Von der Freiheit Gebrauch machen

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Die Bischöfe sollten aufstehn, "um für die Freiheit der Kirche in die Schranken zu treten", forderte 1848 die "Wiener Kirchenzeitung".

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Die Bischöfe sollten aufstehn, "um für die Freiheit der Kirche in die Schranken zu treten", forderte 1848 die "Wiener Kirchenzeitung".

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Von allen Provinzen sind bereits Abgeordnete mit Petitionen nach Wien, alle Stände haben ihre Vertreter", wendet sich besorgniserregt unmittelbar nach den Erschütterungen der Märzrevolution 1848 der Bischof von Lavant, Anton Martin Slomsek, an den Erzbischof seiner Kirchenprovinz, Kardinal, Friedrich von Schwarzenberg (1809- 1885), und konstatiert vorwurfsvoll: "Hingegen ist die Kirche noch ruhig und hat von der zugestandenen Freiheit keinen Gebrauch gemacht!"

Slomsek ist der erste unter den Bischöfen, der in den Tagen der politischen Umwälzungen Gemeinschaftsaktionen des Episkopats anregt: "Wie verschieden sind die Ansichten der Bischöfe, die ich kenne, in kirchlicher Beziehung!" taxiert er am 18. April in einem Schreiben. "Werden wir uns über die Necessaria nicht im voraus besprechen und einverstehen, so befürchte ich von einer geteilten schwachen Vertretung das schlimmste."

Salzburger Anfang Der schon als 27jähriger zum Primas Germaniae auserkorene, tatkräftige Salzburger Kardinal hört die Beschwerden seines Mitbruders und handelt spontan. Zunächst ruft er seinen Diözesanklerus für den 5. Juni zu einer Besprechung zusammen. Mitte August lädt er nicht nur die Bischöfe seiner Kirchenprovinz, sondern auch die Erzbischöfe von Wien, Prag und Olmütz zu einer Konferenz nach Salzburg ein, um sich, ausgehend von einem Entwurf über das Unterrichtswesen, zu beraten. Markantes Ergebnis der "Salzburger Bischofskonferenz" ist unter anderem eine gemeinsame Adresse an den Reichstag, datiert mit 14. September 1848, die den Episkopat als berechtigten Vertreter der katholischen Interessen und Verhandlungspartner gegenüber dem Staat nennt.

Die Resultate der "Salzburger Bischofskonferenz" sendet Schwarzenberg sogleich dem Kölner Erzbischof Johannes von Geissel (1796-1864) zu, der eben eine Bischofskonferenz in Würzburg vorbereitet. Auf der Tagesordnung dieser ersten deutschen Bischofskonferenz (22. Oktober bis 16. November) stehen kirchenpolitische Ansprüche der Bischöfe, die in Österreich nicht viel anders lauten. Von seiten des eingeladenen österreichischen Episkopats nimmt nur Salzburgs Kardinal daran teil und präsidiert als Ehrenvorsitzender die Versammlung.

Tief beeindruckt von der Würzburger Konferenz plädiert Schwarzenberg seitdem für ein Zusammentreten der österreichischen Bischöfe. Er wird so zum episkopalen Hoffnungsträger der kirchlichen Freiheits- und Aufbruchsbewegung des Revolutionsjahres 1848, die vor allem vom niederen beziehungsweise jüngeren Klerus, von den katholischen Laien und der kirchlichen Publizistik leidenschaftlich getragen ist.

Die Mehrzahl der Bischöfe, im Geist des Josephinismus beheimatet, hatte gegenüber den Geschehnissen der Revolution eine abwartende Haltung eingenommen. So verlangte wenige Tage nach der Märzrevolution der eher hilflos wirkende Wiener Fürsterzbischof Vinzenz Eduard Milde (1777- 1853) diametral zu den gerade errungenen Freiheiten im Vereins-, Versammlungs- und Pressewesen, es möge sich sein Klerus von Politik und Publizistik völlig fernhalten und sich mehr seinen eigentlichen geistlichen Berufungsaufgaben zuwenden - was ihm sein jüngerer Klerus vielfach verübelte. Von der "Salzburger Bischofskonferenz" ganz angetan, kommentierte die "Wiener Kirchenzeitung": "So wäre denn endlich auch unser Episkopat aufgestanden, um für die Freiheit der Kirche in die Schranken zu treten!"

Da Milde der ihm als Fürsterzbischof der Residenzstadt eigentlich zugefallenen Führungsrolle innerhalb des österreichischen Episkopates nicht gewachsen ist, beginnt Schwarzenberg entschieden die Konferenz- und Synodenforderungen zu erfüllen.

Die "Salzburger Bischofskonferenz" wirkt stimulierend: Weitere Eingaben und Petitionen von Kirchenprovinzen sowie einzelner Bischöfe folgen. Die Wirkung der bischöflichen Eingaben erregt die Aufmerksamkeit der Abgeordneten und ist enorm. Erstmals seit dem Josephinismus agiert der Episkopat kirchenpolitisch mit vereinten Kräften und tritt als kirchliche Institution wieder in Erscheinung. Sogar der Beginn der zweiten Lesung des Konfessionsparagraphen wurde nur deswegen verschoben, um die Drucklegung der bischöflichen Petitionen zum Zwecke der besseren Orientierung der Abgeordneten abzuwarten. Die Denkschriften der österreichischen Bischöfe finden teilweise Berücksichtigung in den Grundrechten der oktroyierten Märzverfassung 1849.

Indes führt Schwarzenberg vertrauliche Unterredungen mit seinem Bruder, dem Ministerpräsidenten Fürst Felix Schwarzenberg. Zu Verhandlungen mit den für Kultusangelegenheiten zuständigen Ministern des Innern und der Justiz zieht der Kardinal seinen ehemaligen Lehrer, Joseph Othmar von Rauscher (1797-1875) heran, der bald in kirchenpolitischen Anliegen zur zentralen Führungspersönlichkeit innerhalb der österreichischen Bischöfe aufsteigen soll. In einer Audienz in Olmütz ersucht Schwarzenberg den Kaiser persönlich um Veranlassung einer allgemeinen Bischofskonferenz .

Innenminister lädt ein Einigen seiner bischöflichen Amtsbrüder unterbreitet der Kardinal den Plan von "baldigsten", mündlich-vertraulichen Beratungen des Episkopats nach Vorbild des "Würzburger Zusammentretens, das ist ohne offizielle und öffentliche Demonstrationen". Während mit den Vorbereitungen für ein Zusammentreten der Bischöfe begonnen wird, kommt Innenminister Franz Graf Stadion den kirchlich projektierten Konferenzbemühungen zuvor und setzt den offiziellen Einladungsakt zur ersten österreichischen Bischofskonferenz: Am 31. März 1849, lädt er alle erbländischen Bischöfe für den 3. Sonntag nach Ostern zu einer Versammlung nach Wien ein, um sich unmittelbar "mit den allein berechtigten Vertretern der katholischen Interessen" zu besprechen.

Ein feierliches Hochamt im Stephansdom eröffnet am 29. April 1849 nicht nur die erste österreichweite Bischofskonferenz, sondern hebt eindeutig den kirchlichen Charakter der Zusammenkunft hervor. Bis 20. Juni beraten 29 Bischöfe und sechs bischöfliche Vertreter im Erzbischöflichen Palais unter dem Vorsitz Schwarzenbergs in 55 Sitzungen unter sich und in Abwesenheit von Regierungsvertretern insbesondere Fragen der Neugestaltung der Kultusangelegenheiten.

Dem vom Nuntius vorgelegten Arbeitsprogramm wird gehorsam gefolgt. Gestützt auf das beigefügte kaiserliche Patent vom 4. März, das allen christlichen Konfessionen die selbständige Ordnung ihrer Angelegenheiten gewährt, beantragt die Konferenz bei Kaiser und Regierung den Abbau der josephinischen Gesetzgebung und die Regelung der Grenzgebiete durch ein Konkordat. Die Aprilverordnungen 1850 erfüllen wichtige Forderungen der Bischöfe, unter anderem die Freigabe des Verkehrs mit der römischen Kurie und die freie Ausübung der bischöflichen Disziplinargewalt. Endgültiges Ergebnis der ersten Bischofskonferenz ist die Unterzeichnung des Konkordates zwischen Österreich und dem Heiligen Stuhl im Jahr 1855.

Die Autorin ist Assistentin für Kirchengeschichte an der Universität Graz.

Hinweise 150 Jahre Österreichische Bischofskonferenz * Freitag, 26. März, 16.30 Uhr: Wortgottesdienst im Wiener Stephansdom 17.30 Uhr: Festakt in den Räumen des Erzbischöflichen Palais, 1010 Wien, Rotenturmstraße 2 * Die Festschrift mit Beiträgen aller derzeitigen Bischöfe sowie zur Geschichte der Bischofskonferenz (unter anderem von der Autorin des nebenstehenden Artikels) können zum Preis von öS 398,- im Sekretariat der Österr. Bischofskonferenz, 1010 Wien, Rotenturmstr. 2, Fax 01/51611-3436 bestellt werden.

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