - aus Angst, als "Unreine" von der dörflichen Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden oder unverheiratet zu bleiben. Ein Problem, das sich nach Ansicht Ortners mittelfristig nur ausrotten lässt, "wenn sich Frauen stärker emanzipieren und selbstständiger werden". Um dies zu erreichen, müsse der Hebel vor allem im Bildungsbereich angesetzt werden.

Aufklärungsbedarf besteht aber auch hinsichtlich der unterstellten religiösen Bedeutung dieses "Reinigungsrituals". Gerade in vom Islam dominierten Staaten wird fgm gerne mit Glaubensfragen verknüpft und dient so als Rechtfertigungsgrund. Einer näheren theologischen Betrachtung hält dieses Argument jedoch nicht statt: "Die weibliche Genitalverstümmelung stellt ein Verbrechen dar, das dem islamischen Gebot, die körperliche Unversehrtheit zu wahren, widerspricht. Es steht auch gegen das Recht der Frauen, in der Ehe ein erfülltes Geschlechtsleben zu erfahren", meint dazu Carla Amina Baghajati, Sprecherin der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich. Generell, so Baghajati, dürfe Religion nie als Vorwand missbraucht werden, um Gewalt gegen Frauen zu rechtfertigen.

Das Problem fgm hat aber längst nicht vor den Grenzen der westlichen Welt Halt gemacht. Nach Angaben der Afrikanischen Frauenorganisation (awo) leben derzeit rund 8000 von fgm betroffene Migrantinnen in Österreich. Laut einer Studie der von der awo betrieben fgm-Beratungsstelle lassen nach wie vor 35 Prozent der befragten afrikanischen Migrantinnen ihre Töchter beschneiden.

Moolaadé

Senegal, F 2004. Regie: Ousmane

Sembéne. Mit F. Coulibaly, S. Traoré. Verleih: Stadtkino. 120 Min.

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