Von Kardinals Tugenden

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Hubert Feichtlbauer ist mit seiner Kardinal-König-Biografie ein berührendes Zeitbild gelungen. Er holt hinter dem großen intellektuellen Kirchenmann auch den Menschen Franz König hervor.

Als am 22. Oktober in Wien der tschechische Theologe und Soziologe TomáÇs Halík den Kardinal-König-Preis entgegennahm, überreichte ihm der Namensgeber die Auszeichnung persönlich: Nach seinem Unfall im Juli ist Wiens Alterzbischof wieder im Einsatz, bejubelt auch von einer honorigen Festgemeinde. Die Auftritte des Kardinals sind seltener geworden, die Achtung ihm gegenüber als der moralischen Instanz des Landes scheint dagegen weiter zu steigen.

Keine Übertreibung also, wenn Hubert Feichtlbauer seiner König-Biografie den Titel "Der Jahrhundert-Kardinal" verpasst: Solch Attribut ergibt sich schon aus der Lebenslänge des Protagonisten, aber noch viel mehr aus der Prägung kirchlicher Zeitgeschichte durch ihn - und deutet gleich im Titel die Wehmut an, dass die offenen, auf die Welt zugehenden Kirchenzeiten jedenfalls hierzulande schon in der Vergangenheitsform zu beschreiben sind, und dass Kardinal König der Zeuge dieser Zeit und wichtiger: des daraus resultierenden Kirchenstils und -bildes ist.

Atem der Zeit eingefangen

Gleich vorweg: Hubert Feichtlbauer, selbst unmittelbarer Zeuge der Ära König, ist mit seiner Kardinals-Biografie ein Zeitdokument gelungen, das den Atem der Zeit ebenso einfängt wie es einfühlsam mit der Person Franz König umgeht. Feichtlbauer ist ja als "König-Biograf" ausgewiesen, hatte er schon 1998 eine aufwendige TV-Dokumentation über den Kardinal gestaltet, in der dessen Freunde und nicht so freundlich Gesinnte zu Wort kamen, an ihrer Spitze Glaubenswächter Joseph Ratzinger, der sich im Laufe der Jahre ja zu den großen Bewahrern der reinen Kirchenlehre entwickelt hatte.

König hat, so Feichtlbauer, an der Entstehung der Biografie nicht mitgewirkt; wer den Kardinal kennt, weiß, dass ihm Aufheben um seine Person nicht angenehm ist; doch Feichtlbauer fand auch für Persönliches die nötigen Informanten und breitet es - im Sinn des Porträtierten - behutsam und überhaupt nicht voyeuristisch aus. Dass er gleichzeitig bei der Bewertung Königs aus seinem Herzen nie eine Mördergrube macht, stellt er ebenfalls klar: "Aber natürlich atmet das Buch von der ersten bis zur letzten Seite den Traum, die Hoffnung: Hätte die Kirche nur mehr von seiner Sorte! Dafür entschuldige ich mich als Autor nicht!"

Trotz solch überschwänglichen Untertons hält sich Feichtlbauer an den Anspruch, keine "Hagiografie" verfasst zu haben; der Beschriebene hätte, wie Feichtlbauer anmerkt, so etwas auch nicht haben wollen. Es ist aber sympathisch, wie der Sympathisant Feichtlbauer den Menschen Franz König aus Fleisch und Blut vor des Lesers Auge erstehen lässt und es nicht dabei belässt, den (Religions-)Wissenschaftler, (Vor-)Denker, Theologen, Kirchenfürsten hervorzukehren.

Kein Roter, kein Freimaurer

Biografische Details, König-Anekdoten und das Aufzeigen unterschätzter oder oft falsch dargestellter Seiten des Protagonisten versuchen das allgemeine Bild Königs zurechtzurücken, wobei der grundlegende Respekt vor dieser Kirchengestalt in keiner Weise revidiert werden muss. Auch die König-Kritiker - der Salzburger Jurist Wolfgang Waldstein oder der langjährige Bundesratspräsident Herbert Schambeck - kommen zu Wort, und Feichtlbauer geht mit ihnen mehr als nobel um. Und er hält auch damit nicht hinterm Berg, dass des Kardinals Zurückhaltung im Vorfeld seiner Nachfolgeregelung wohl etwas gar nobel war.

Feichtlbauer versucht engagiert, manch Fehlurteil über Königs Wirken zu erschüttern: So zeigt er etwa auf, wie ungerecht die Einschätzung war, Kardinal König sei einer der großen Intellektuellen der Weltkirche gewesen, habe aber die "Niederungen" der Erzdiözese gemieden: Im Gegenteil, weist Feichtlbauer nach, war es König, der als erster Wiener Erzbischof alle Pfarren besucht hat, der etwa Betriebsbesuche zum Bestandteil seiner Visitationen machte und auch sonst aus vollem Herzen Seelsorger war (und ist).

Das Buch bildet auch die Kirchengeschichte des 20. Jahrhunderts nach. Feichtlbauer stellt den Wiederaufbau der Nachkriegskirche dar, die Auseinandersetzungen ums Konkordat und die beginnende Aussöhnung mit der Sozialdemokratie, die König das Stigma des "roten Kardinals" einbrachte. Insbesondere die Schilderungen des Konzils und des nachkonziliaren Aufbruchs sind eine Fundgrube für Wissensbegierige, Feichtlbauer spart auch die Konflikte der Ära König (etwa rund um Adolf Holl) sowie das Unglück, das Österreichs Kirche durch die nachfolgenden Bischofsernennungen erlitt, nicht aus.

Besonderes Verdienst gebührt dem Biografen, dass er impertinente, aber gängige Angriffe gegen König - er sei ein verkappter Sozi, er sei ganz sicher ein Freimaurer... - als Verleumdung oder Intrige entlarvt. Wie gesagt, Schwächen und Zögerlichkeiten Königs spart Feichtlbauer nicht aus, wobei er dazu König auch selbst zu Wort kommen lässt - als dieser etwa im September 2003 im Furche-Interview darüber sprach, wie unsicher er über den Erfolg des Katholikentags 1983 und des ersten Papstbesuchs in Österreich gewesen war.

Überraschender Mensch

Gerade mit der Lektüre dieser König-Biografie verfestigt sich das Bild des großen, alten Kardinals - allen Vorurteilen zum Trotz, kein "Progressiver", sondern ein gesprächsbereiter weltoffener Kirchenmann -, der zeigte, wie sehr geistige und intellektuelle Kompetenz in der Kirche beheimatet sein kann. All das ist hierzulande längst nicht mehr selbstverständlich.

Am stärksten bleibt Feichtlbauers Biografie aber dort, wo er mit dem "Menschen" Franz König überrascht: "Ein 1959 zum Priester geweihter Mann - es war der erste Weihejahrgang von Kardinal König - starb mit 52 Jahren an Leukämie. Er fühlte sich in allem von seiner Kirche verlassen und bestimmte in seinem Testament: Ich möchte ohne Segen eines Amtsträgers neben meiner Wirtschafterin, mit der ich wie Mann und Frau zusammengelebt habe, begraben werden.' Das erfuhr Franz König - und schritt mit im Trauerzug mit schwarzem Mantel, Hut und Schal, unter allen anderen. Das hat die Jahrgangskollegen des Toten stark berührt: dass er kam und mit ihnen betete, aber dessen letzten Willen respektierte."

FRANZ KÖNIG DER JAHRHUNDeRT-KARDINAL

Von Hubert Feichtlbauer. Holzhausen Verlag, Wien 2003. 265 S., geb., e 29,-

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