
Viele Wahrheiten
Von Damaskus über Homs und Aleppo wieder nach Damaskus: Wo in Syrien die Regierung (wieder) herrscht, ist Wiederaufbau im Gang. Not und ungewisse Zukunft sind aber mitnichten verschwunden.
Von Damaskus über Homs und Aleppo wieder nach Damaskus: Wo in Syrien die Regierung (wieder) herrscht, ist Wiederaufbau im Gang. Not und ungewisse Zukunft sind aber mitnichten verschwunden.
Ein „furchtbarer Tornado“ wüte seit Jahren in der Region, erklärt Mario Zenari der kleinen Gruppe von Journalisten und Mitarbeitern des Hilfswerks „Initiative Christlicher Orient (ICO)“, die sich Anfang September in Syrien ein Bild der Lage zu machen versuchen*. Zenari, seit 2008 Apostolischer Nuntius in Damaskus, wurde vor drei Jahren vom Papst ins Kardinalskollegium aufgenommen – als ein Zeichen dafür, für wie brisant und zentral Franziskus die Arbeit seines Vertreters in Syrien einschätzt: Kein Land habe der Papst so oft genannt wie Syrien … Im Zentrum des genannten Tornados sei Syrien, so Zenari weiter: Aus dem ursprünglichen Bürgerkrieg von 2011 sei schnell ein Stellvertreterkrieg geworden. Fünf Welt bzw. Regionalmächte nennt der Nuntius – die USA, Russland, die Türkei, den Iran und Israel. Die täglichen Nachrichten zeigen, was er meint: Erst Anfang dieser Woche haben sich die Präsidenten Russlands, des Iran und der Türkei in Ankara getrof fen, um sich zu Syrien zu verständigen. Aber der Nuntius geht auch weit in die Geschichte zurück: Die Wurzeln des Krieges von heute ortet er vor 1400 Jahren, als es zum blutigen Konflikt zwischen den Sunniten und Schiiten und der Trennung der beiden islamischen Richtungen gekommen ist. Dieser Konflikt spiegle sich auch im aktuellen Syrienkrieg, so der Mann des Papstes in Damaskus.
Welche Realität ist wahr?
Die Analyse des Nuntius stellt eine der vielen Wahrheiten dar, denen sich die österreichischen Reisenden in Syrien gegenübersehen. Auch die von zu Hause mitgebrachten, durch die medialen Darstellungen geprägten Anschauungen von einem Land und einem Krieg und einem Nichtkrieg in weiten Landesteilen scheinen andere Realitäten zu sein als jene, welche die Besucher vorfinden: Im Großteil Syriens hat die Regierung Assad das Sagen, an jeder Straßenecke und in vielen Häusern und Institutionen lächelt der Präsident von unzähligen Plakaten entgegen. Aber man kann reisen und erlebt eine Art Normalität. Auch wenn kaum jemand mit den brutalen Zahlen hinterm Berg hält: 5,7 Millionen Flüchtlinge haben das Land verlassen, 6 Millionen Binnenflüchtlinge gibt es im Land – bei einer Bevölkerung von 21 Millionen, bevor der Krieg 2011 begann.
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