"Von Mozart nicht genug kriegen"

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Das dreitägige Fest von 27. bis 29. Jänner 2006 wird ein erster Höhepunkt des Wiener Mozartjahres sein. Im Vorfeld gab es ein wichtiges Symposium über Komponistinnen zur Zeit Mozarts und heute. Impulsgeber und Koordinator des Mozartjahres ist der ehemalige Kulturstadtrat Peter Marboe. Mit der Furche sprach er darüber, was er mit Mozart bewegen will.

Die Furche: Herr Marboe, Mozart ist immer präsent - warum noch ein Mozart-Jahr? Besteht nicht eher die Gefahr eines Mozart-Overkills?

Peter Marboe: Wenn man da nicht aufpasst, ist sicher die Gefahr des Zuviel in der Luft, aber nicht, was die Musik betrifft - Nietzsche sagt: "An Mozart kann man sich nicht satt hören" -, sondern weil sich natürlich rundherum auch viel abspielen wird an Vereinnahmung. Aber wenn man es ernsthaft angeht, am Beispiel Mozarts mit Fragen umzugehen, die uns heute genauso beschäftigen - etwa die Frage nach den Chancen der Komponistinnen zur Zeit Mozarts -, dann können von einem solchen Jahr viele Impulse ausgehen.

Die Furche: Die Mozart-Zeit ist doch schon stark erforscht - gibt es da noch Neues zu entdecken?

Marboe: Für die meisten fand beim Komponistinnen-Symposium eine doppelte Erstbegegnung statt: mit den Komponistinnen aus der Zeit Mozarts und mit denen von heute, die in unserem Auftrag neue Werke geschrieben haben. Da stand natürlich die Frage im Raum: Was hat sich seither geändert? Nicht so viel, wie man erwarten dürfte!

Die Furche: Sie wollen also nicht Museum spielen, sondern dass die Gegenwart zu Wort kommt.

Marboe: Es ist naheliegend, dass man in einem solchen Jahr die zeitgenössischen Kreativen zu künstlerischen Statements einlädt. Es wird sechs neue Opern geben, 25 neue Orchesterwerke, 26 Kurzfilme, fünf neue Theaterstücke. Und was mir auch sehr wichtig war: sicherzustellen, dass diese Werke auch aufgeführt werden.

Die Furche: Sie zitieren gerne Wolfgang Hildesheimer, der Mozart das vielleicht größte Genie der Menschheitsgeschichte genannt hat. Soll Mozart als Exklusivgenie präsentiert oder mehr im Kontext seiner Zeit verortet werden?

Marboe: Sicher das Zweitere. Und dann wird man auch einen anderen Zugang finden. Wenn man bedenkt, dass Mozart aus der Pamina die erste große, den Männern völlig gleichgestellte Erleuchtete gemacht hat - das ist ja ein politisches Statement. Oder wenn Mozart sogar ins Libretto eingreift und Stephani, dem Bearbeiter, aufträgt, aus dem Belmonte nicht den wiedererkannten Sohn zu machen, sondern den Sohn des ärgsten Feindes, damit dieser Großmut des Bassa Selim unterstrichen wird in einer Zeit, wo die Türken nicht gerade hoch im Kurs standen in Wien - das sind hochaktuelle Dinge.

Die Furche: Es wird es ja auch eine spiegelverkehrte "Entführung" aus türkischer Sicht geben. Wie ist die zustande gekommen?

Marboe: Der Ausgangspunkt war mein Wunsch, dass wir etwas mit den anderen Kulturen in dieser Stadt machen - einen Dialog im Mozartschen Sinn, der da keinerlei Vorurteile kannte. Und natürlich ist da die türkische Kultur eine, die uns sehr interessiert in dieser Stadt. So tauchte die Idee auf, das große deutsche Singspiel auf Türkisch aufzuführen und gleichzeitig die Rollen so zu adaptieren, dass die europäischen und die türkischen Dimensionen ausgetauscht werden. Und wenn man weiß, wie kreativ das Schauspielhaus auch die Durchführung solcher Projekte angeht, dann erwarte ich mir davon auch interessante Impulse. Was mich besonders freut, ist, dass diese Produktion auf Reisen gehen und auch in Istanbul zu sehen sein wird.

Die Furche: Sie wollen neue Schichten für Mozart gewinnen. Ist er nicht längst Gebrauchsmusik - schlimmstenfalls für die Telefon-Warteschleife?

Marboe: Das sind genau die Gefahren, die ich auch sehe. Wir haben daher sehr sorgfältig definiert: Was ist zumutbar und was nicht. Es wird z. B. keinerlei Beschallung geben im Wiener Mozartjahr. Die Verführung ist immer groß: Man beschallt U-Bahnen und Plätze, Züge usw.

Die Furche: Von wem kamen solche Einfälle?

Marboe: Die Einfälle sind schon von den Beratenfirmen gekommen. Ich habe davor immer gewarnt, weil ich überhaupt nichts davon halte, dass wir uns wie Straßenräuber auf die Menschen werfen, "Amadeus" brüllend, und hoffen, dass alle jetzt Mozart lieben. Sondern was immer wir im öffentlichen Raum machen, wird den Charakter eines temporären Konzertsaales haben. Man wird auf den großen Plätzen der Stadt, aber auch in verschiedenen Innenräumen Mozart live in höchster Qualität mit professionellen jungen Musikern erleben können.

Die Furche: Mozarts gesamte Sakralmusik wird in Wien aufgeführt werden. Ist das etwas Neues?

Marboe: Es gibt meistens nur die fünf, sechs Messen. Es hat aber niemand alle Litaneien, Vespern, Kirchensonaten aufgeführt. Daher lag mir daran, über das Jahr verteilt in den wichtigen Musikkirchen der Stadt dieses Sakralwerk zur Aufführung zu bringen, und zwar so, dass jeder weiß, was er wann und wo hören kann.

Die Furche: Ihr Büro liegt in der Mahlerstraße. Mozart ist ja im Straßennetz von Wien nicht gerade prominent vertreten. Sollte man im Mozartjahr den Lueger-Ring in Mozart-Ring umbenennen?

Marboe: Ich habe das schon immer für eine interessante Idee gehalten, die Ringabschnitte nach berühmten Künstlern und Musikern zu benennen. Was die Mahlerstraße betrifft, so ist das insofern ein recht gelungener Zusammenhang, als Gustav Mahler sich 1906 sehr intensiv mit dem Wiener Mozartjahr beschäftigt hat.

Die Furche: Was muss geschehen, dass Sie nach einem Jahr sagen: Es war ein gutes Mozartjahr?

Marboe: Dass der Eindruck bleibt, dass man von Mozart nicht genug kriegen kann. Und dass eine Stadt wie Wien, die sich als Weltkulturzentrum, Weltmusikstadt versteht, immer wieder bereit ist nachzudenken, was ihr die Legitimation für einen solchen Anspruch verleiht. Und zum Schluss kommt, dass es nicht genügen kann, sich auf die Großen zu berufen, die hier gelebt haben.

Das Gespräch führte Cornelius Hell.

Keine Mozart-Wurst

in Geigenform

"Mehr Kultur in die Politik, weniger Politik in der Kultur" war Peter Marboes Motto, als er 1996 Wiener Kulturstadtrat wurde. Zuvor war der 1942 in Wien Geborene 1984-87 Leiter des Österreichischen Kulturinstituts in New York, für dessen Neubau er als Leiter der kulturpolitischen Sektion des Außenministeriums ab 1991 maßgeblich verantwortlich war. In New York baute Peter Marboe

viele Kontakte zu österreichischen Emigranten auf, deren Heimholung und Würdigung für ihn ein zentrales Anliegen blieb. Seit Dezember 2003 ist der verheiratete Vater zweier Kinder als eigenverantwortlicher, nicht weisungsgebundener Intendant für Vorbereitung, Planung und Koordination aller Aktivitäten zum Wiener Mozartjahr zuständig. Dafür steht ihm ein Budget von 30 Millionen Euro zur Verfügung. Als Devise nannte er: "Mehr Nachdenken als Gedenken." Für eine Mozart-Wurst in Geigenform war Peter Marboe nicht zu haben. Statt eines kitschigen Bejubelungsjahres will er Mozart "benutzen", um Fragen zu stellen: "Was bedeutet Musik im Leben eines Menschen und einer Stadt? Ist es wichtig, dass Kinder Musikunterricht bekommen - und wieviel? Und ist es gleichgültig, ob sie noch Instrumente spielen?" Mozart sei für ihn schon immer unwiderstehlich gewesen, sagte Peter Marboe bei seinem Amtsantritt. Diese Begeisterung merkt man ihm an, wenn er einem den druckfrischen Prospekt der Reihe "Mozart sakral" übergibt oder die Auftragswerke des Mozartjahres vorstellt.

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