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Viele Möglichkeiten flir Frauen im Kloster

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Es ist schon eigenartig: Wird eine Frau Ballerina, Politikerin oder widmet sie ihre ganze Zeit dem Spitzensport, zollt man ihr heute großen Respekt, auch wenn sie dafür auf eine Familie verzichtet. Eine Frau, die sich dafür entscheidet, ihr Leben im Kloster in einem Orden zu verbringen, gilt aber als nicht ganz normal oder jedenfalls zumindest bemitleidenswert.

Mit diesem und vielen anderen Vorurteilen, die Nonnen entgegengebracht werden, räumt das vorliegende Buch von Christiane Bock auf. Sie hat zehn Frauen unterschiedlichster Herkunft und verschiedenen Alters befragt, wie sie ihren Weg zu einem Orden gefunden haben und wie sie seither darin leben.

Gleich zu Beginn wird einem bewußt, wie wenig man eigentlich über Klosterkultur, Ordensstrukturen und jene Aufgaben Bescheid weiß, die von Ordensschwestern heute ausgefüllt werden. Kloster ist nicht Kloster, zwischen einem kontemplativen Orden wie den Karmelitinnen und einer Missionsbenediktinerin ist wohl ein ganz großer Unterschied. Manche Schwestern leben sogar ohne feste Zugehörigkeit zu einem Mutterhaus, tragen trotzdem den Habit und leben entsprechend ihrem Gelübde in Armut, Keuschheit und Gehorsam,

Interessant ist, daß sich keine dieser Frauen aus Weltflucht für den Eintritt ins Kloster entschieden hat, sondern alle sich ganz im Gegenteil in der Ausbildung, im Beruf und in der

elterlichen Familie intensiv mit politischen Fragen und mit der Suche nach einem sinnvollen Leben auseinandersetzten.

So führen denn auch viele Wege ins Kloster. Eine kam vom Kabarett „Katakombe" in Berlin, eine über das KZ Bavensbrück, andere über den Spitzensport, den Journalismus oder eine ganz normale Berufsausbildung. Nicht jede der vorgestellten Frauen hatte ein Berufungserlebnis, bei manchen entwickelte sich erst langsam die Gewißheit, daß der Weg ins Kloster der richtige ist. Gleich war allerdings in allen Familien die ablehnende Be-aktion auf den Klostereintritt der Tochter: Alle Eltern hatten das Gefühl, ihr Kind zu verlieren, und alle kostete es harte Arbeit, bis sie diesen Schritt akzeptieren konnten.

Mit dem Klostereintritt eröffnete sich für die Frauen neben der Vertiefung ihrer religiösen Erfahrungen eine Welt von oft sehr strengen Lebensregeln, mit denen manche ganz ordentlich zu kämpfen hatte. Gleichzeitig bietet der Eintritt in eine Ordensgemeinschaft auch neue berufliche Möglichkeiten, die oft lange Aus-bildungs- und Studienjahre voraussetzen. Überraschend dabei ist die Einsicht, daß nicht nur tätige Orden -also jene, die sich in der Krankenpflege, der Kindererziehung oder Fürsorgearbeit betätigen - heute noch einen wichtigen Platz einnehmen.

Vielmehr erscheinen auch die kontemplativen Orden, die sich ganz auf das Gebet konzentrieren und gar nicht außerhalb ihres Klosters arbeiten, wie Bettungsinseln einer geisti-

gen und religiösen Welt.

Interessant ist die Zusammenstellung der einzelnen Frauenporträts: ganz einfache und sehr gebildete Frauen kommen zu Wort, konservative und fortschrittliche, hochpolitische Statements und mystische Erfahrungen werden wiedergegeben.

So ist dieses Buch über erstaunlich moderne, selbstbewußte und weltoffene Ordensschwestern ein zutiefst kontemplatives, religiöses Buch geworden. Nonnen werden als Frauen mit vielen Hürden auf ihrem Lebensweg vermittelt, wie sie andere Frauen auch kennen, dabei werden Spiritualität und Beligiosität weitab jeder tagespolitischen Diskussion als positiv

erlebbar dargestellt.

Wie meint doch jene Ordensschwester, die für ihre Schreinema-kers-Auftritte mit dem Skateboard bekannt wurde? „Wenn ich frage: Wie gelingt eigentlich ein Leben?, dann haben weder Papst noch Pille noch Zölibat irgendeine Bedeutung," meint sie. Und eine andere, 50 Jahre nach ihrem Klostereintritt: „Die große Veränderung ist wohl, daß ich froh und leichtsinnig geworden bin und das auch genieße."

SELBSTBEWUSST IM KLOSTER -Nonnen sprechen über ihr Leben

von Christiane Boeck Kasel-Verlag, München 1996. 328 Seiten, Pb., öS 221,-

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