Versuch des Mittelwegs zwischen katholisch und protestantisch

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Die Kirche von England – Church of England – hat in ihrer Geschichte auch die Reformation mitgemacht. Sie versteht sich aber trotzdem den Anfängen des Christentums verpflichtet.

Ein wenig versteckt, mitten im Wiener Botschaftsviertel, vis-à-vis der Vertretung des Vereinigten Königreichs liegt sie: die Christ Church der Kirche von England in Wien. Sie, die Kirche von England, ist Angelpunkt der anglikanischen Kirchengemeinschaft. Seit 1877 versammeln sich hier Christinnen und Christen zum Gottesdienst nach anglikanischer Tradition.

Am ersten Sonntag im September ist die Kirche bis zum letzten Platz gefüllt: Mit einer „Family Eucharist“, also einer Art Familienmesse, wird das neue Arbeitsjahr eingeläutet und eröffnet. Menschen aus allen Teilen der Welt haben sich versammelt: aus England, aber auch aus Nordamerika, aus Asien und Afrika. Besonders die Besucherinnen aus Nigeria, eine besonders große Gruppe innerhalb der Pfarre, sind gleich zu erkennen: mit ihren farbenfrohen afrikanischen Kleidern bringen sie Farbe in die eher schlicht eingerichtete Kirche. Auch der Choral Evensong – die traditionelle Form des anglikanischen Stundengebets am Abend, musikalisch gestaltet von einem englischen Kirchenchor, lockt viele an.

Das Kirchengebäude, entworfen vom Pressburger Architekten Viktor Rumpelmayer, ist im neugotischen Stil gebaut. Wirft man einen Blick ins Innere, erfährt man indirekt auch über das theologische Selbstverständnis der Kirche von England. Denn es erinnert an eine römisch-katholische Kirche gleichermaßen wie an einen protestantischen Kirchenbau. Ein Mittelweg gleichsam, so wie die ganze Kirche von England sich als Mittelweg zwischen Katholizismus und Protestantismus versteht.

597 wurde der Mönch Augustinus von Papst Gregor nach Südengland geschickt, um das Christentum zu verkündigen. Noch im selben Jahr wurde er Erzbischof von Canterbury und damit einer der zahlreichen Vorgänger des jetzigen Erzbischofs Rowan Williams.

Die Trennung von Rom durch Heinrich VIII. im Jahr 1534 war in erster Linie ein staatspolitischer Akt, wobei sein Wunsch nach einer neuerlichen kirchlichen Hochzeit entscheidend mitspielte. So oder so darf aber nicht vergessen werden, dass die Rolle des Papstes sich stark unterschied von dessen heutiger innerkirchlichen Position. Die Bestrebung politischer Machthaber, den Glauben eigenen Bedingungen anzupassen, kam in der Geschichte immer wieder vor – hierzulande etwa durch Joseph II. im 18. Jahrhundert.

Einflüsse der Reformation

Gleichzeitig spielte in jener Zeit auch die Reformation eine wichtige Rolle, die sich in Kontinentaleuropa ausbreitete. Unter Heinrichs Nachfolger Edward VI. gab es rege Kontakte zur den Wittenberger und Straßburger Reformatoren, speziell zu Heinrich Bucer. Er war es auch, der Thomas Cranmer bei der Gestaltung des „Book of Common Prayer“ unterstützte, das 1549 erstmalig erschien. Dieses Werk, das Gebete, Liturgien, aber auch kirchliche Ordnungen beinhaltet, ist nach wie vor in leichten Abwandlungen das zentrale Dokument der Kirche von England und der ganzen anglikanischen Gemeinschaft.

Bis heute prägt diese Epoche die Kirche von England. Der Gottesdienst wird seither in der Landessprache gefeiert, als Sakramente gelten in erster Linie Taufe und Eucharistie, das kirchliche Lehramt wurde zentralisiert. Trotz des reformatorischen Einflusses hält die Kirche von England jedoch fest an den Glaubensbekenntnissen der Alten Kirche, den Lehren der ersten Konzilien sowie am historischen Episkopat und der apostolischen Sukzession, also der Verbindung zu den Aposteln durch eine ununterbrochene Reihe von Handauflegungen bei Bischofsweihen, fest. Darin zeigt sich auch, dass sich die Kirche von England nicht als abgespaltene Kirche versteht, sondern vielmehr als eine Gemeinschaft, die sich in Lehre und Tradition bis zu den Anfängen des Christentums zurückführen lässt: Weder wurde eine neue Kirche gegründet, noch wurden neue Lehren etabliert.

Die Kirche von England ist also beides, katholisch und reformiert. Im Laufe der Geschichte haben sich innerhalb der Kirche mehrere Strömungen gebildet: Liberale Anglikaner (low church) haben ihre Pfarrgemeinden ebenso wie Anglokatholiken (high church), die sich näher der katholischen als an der protestantischen Tradition sehen. Die Mehrheit jedoch versteht sich als in der Mitte angesiedelt (broad church).

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