"Viele wissen nicht, dass es uns gibt"

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"Einerseits beteuert man in Kärnten, seit dem Hypo-Desaster überhaupt kein Geld zu haben, anderseits liegt die Problematik an der Organisation. Jeder will bei uns seine Sache selbst machen."

Judith Walker hat vor drei Jahrzehnten ihre erste Kärntner Galerie gegründet. Heute leitet sie gemeinsam mit ihrer Tochter Carolin den Kunstraum in Klagenfurt, die Galerien in Schloss Ebenau im Rosental und neuerdings auch im alten Pfarrhof im Ortsteil Saak von Nötsch im Gailtal. In Ebenau und Saak werden heuer vor allem Arbeiten von Künstlern wie Max Weiler und Hans Staudacher zu sehen sein. Judith Walker ist die erfolgreichste und größte Privatgaleristin Kärntens.

DIE FURCHE: Sie haben in Ihrer Heimatstadt Hermagor mit einer kleinen Galerie mit Künstlern wie Martha Jungwirth, Kiki Kogelnik, Wolfgang Hollegha oder Max Weiler begonnen. War das damals leichter oder schwieriger als heute?

Judith Walker: Ich glaube, dass es leichter war. Wahrscheinlich, weil es damals noch kein Internet gab. Das beschleunigt zwar heute alles, macht es jedoch auch kurzlebig. Die Leute, die früher zu einer Ausstellung gekommen sind, haben sich Zeit genommen, mit den Künstlern ausführliche Gespräche zu führen. So bekamen sie auch einen durchaus persönlichen Kontakt zu ihren Werken, und das gibt es jetzt kaum noch. Viele, vor allem die Jüngeren, sehen sich die Bilder oft nur im Netz an. Ich bin überzeugt davon, dass man ein Bild nie so empfinden kann, als würde man direkt davorstehen. Ich mache jeden, der im Netz kauft, darauf aufmerksam, dass das sehr heikel ist. Ich habe schon oft gehört, dass Bilder beschädigt, eingerissen oder ausgebleicht waren und man das im Netz nicht gesehen hat. Sobald man aber einen Kauf abgewickelt hat, ist es schwierig und oft sogar unmöglich, ihn rückgängig zu machen.

DIE FURCHE: Sie haben anfangs Theater gespielt und als Journalistin gearbeitet?

Walker: Ich habe alles Mögliche gemacht. Ich hatte auch einen sehr guten und interessanten Lehrer, nämlich Karl Bauer, bei dem ich einige Jahre Malerei studierte. Ich wollte ursprünglich an die Kunstakademie gehen, da ich ja nur eine Ausbildung als Hobbymalerin hatte, aber das hat mir mein Vater nicht erlaubt. Gegen eine Journalistin oder Schauspielerin hatte er keine Einwände, weil ich zunächst in Kärnten bleiben konnte. Ich spielte bei verschiedenen freien Gruppen und schrieb Berichte für die Kleine Zeitung. In Rom machte ich später Interviews mit Stars wie Claudia Cardinale und Marcello Mastroianni und in England lernte ich Künstler wie Francis Bacon, Graham Sutherland oder David Hockney kennen. Mein Lehrer Karl Bauer hatte in Kärnten inzwischen die Dreiländerbiennale Intart gegründet, bei der es erstmals um eine künstlerische Verbindung mit Slowenien und dem Friaul ging. Da wurde ich als Dolmetscherin engagiert und lernte Künstler aller drei Länder kennen.

DIE FURCHE: Was kann man von Künstlern lernen?

Walker: Großzügigkeit und Geduld. Sie haben eine eigene Sicht, einen eigenen Blickwinkel, und durch die intensiven Gespräche, die ich mit ihnen führe, habe ich entdeckt, wie schwierig sie sind. Manche von ihnen sind sehr introvertiert und sehen nur sich, aber sonst wären sie wohl nicht das, was sie sind.

DIE FURCHE: Hat heute die Qualität guter Künstler zu-oder abgenommen?

Walker: Ich habe das Empfinden, dass sie enorm angestiegen ist und es schwer ist, so vielen begabten Künstlern eine Chance zu geben. Ich sage oft zu meiner Tochter Carolin, die jetzt die Galerie leitet: "Die oder der wäre etwas!" Sie sagt dann: "Wir haben unsere Leute, die bei uns sind und die wir betreuen müssen." Man kann tatsächlich nicht als Galeristin so viele Künstler haben, denn dann kommen die meisten zu kurz.

DIE FURCHE: Ist es also tatsächlich schwerer geworden für junge Talente?

Walker: Viel schwerer sogar. Anderseits stellen sich viele Künstler selbst ins Netz und finden so ihre Interessenten. Bis zu einem gewissen Grad schaffen das die Künstler. Wenn es aber um den großen Erfolg geht, brauchen sie ein Museum, eine Galerie oder einen Manager. Viele pushen die Künstler, aber da steckt immer schnelles Geld dahinter und man muss sich fragen, ob es wirklich um Top-Qualität geht. Wirklich gute Künstler gehen ihren Weg, haben einmal dort und einmal da eine gute Ausstellung, durch die man aufmerksam auf sie wird, und das wächst alles organisch. Jetzt werden sie innerhalb kürzester Zeit gehypt und man weiß nicht, wie lange Hype und Preis anhalten. Es werden heute ja unglaubliche Preise gezahlt. Es ist wie bei Sängern, die steigen oft kometenhaft auf, haben Stimmprobleme und verschwinden wieder.

DIE FURCHE: Einmal hätten sie durch einen Kunstraub beinahe Pleite gemacht?

Walker: Das war 1996 in Schloss Reifnitz bei einer Ausstellung von venezianischem Glas. Wir präsentierten dort erstmals die auf unsere Anregung in Venedig entstandenen Glasköpfe von Kiki Kogelnik. 13 Köpfe und etliche wertvolle Objekte anderer Künstler waren nach der Eröffnung verschwunden. Im Ort war zur gleichen Zeit ein großer Markt und die Montage der Alarmanlage war erst für den nächsten Tag vorgesehen. Ich war durch die Entschädigungszahlungen an die Künstler finanziell nahezu ruiniert. Viele jedoch hatten Verständnis und kamen mir entgegen. 17 Jahre später wurde ein großer Teil der gestohlenen Objekte unter einer Autobahnbrücke gefunden. Sie konnten nicht außer Landes gebracht und verkauft werden, da ja eine internationale Fahndung ausgeschrieben war.

DIE FURCHE: FURCHE: Wie aber kam es zum Kauf von Schloss Ebenau, das mit einer Ausstellungsfläche von 800 Quadratmetern die größte Privatgalerie Kärntens ist?

Walker: Ich war mit vielen Bildhauern befreundet, liebte Skulpturen und suchte einen Ort, sie ausstellen zu können. Als ich erfahren habe, dass dieses Schloss im Rosental zu kaufen war, wollte ich es mir gemeinsam mit meinem Mann ansehen. Das war gar nicht so leicht, denn kaum jemand wusste von dem schönen Gebäude, das wir in einem ziemlich verwahrlosten Zustand in Weizelsdorf entdeckten. Es war ein Renaissanceschloss, das die Äbte von Viktring zur Sommerfrische nutzten. Wir ließen es zwei Jahrzehnte lang behutsam renovieren und heute ist die Mischung aus altem Gemäuer und moderner Kunst besonders reizvoll.

DIE FURCHE: Jetzt haben Sie neuerdings nicht nur Schloss Ebenau, den Kunstraum in Klagenfurt, sondern auch noch eine dritte Galerie im Gailtal ...

Walker: Wir suchten eigentlich nur einen Lagerraum und wurden auf das alte und ziemlich verfallene Pfarrhaus im Künstlerort Nötsch aufmerksam. Als wir das spätbarocke, stimmungsvolle Haus denkmalgerecht hergerichtet hatten, war es einfach viel zu schön für einen Lagerraum und wurde unsere dritte Galerie.

DIE FURCHE: Sie haben keinerlei Subvention bekommen, nicht einmal eine Antwort auf Ihr Ansuchen?

Walker: Das stimmt und ist typisch für die Situation in Kärnten. Einerseits beteuert man, seit dem Hypo-Desaster überhaupt kein Geld zu haben, anderseits liegt die Problematik an der Organisation. Jeder will bei uns seine Sache selbst machen und es gibt keine Vernetzung. Trotz Internet klappt das überhaupt nicht. Bei der Kärnten Card müsste ich mich verpflichten, von Mai bis Oktober durchgehend offen zu halten und das schaffen wir finanziell nicht. Es mangelt, wie gesagt, an Kulturvernetzung und Koordination. Es gibt keine zentrale, gut organisierte Stelle. Die Erkenntnis, dass ein Kulturpublikum oft anspruchs-und qualitätsvoller ist als jenes der Massenveranstaltungen rund um den Wörthersee, hat sich bei unseren Politikern noch nicht herumgesprochen. Viele Hotelgäste wissen nicht, dass es uns gibt.

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