"Vielfalt ist widerzuspiegeln“

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Seit mehr als zehn Jahren ist Omar Al-Rawi in der österreichischen Politik. Er erinnert sich daran, wie die ersten Muslime die Politik für sich entdeckten und blickt auf die heutige Lage.

Omar Al-Rawi war einer der ersten Muslime in Österreich, die Politik mitgestalten. Im Interview mit der FURCHE erinnert er sich an die ersten Schritte und analysiert die jetzige politische Situation der Muslime in Österreich.

Die Furche: Wann und wie ist es dazu gekommen, dass Muslime in der österreichischen Politik aktiv wurden?

Omar Al-Rawi: Ich war einer der ersten, die im Versuch, Muslime zum Wählen zu mobilisieren, aktiv geworden sind. Da ging es gar nicht um muslimische Kandidatinnen und Kandidaten. Das war der Überfremdungswahlkampf 1999. Die meisten Muslime gingen damals nicht wählen. Jahrelang hat man diskutiert, ob man das von der Religion her überhaupt darf; heute redet man darüber, ob es eine religiöse Pflicht ist oder nicht. Viele wussten auch gar nicht, wie man wählt. Bei den darauffolgenden Gemeinderatswahlen habe ich kandidiert, und wir haben dann gemerkt: Wenn sich eine Gruppe, eine Minderheit, durch einen Kandidaten widergespiegelt findet, dann zeigt sie mehr Interesse, an der Wahl zu partizipieren.

Die Furche: Also haben Sie sich schon als Politiker verstanden, der speziell diese muslimische Minderheit anspricht?

Al-Rawi: Ja, also das war ja damals im Jahr 2001. Da wurden Migration und Integration plötzlich ein Thema, und viele Parteien haben begonnen, Zielgruppen zu erfassen. Im Laufe der Zeit hat sich das natürlich sehr geändert.

Die Furche: Inwiefern?

Al-Rawi: In der Erkenntnis, dass irgendwann Integration eine Selbstverständlichkeit wird. Weil erstens einmal niemand ein Quotenmensch sein will, zweitens durch die Aufgaben, die man in der Politik bekommt - wenn man dann in verschiedenen Ausschüssen sitzt, in einem politischen, der nicht a priori mit einer Minderheit zu tun hat, etwa in der Stadtentwicklung.

Die Furche: Gesamtgesellschaftliche Themen sind Ihnen also wichtig. Gibt es aber wichtige islampolitische Themen heute?

Al-Rawi: Ein Großteil der muslimischen Bevölkerung hat Migrationshintergrund. Damit hat die Religion nun an sich nichts zu tun, aber dadurch ist Migration ein Thema. Hier gibt es viel Nachholbedarf, im Sinne von Sprachkenntnissen, Ausbildung und Qualifikationen am Arbeitsmarkt. Manchmal ist es etwas Kommunalpolitisches, ob ich einen islamischen Friedhof brauche. Dann wieder die Frage der Schächtung von Tieren, oder wie sich die Politik zur Frage der Knabenbeschneidung verhält. Oder: Wie schaut es mit der Partizipation der Frau am Arbeitsmarkt aus, der Gleichberechtigung, der Diskriminierung wegen des religiösen Bekenntnisses? Das sind die Probleme, die es gibt.

Die Furche: Ist es wichtig, dass für die Behandlung dieser Themen Muslime im Nationalrat sitzen?

Al-Rawi: Ich denke es ist wichtig, dass es Menschen mit Sachkompetenz gibt. Es nützt nichts, dass jemand ein religiöses Bekenntnis hat und sich dieser Themen nicht annimmt. Es ist wichtig, dass es jemanden gibt, der die Sensibilität hat, auf die Vielfalt der Gesellschaft, in der wir leben, einzugehen. Jemand, der die Kompetenz hat, um diese Dinge zu bearbeiten, zu artikulieren, aber auch die Kontakte, eine Kommunikation mit diversesten Bevölkerungsgruppen schafft. Dass eine Gesellschaft in ihrer Vielfalt auch in der Politik, im Parlament, in den Landtagen, Gemeinderäten widergespiegelt gehört, das ist gelebte Demokratie. Da gibt es ganz großen Nachholbedarf, aber jetzt ziehen drei ein, die Vielfalt beleben, Nurten Yilmaz (SPÖ), Asdin El Habbassi (ÖVP) und Alev Korun (Grüne).

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