Vielleicht war er es ja doch...

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Regisseurin Danielle Proskar über kindliche Religiosität, Patchworkfamilien und die Frage, ob sich hinter einem alten Säufer tatsächlich der "Allmächtige" verbergen kann.

Die Furche: Woher kam die Idee zu "Karo und der Liebe Gott"?

Danielle Proskar: Anlass war eine Scheidung, die vor etwa zehn Jahren in meinem nahen Umfeld passiert ist. Damals habe ich mitbekommen, wie die Eltern mit ihren eigenen Sorgen so beschäftigt waren, dass die Kinder übergeblieben sind. In dieser Situation kam ein Au-Pair-Mädchen ins Haus, die wie ein Rettungsanker für die Kinder war. Dieses Mädchen gibt es in meinem Film nicht. Seinen Platz hat bei mir der Liebe Gott eingenommen.

Die Furche: In Ihrem Film geht es einerseits um kindliche Religiosität, andererseits um die kindliche Wahrnehmung von Trennung und das Phänomen Patchwork-Familie ...

Proskar: Dieses Thema ist einfach ein Teil unserer Gesellschaft geworden. Wo früher die Vater-Mutter-Kind-Famile die Zelle der Gesellschaft war, ist das mittlerweile ausgeweitet auf Stiefvater, Stiefmutter, Stiefgeschwister und so weiter. Davor kann man sich nicht verschließen. Eine Patchwork-Familie kann gut funktionieren und für Kinder Neues eröffnen - wobei ich aber nicht dafür werben will, doch diese Scheidungen passieren ja.

Die Furche: Für Karo ist der desillusionierte, trinkende alte Nachbar, von dem sie glaubt, dass es der Liebe Gott sei, ein wichtiger Anker in dieser Umbruchssituation. Warum haben Sie ihn zum "Lieben Gott" gemacht?

Proskar: Der Liebe Gott hat sich in dem Fall einfach angeboten, auch wegen der Erstkommunion, die bei einer Achtjährigen als Einführung nahe liegend war. Diese Mystik hat natürlich einen gewissen Reiz. Diese "Gottes-Frage" beschäftigt nicht zuletzt auch Erwachsene, wie ich bei Festivals gesehen habe: War er's nun, oder war er's nicht? Nicht wenige haben gesagt: Ja, natürlich war er es. Für Karo ist es letztlich egal, ob es der Liebe Gott oder der Nachbar ist, der ihr zuhört. Ich glaube, es ist für uns alle letztendlich egal, ob wir zu einer höheren Macht beten, an die wir glauben, oder ob wir einfach jemanden finden, an den wir uns klammern können und der uns Sicherheit gibt.

Die Furche: Gibt es nicht auch eine Form kindlicher Religiosität, die über das Trost-Suchen hinausgeht?

Proskar: Ich glaube, dass Kinder der Mystik sehr zugetan sind. Wenn ich an meine eigene Kindheit zurückdenke, dann habe ich an alles Mögliche geglaubt, weil ich den Eindruck hatte, dass mir das hilft. Mit dem Erwachsenwerden verliert sich das ein bisschen. Man braucht für alles Beweise und wird immer skeptischer.

Die Furche: Viele Kinder fragen nach Ihrem Film, ob der Nachbar denn wirklich der Liebe Gott war. Was antworten Sie darauf?

Proskar: Ich denke schon, dass er es war. Es wäre ja auch denkbar, dass er nur vorübergehend in diese Figur des Nachbarn geschlüpft ist - und dann wieder jemand anderer wird. Das Ende verwirrt die Kinder jedenfalls und bringt sie zum Nachdenken. Aber das war ja auch die Absicht dahinter.

Das Gespräch führte Magdalena Miedl.

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