Versuchte Versöhnung, schon mitten im Krieg

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Wir haben uns in Sarajewo versammelt, im Zentrum des Erzbistums von Vrhbosna, anlässlich der Bischofsweihe des neuen Weihbischofs Msgr. Dr. Pero Sudar. Keine einzige Bischofsweihe in der neueren Geschichte wurde unter derartigen Umständen vorgenommen. Während der Liturgiefeier hallten auch die Explosionen der Granaten, die schon im zweiten Jahr unbarmherzig auf diese Stadt abgefeuert werden. Die Stadt ist, wie viele andere Städte und Siedlungen in Bosnien auch, ohne Nahrung, ohne Strom, ohne Wasser. Die Bewohner dieser Stadt leben Tag und Nacht in Todesgefahr. Unter solchen Umständen wurde die Bischofsweihe des neuen Weihbischofs des Erzbistums Vrhbosna durchgeführt."

Mit solchen Worten wandten sich die vier anwesenden Bischöfe und der Neugeweihte am 6. Jänner 1994 an die Weltöffentlichkeit, um auf die Dramatik der Bischofsweihe von Pero Sudar aufmerksam zu machen. Gott sei Dank: Heute muss der 1951 geborene Sudar keine Gottesdienste mehr im Granatenhagel feiern. Mitten im Bürgerkrieg 1994 begann Sudar sich aktiv für Frieden zwischen den verfeindeten Parteien und den Religionen einzusetzen: Der frisch gebackene Bischof initiierte die Europa-Schulen, ein damals in Bosnien einzigartiges Projekt katholischer Schulen, die aber bewusst auf die multiethnische und multireligiöse Zusammensetzung der Schüler achten. Denn in der damaligen Situation, so Sudar, musste die Kirche zum "Zeichen des Widerspruchs" werden. Mit dem "stillen, aber wirksamen Zeichen" der Europa-Schulen, die heute von fast 4500 jungen Leuten besucht werden, sei gezeigt worden: Auch in Bosnien wurden "Oasen des Friedens" möglich.

Nicht nur, dass die Bildungsqualität in den Europaschulen (die Volksschul- und Gymnasialklassen haben) sehr hoch ist. Der Grundgedanke, der auch Pero Sudar getrieben hat, war, dass junge Menschen aus verschiedenen Volksgruppen und Religionen am besten gemeinsam neue Perspektiven für eine tragfähige Zukunft entwickeln können.

Pero Sudars Initiative, die von Anfang an von Kardinal König unterstützt worden war, war der Grund, dass der Kardinal-König-Preis 2005 an den bosnischen Bischof verliehen wurde. Bischof Egon Kapellari, der in Wien den Preis überreichte, würdigte dabei Sudars unermüdliches Bemühen um Versöhnung "inmitten der Apokalypse von Verschleppung, Vertreibung und Folter".

Mehrere europäische Länder finanzieren das Projekt, ein großer Teil kam vom deutschen kirchlichen Hilfswerk "Renovabis". In der bosnischen Hauptstadt Sarajewo und in fünf weiteren Städten gibt es heute 14 solcher Europa-Schulen, mehr als 500 Absolventen sind daraus bereits hervorgegangen.

Und Pero Sudars Idee trägt weitere Früchte: In der Diözese Banja Luka entsteht eine weitere solche Einrichtung, sogar in der Kosovo-Stadt Prizren soll eine Europa-Schule entstehen. ofri

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